Fotoausstellung im Kloster Ter Apel

Die Bibel als Quelle der Inspiration

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Wie können wir heute die Bibel neu sehen? Die Künstlerin Caroline Waltman hat sich für Fotos entschieden. Mehrere Jahre ist sie für ihr Projekt durch 16 Länder gereist und hat Hunderte Aufnahmen gemacht. Ein kleiner Teil der Bilder ist jetzt im niederländischen Kloster Ter Apel zu sehen.


Sei mein Freund: Das bedeutet frei übersetzt die Aufschrift
auf dem T-Shirt – eines der Fotos zu einem Bibelprojekt aus
den Niederlanden. Foto: Caroline Waltman

Mit aufgekrempelten Hosenbeinen und in Sandalen steht der junge Afrikaner auf einem Betonpoller bei Gibraltar. Beim Blick auf das Wasser hinter ihm springen Fragen aus dem Bild: Was hat er durchgemacht, um nach Europa zu kommen? Ist auch er, wie so viele andere Geflüchtete, in ein Schlauchboot gestiegen und hat die unsichere Überfahrt über die Meeresenge gewagt? Darauf gibt Caroline Waltman in ihrem Foto keine Antwort. Wohl aber erzählt sie von der Hoffnung des jungen Mannes. Denn er lächelt entspannt in die Kamera und bittet den Betrachter, ihn willkommen zu heißen. „Add me as a friend“ steht in großen Lettern auf seinem T-Shirt – „füge mich als Freund dazu“. Und das passt zu der Bibelstelle aus dem Buch Esra, die die Künstlerin danebenstellt: „Und jeden, der irgendwo übrig geblieben ist, sollen die Leute ... unterstützen.“

609 Fotos begleitet von 830 Bibelversen

Das lebensgroße Porträt ist nur eins von Hunderten Fotos, die Waltman für ihr Projekt „Paradisewill.com“ (das Paradies wird kommen) aufgenommen hat. Mehrere Jahre ist die 49-jährige Niederländerin dafür unter anderem durch Ägypten, Äthiopien, Israel, Jordanien, Deutschland, Griechenland, die Niederlande, Spanien, die Türkei, Schweden und Indien gereist. Hat dort Menschen, Landschaften, Stillleben, Straßenzenen, Tagesstimmungen fotografiert und zu diesen 609 Bildern 830 Bibelverse gestellt. Angefangen bei Genesis im Alten Testament bis zur Offenbarung im Neuen Testament. In künstlerischer Freiheit erlaubt sie sich dabei assoziative Sprünge in Zeit und Raum. Die Schrifttexte passen trotzdem wie eine immer gültige Klammer dazu. Aus dieser Arbeit ist ein 400 Seiten starkes Buch entstanden, das dem Leser manche Bibelstelle neu erschließt. Man würde dieser ganz anderen Version der Bibel eine Übersetzung auch in andere Sprachen wünschen. Caroline Waltman sucht deutsche Herausgeber.

Warum sie sich für die Bibel als Leitmotiv entschieden hat? „Ich selbst habe die Bibel gar nicht gewählt, sondern die Bibel mich“, sagt die in Amsterdam lebende Künstlerin. Ein Porträt aus einem ihrer früherer Bücher gab den Anstoß: „Ich dachte, das könnte doch der geliebte Mensch aus dem Hohelied Salomons sein.“ So wuchs bei ihr die Idee, Texte der Propheten und Psalmen, der Evangelien und Paulusbriefe visuell für die Menschen unserer Zeit zu übersetzen. Dafür hat sie intensiver als zuvor die Bibel studiert, hat nach passenden Abschnitten für ihre Fotos gesucht und den Wert der Heiligen Schrift neu entdeckt. „Sie kann eine Quelle der Inspiration sein – um zu lernen, wie wir auf mitfühlende Weise miteinander umgehen können.“ 

Einen unmittelbaren Einblick in das Projekt erhalten in diesen Wochen Besucher des niederländischen Museums Kloster Ter Apel, direkt hinter der Grenze nahe der emsländischen Stadt Haren. Das ehemalige Kreuzherrenkloster (siehe auch „Zur Sache“) zeigt bis 19. April einen kleine Auswahl der großformatigen Waltmann-Fotografien. Die Ausstellung wird begleitet von Texten in mehreren Sprachen: Niederländisch, Englisch, durch eigens gedruckte Folien in Deutsch sowie in Arabisch und in dem in Äthiopien und Eritrea gesprochenen Tigrinya. Waltman hat dabei an Geflüchtete aus diesen Ländern gedacht, die in den Niederlanden eine neue Heimat suchen. Auch in Ter Apel gibt es ein Zentrum für Asylsuchende.

Ein Blick über den weiten Horizont

Bei einigen der im Kloster ausgestellten Fotos fällt die Verbindung zum Bibelvers leicht. Wie bei dem Mann, der Brot für ein Fest orthodoxer Christen auf der griechischen Insel Patmos anliefert – begleitet von der Erzählung über die Brotvermehrung. Bei anderen Kombinationen stellen sich Assoziationen ein. Da fragt sich der Betrachter: Hat Waltermann aus der Ferne ein sommerliche Szene mit bunten Bannern am Strand aufgenommen – oder nicht doch die überfüllte Zeltstadt für Flüchtlinge? Der Begleittext aus dem Buch Josua weist eher in diese Richtung. 

Was ihr eigenes Lieblingsbild ist? Ein Blick auf den weiten Horizont über der schwedischen See, aufgenommen bei einer Temperatur von minus 20 Grad. Es ist das erste Bild ihrer Foto-Bibel, die erste Stelle im Buch Genesis: „Am Anfang erschuf Gott Himmel und Erde. Die Erde war wüst und wirr und Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.“

Petra Diek-Münchow 


Zur Sache

Die Fotos von Caroline Waltman sind nach vielen Jahren die erste Ausstellung zur Bibel im Kloster Ter Apel. Ansonsten zeigt die Einrichtung als Museum vor allem Exponate zur Kirchengeschichte und religiöse Kunst. Das Kloster steht fast direkt an der deutsch-niederländischen Grenze bei Haren-Rütenbrock (Emsland) und gilt als besterhaltene mittelalterliche Klosteranlage der Niederlande. Mönche des Ordens vom Heiligen Kreuz haben das Kloster 1465 gegründet und „Domus Novae Lucis – Haus des neuen Lichts“  genannt. Das Kreuzherrenkloster in Bentlage bei Rheine war das Mutterhaus. 

Ab 1930 ist die Anlage aufwendig restauriert worden. Heute können die Besucher die Kreuzgänge aus Backstein wieder durchschreiten, sich die alte Klosterkirche und die Sakristei ansehen, im Kräutergarten spazieren gehen oder im ehemaligen Speisesaal der Mönche einen Kaffee trinken. Für Kinder und Schulklassen gibt es besondere Programme. (pd)