Ausstellung "Duckomenta" in Bremen

Vom Dötzi aus dem Eis

Entenfigur im Schnee

© interDuck-scaled

Der Dötzi aus dem Eis mischt sich in der Bremer Ausstellung unter die Original-Objekte der Landesarchäologie.

Kunst muss nicht langweilig sein. In der "Duckomenta" in Bremen ist der Schnabel der Nabel der Welt. Unter den 250 Ausstellungsobjekten finden sich auch der heilige Ansgar und seine Ente.

Vielleicht muss ja die Biografie des heiligen Ansgar noch einmal neu geschrieben werden. Ein Ölgemälde zeigt den Hamburger Bistumsgründer und einen Begleiter – nein, nicht seinen Schüler Rimbert wie auf dem Original, sondern eine Ente. Und die ist ziemlich forsch. Sie kniet nicht etwa fromm oder faltet die Hände, sondern schaut mit erhobenem Zeigefinger zu Ansgar auf, als wolle sie ihn daran erinnern, was auf dem Spruchband steht, das über ihr flattert: „tenete memoria anates“: „Denkt auch an die Enten.“

Ansgar Bild
Ansgar ist auf die Ente gekommen: auf dem verfremdeten Ölgemälde in der "Duckomenta". Foto: Anja Sabel

Ansgar und seine Ente sind mit einem Augenzwinkern zu betrachten. So wie alle verfremdeten Gemälde und Skulpturen in der Gastausstellung „Duckomenta“ im Bremer Focke-Museum. Dort hängt Ansgar im Haupthaus zwischen den Kurfürsten von der Rathausfassade. Der Apostel des Nordens passt gut hierher, denn als die Wikinger Hamburg im Jahr 845 zerstörten, floh er nach Bremen, wo er gleich ein neues Bischofsamt antrat. 

Wer die Kunstwerke betrachtet, möchte sich die Augen reiben: Die kenne ich doch! Stimmt. Die „Duckomenta“, nicht zu verwechseln mit der Kunstausstellung documenta in Kassel, versammelt Spitzenwerke der Kunstgeschichte – die allerdings von comicartigen Enten bevölkert sind. Jan Vermeers Mädchen mit dem Perlenohrring, die Nofretete, ein Selbstbildnis von Paula Modesohn-Becker mit Halskette, das Schokoladenmädchen aus Dresden und selbst die Bremer Stadtmusikanten entführen in ein Paralleluniversum. Alle Porträtierten haben Entenschnäbel, tragen ein Federkleid oder haben Schwimmhäute. Dahinter steckt die Berliner Künstlervereinigung „interDuck“, die ihrer Leidenschaft für Comicfiguren und Kunst frönt.

Von der mystischen Entensippe, die parallel zu den Menschen lebte

So sitzt auch auf Leonardo da Vincis berühmtem Abendmahl-Fresko kein Geringerer als Donald Duck mit Jesus und seinen Jüngern an der Tafel. Despektierlich ist das Bild aber nicht. Kurator Bora Aksen sieht keine religiösen Gefühle verletzt. „Anders wäre es gewesen, man hätte Jesus zur Ente gemacht.“

Die Ausstellung ist ein großer Spaß mit seriösem Hintergrund. Bora Aksen sagt, er habe selbst noch viel gelernt auf der Zeitreise durch die Epochen. Die „Duckomenta“ rege dazu an, sich spielerisch mit der europäischen Kunst- und Kulturgeschichte auseinanderzusetzen. Sie spreche Kunstliebhaber ebenso an wie Kunstmuffel, Disney-Fans und Comic-Sammler – Menschen aller Altersklassen. 

Duckfretete
Nofretete - nein, Duckfretete, die schönste Ente der Welt. © interDuck-scaled

Angefangen hat alles mit Eckhart Bauer, Professor für Kunstsoziologie an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig. In den 1980er Jahren hielt er ein Seminar über den Einfluss der Popkultur auf die Hochkultur. Dieser Weg führte nach Entenhausen, wo die Ducks und ihre gefiederten Gefährten leben. Bauer und seine Studierenden entwickelten ein modernes Märchen von einer mystischen Entensippe, die parallel zu den Menschen lebte. Anfangs war das Projekt noch Kritik an der Amerikanisierung der Kultur. Inzwischen ist ein riesiger Fundus an Entenwerken entstanden, mit viel Liebe zum Detail.

Mehr als zwei Millionen Menschen haben die „Duckomenta“ seit 1986 gesehen. Das Focke-Museum zeigt 250 Arbeiten im Zusammenspiel mit der eigenen Sammlung. Im Haus Riensberg, wo die bürgerliche Wohnkultur mehrerer Jahrhunderte präsentiert wird, sind beispielsweise Entenporträts neben den Bildnissen Bremer Bürger zu sehen. Im Eichenhof, mit Funden der Landesarchäologie, entdeckt man das Skelett der ersten aufrecht gehenden Ente und den berühmten Dötzi aus dem Eis. Die Originale verschmelzen derart mit der tierischen Parallelwelt, dass der Betrachter automatisch nach dem Entenmotiv sucht. Ente gut, alles gut. 

Anja Sabel