„Zweitchauffeur“ der Erzbischöfe übernimmt Arbeitsschutz
Der Mann für die Sicherheit
Christian Sommer |
Sie sind ein Gespann. Einer sitzt vorne links, der andere hinten rechts. Erzbischof Heiner Koch oder Weihbischof Matthias Heinrich nehmen auf der Rückbank Platz auf dem Weg zu ihren Terminen, viele tausend Kilometer im Jahr. Unterwegs zu Firmungen, Requien, Konferenzen, Visitationen nutzen sie die Zeit im Auto, um sich vorzubereiten oder ein bisschen zu erholen von ihrem riesigen Arbeitspensum. Vorne mit voller Konzentration am Steuer sitzt seit zwei Jahren häufig Christian Sommer.
Zu seinen Aufgaben als zweiter Chauffeur gehört es, die Fahrten zu planen. Gibt es Baustellen, sind Demonstrationen angemeldet, die das pünktliche Ankommen beeinträchtigen könnten? Wegen eines Marathonlaufes kam der Erzbischof schon einmal zu spät. „Er selbst hat in der Gemeinde angerufen, um die Verspätung anzukündigen“, erinnert sich Sommer. Er habe zwar eine Freisprechanlage, musste aber auf den Verkehr achten. „In solchen Momenten sind wir ein Team“, erzählt der Katholik, der im brandenburgischen Lehnin geboren wurde und heute mit seiner Frau in Groß Kreutz lebt. Ansonsten muss er an vieles denken. Der Bischofsstab muss auseinander geschraubt, in einen Koffer gepackt und zusammen mit Albe und Mitra (zehn zur Auswahl beim Erzbischof) im Auto verstaut werden. Auch seinen eigenen Talar und das Rochett darf er nicht vergessen. Denn Sommer ist auch Zeremoniar und damit für den reibungslosen Ablauf der Gottesdienste zuständig. Anfangs habe er sich trotz Ministranten-Erfahrung einen Spickzettel machen müssen. „Ich habe manches Mal beim Hauptzeremoniar in St. Josef nachgefragt“, erzählt der 58-jährige. Den Ministranten vor Ort sagt er, sie sollen einfach auf ihn schauen. Wenn dann trotzdem etwas schief geht, nimmt er die Schuld auf sich.
Christian Sommer ist gelernter Radio- und Fernsehtechnikmeister. Bevor er seine Stelle im Erzbistum angetreten hat, musste er beruflich viel reisen. Sein Bruder war Pfarrer in Stralsund, seine Schwester gehört ist Karmelitin in Dachau. Obwohl er religiös verwurzelt ist, geriet er ins Stocken, als der Erzbischof ihn im Bewerbungsgespräch nach seinem Lieblingslied fragte. „Ich kann nicht singen“, gestand er nannte dann aber doch ein Lied mit persönlicher Geschichte: „Großer Gott wir loben dich“. Unvergesslich für Familie und Freunde, weil er bei Hochzeit und Silberhochzeit gleich alle zwölf Strophen singen ließ.
Musikalisch geht es im Auto sonst nicht zu. Keiner der Bischöfe mag es, wenn das Radio läuft. Natürlich hält sich Sommer daran. Wenn er allein fährt, macht er es schon an. Ansonsten konzentriert er sich ganz auf den Verkehr. Tempo 140 bis 170 Stundenkilometer nach Möglichkeit auf der Autobahn, wenn alles frei ist, auch schon mal 200. „Beide Dienstautos könnten schneller sein“, weiß er. Aber er wolle es nicht übertreiben. Zwei Knöllchen in zwei Jahren habe er wegen Tempoüberschreitungen bekommen. Begleichen musste er sie selbst.Reinreden tut keiner der beiden Herren von hinten. Obwohl beide selbst Auto fahren. „Der Erzbischof beklagt sich nur manchmal: Wie hat uns das Navi denn jetzt geleitet?“ Sommer beruhigt es, wenn die Bischöfe nach anstrengenden Terminen auch mal eine Runde schlafen. „Das ist für mich ein Zeichen, dass sie mir vertrauen.“
Bis Februar macht Sommer eine Weiterbildung zum Experten für Arbeitsschutz. Bisher war er mit halber Stelle Hausmeister. Das passte allerdings schlecht zur Flexibilität, die ihm als Chauffeur abverlangt wird. Der Generalvikar hatte deshalb die Idee, er könne seinen Leerlauf bei Gemeinde-Visitationen künftig zur Überprüfung des Arbeitsschutzes einsetzen: Sind die Computer in den Büros richtig aufgestellt, die Stühle ergonomisch, werfen die Lampen ausreichend Licht auf die Arbeitsflächen, wird Gefahrengut sachgerecht aufbewahrt? Im Februar hofft Sommer, die Ausbildung abschließen zu können.
Weihnachten ist Sommer für beide Bischöfe im Großeinsatz. Heiligabend in der Justizvollzugsanstalt Großbeeren, um 22 Uhr Pontifikalamt in St. Josef in Berlin mit dem Erzbischof. Ein paar Stunden schlafen, um 10 Uhr wieder Pontifikalamt in Berlin. Am zweiten Weihnachtstag fährt er den Weihbischof. Mit der Familie wird er Weihnachten zwischen den Jahren feiern. Viel auszumachen scheint es ihm nicht.