Willy Wiedmann schuf ein einzigartiges Kunstwerk
Die Bibel in 3333 Bildern
Pfarrer Sven Hanson führt gern durch die Ausstellung, die im Canstein Bibelzentrum zu sehen ist. Fotos: Claudia Crodel |
Bild an Bild reiht sich aneinander, mal als detailreiche Zeichnung mit sehr figürlichen Darstellungen, manchmal ganz sparsam mit vorwiegend geometrischen Formen und Mustern, mal in blassen Aquarelltönen, dann wieder leuchtend und sehr farbintensiv. Die insgesamt 3333 Farbtableaus – zusammengefügt zu Leporellos – werden zu 19 Büchern, erzählen die biblischen Geschichten fortlaufend auf 1,17 Kilometern Länge – das gesamte Alte und Neue Testament. Es ist eine Bibel, die man nicht lesen kann wie andere Bibeln. Sie ist gemalt.
16 Jahre an den Bildern gemalt
Der Künstler Willy Wiedmann (1929-2013) hat sie in einem langen Prozess von insgesamt 16 Jahren in dem von ihm entwickelten Stil der Polikonmalerei geschaffen. Entstanden ist ein einzigartiges Werk, eine Symbiose aus Religion und moderner Kunst: Willy Wiedmanns Lebenswerk.
Einen Einblick in die Wiedmann-Bibel gibt es gegenwärtig in einer Ausstellung im ehemaligen Magazin des Canstein Bibelzentrums in den Franckeschen Stiftungen in Halle. Dort kann man etwas über die Geschichte des Werkes erfahren, sich einige Originale sowie gedruckte, reproduzierte und digital abrufbare Bilder ansehen, in die Kunst und die Geschichten eintauchen und somit einen Eindruck vom Gesamtwerk erhalten. Pfarrer Sven Hanson, Leiter des Canstein Bibelzentrums, führt gern durch die Ausstellung und arbeitet auch mit Schülern im Rahmen des Religionsunterrichts dazu.
40 Bibelversionen dienten als Vorlage
Die Geschichte dieser außergewöhnlichen Bibel beginnt im Jahre 1984, als Wiedmann den Auftrag bekommt, die in Stuttgart-Zuffenhausen stehende Pauluskirche auszumalen. Solange der Gemeinderat sich noch über das Thema einig werden muss, kommt Wiedmann eine Idee: „So schürte sich in mir die Lust zum Malen dieses, so weiß ich es heute, wohl größten Werkes, was die Menschheit je hervorgebracht hat.“
Und auch seine Arbeitsweise ist wohl einmalig, denn er nahm nicht eine Bibel her und begann die Geschichten auf seine Weise aufs Papier zu bringen, sondern nahm 40 verschiedene Versionen der Heiligen Schrift zu Hilfe.
Nach dem Tod des Künstlers entdeckte Martin Wiedmann, sein Sohn, den Schatz im Dachstock von Willy Wiedmanns Galeriehaus. Martin Wiedmann spürte schnell, dass es seine Aufgabe sei, die Mission weiterzuführen. Es entstand zunächst eine digitale Bibelwelt mit App, interaktivem Erlebnismaterial und einer Virtual Reality. Doch damit nicht genug: Anfang 2018 wird die Wied-mann-Bibel in einer limitierten Auflage erstmals in Buchform veröffentlicht. Er folgen Ausstellungen nicht nur in Deutschland, auch in anderen Ländern, sogar in den USA. Im Jubiläumsjahr der Übersetzung des Neuen Testaments durch Martin Luther auf der Wartburg 2022 war die Wiedmann-Bibel als Freiluft-Schau auf dem Weg von Eisenach hoch zur Wartburg zu sehen.
Papst Franziskus bekam das Kunstwerk von Martin Wiedmann überreicht. |
Auch Papst Franziskus besitzt ein Exemplar
Martin Wiedmann macht auch viele Persönlichkeiten mit dem Werk seines Vaters bekannt. „Sogar Papst Franziskus bekam ein Exemplar geschenkt“, erzählt Sven Hanson.
Das Canstein Bibelzentrum, das nach Carl Hildebrand Freiherr von Canstein (1657-1719), dem Gründer der ersten Bibelanstalt der Welt in den Glauchschen Anstalten (heute Franckeschen Stiftungen), benannt ist, hat bis März noch einige Veranstaltungen in ihrem Programm, die sich der Wiedmann-Bibel widmen. So heißt es am 2. März „Wiedmann meets Luther. Sibylle Kuhne liest die Bibel“. Die Schauspielerin widmet sich zwei Übersetzungen der Bibel, der künstlerischen durch Wiedmann und der von Luther.
Am 18. März lädt Pfarrer Sven Hanson im Rahmen der diesjährigen Francke-Feier dazu ein, vor Ort in das Werk Wiedmanns einzutauchen. Dann gibt es die Möglichkeit, sich der Kunst Wiedmanns und der Deutung der biblischen Szenen offen und auch kritisch anzunähern. Die Ausstellung in Halle läuft noch bis zum 19. März.
Von Claudia Crodel