Ewige Profess im Kloster Alexanderdorf

Die Blickrichtung auf Gott

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Am Fest Allerheiligen hat im Kloster Alexanderdorf Schwester Magdalena Böhm ihre ewigen Gelübde abgelegt. Im Interview spricht sie über ihren Weg, ihre Hoffnung und ihr Leben mit Gott.

Schwester Magdalena Böhm zeigt bei der Gelübdeablegung den Anwesenden ihre unterschriebene Professurkunde. | Foto: Stefan Böhm
 
Wie verlief der Weg von der kleinen Sabine bis zur Schwester Magdalena?    
 
Ich bin in einer großen Familie mit fünf Geschwistern aufgewachsen. Bei uns war der Glaube lebendig; wir sind nicht nur sonntags in die Kirche gegangen. Die Kinder- und Jugendarbeit in unserer Gemeinde hat mich sehr geprägt. Ich gehörte auch zur Gemeinschaft Christlichen Lebens und erlebte dort, was Glauben heißt. Immer wieder durfte ich überzeugend glaubenden Menschen begegnen. Darum hat sich alles, was ich nach der Schule gemacht habe, immer auch am Glauben ausgerichtet.
Das Freiwillige Soziale Jahr habe ich bei einer Organisation der Jesuiten absolviert, danach die Ausbildung zur Gemeinde­referentin und ein Studium an der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit in Dresden. Dann bin ich bei den Missions-­Benediktinerinnen in Tutzing am Starnberger See eingetreten. Dort erlebte ich aber, dass es nicht passt und habe nochmal neu in Augsburg angefangen. Das war eine sehr schwierige Zeit für mich. Vor dem Eintritt ins Kloster Alexanderdorf habe ich ein Jahr als Gemeindereferentin in Radebeul gearbeitet.
In der Ewigen Profess haben Sie sich auf Lebenszeit für die klösterliche Lebensform entschieden. Ganz schön mutig, sich lebenslang zu binden. Wie kam es zu der Begeisterung für ein Leben als Benediktinerin?
Ich war immer schon von der Kirche beeindruckt. Sie war mir Heimat. Meine Eltern haben mich mitgenommen zur Kirche, und das nicht nur körperlich. Ich habe gespürt, dass sie beten und dass sie das ernst meinen. Das habe ich verinnerlicht. Als Jugendliche, als ich zum ersten Mal nicht mehr zu Hause wohnte, hatte ich eine kurze Phase, in der ich nicht mehr in die Kirche gegangen bin. Ich wollte allen und vor allem mir selbst beweisen, dass ich den Glauben und die Gemeinschaft der Glaubenden nicht brauche.
Aber dadurch wurde mein Leben leer und hohl. Der Sonntag fühlte sich fade an, ich fühlte mich einsam. Daraus wuchs das Interesse aufzuspüren, wie man Gott begegnen kann. Dabei gab es immer Berührungspunkte mit Klöstern, was mich jedes Mal getroffen und berührt hat. Die Erfahrung, wie die Liturgie des Stundengebets mein Leben trägt, war tiefgreifend, ich wurde sozusagen ergriffen. Und dann stand fest: Das will ich auch. Und musste dann nur noch „mein“ Kloster finden.
 
Ein Leben ohne Partner, ohne eigene Kinder, „nur“ mit Gott in einer Zeit, in der Selbstoptimierung „in“ ist: Vermissen Sie manchmal die „Welt da ­draußen“? 
 
Nein. Bei uns ist genug Welt. Natürlich ist vieles anders, doch weder schlechter noch besser. Meist ist es eher der Gedanke, etwas zu brauchen. So, als würde ich sagen: Ich will in der Stadt leben, dann könnte ich ins Theater gehen, ins Kino und, und, und. Und am Ende macht man es dann doch nicht. Dennoch gibt es das ein oder andere, dass ich mir vorstelle: Zum Beispiel würde ich ab und an gerne einfach ein paar Tage durchschlafen. Aber das können die wenigsten, weil sie in Arbeit und Familie eingebunden sind. Oder ich wäre gerne bei den großen Familienfeiern wie Hochzeiten dabei.
 
Wer ist Gott für Sie?
 
Für mich ist Gott das große Du. Er ist das Gegenüber. Der große Schöpfer, der in allem ist: in der Schöpfung, im Mitmenschen, in mir. Er ist Vater, Sohn und Heiliger Geist – somit Gemeinschaft und Liebe. Dies alles und noch viel mehr …
 
Welche Bibelstelle ist Ihnen besonders wichtig?
 
Jesaja 43,1 ff. Sie hat mir geholfen in sehr schweren und dunklen Zeiten. Gott ruft mich bei meinem Namen. Sagt mir zu, dass ich mich nicht zu fürchten brauche. Egal was passiert, ob Feuer oder Wasser mich bedrohen, er ist bei mir. Er sagt es zu mir und zu jedem Menschen.
 
Fünf Mal am Tag gemeinsames Chorgebet und die tägliche heilige Messe, dazu Ihr ganz persönliches Gebet: Wie geht Beten eigentlich?
 
Beten ist hören, leer werden, singen, sprechen wie mit einem Freund, Gott loben, Gottes Wort hören, tanzen, arbeiten. Gebet ist in Gottes Gegenwart sein. Wir haben von allem etwas in unserem Tagesablauf: Die persönliche Gebetszeit in der Stille, die Lectio Divina (Bibellesung), wir versuchen, beim Arbeiten zu schweigen. Im Gottesdienst drehen wir uns, sitzen, stehen, knien, wenden uns, verbeugen uns – eine Choreographie des Gebetes. Gebet kann viele Formen haben. Letztendlich ist es immer die Ausrichtung zu Gott hin, um mit Gott in Beziehung zu treten und in Beziehung zu sein.
 
Sie haben drei Gelübde abgelegt: Beständigkeit, klösterlicher Lebenswandel und Gehorsam. Dieses Versprechen bindet Sie geistlich und auch rechtlich an die Gemeinschaft in Alexanderdorf. Nun ist ein Kloster vermutlich kein Kuschelclub. Fühlen Sie sich bei Ihren Mitschwestern zu Hause?
 
Wer Kuscheln will, sollte nicht ins Kloster gehen. Wir Schwestern haben uns ja nicht ausgesucht. Aber wir sind einander sehr verbunden durch unsere Blickrichtung auf Gott. Die Beziehung zu Gott sollte die tragende Beziehung sein. Natürlich gibt es Sympathien und auch, dass es mit anderen schwerer ist. Wie überall. Wir versuchen, uns zu versöhnen, uns anzunehmen, weil jede ja um ihre eigenen Schwächen weiß. Ist nicht immer einfach, aber schenkt Verbundenheit. Und so fühle ich mich hier sehr zu Hause. Ich weiß, ich kann mich auf meine Mitschwestern verlassen.
 
Manche glauben, Nonnen lebten in einer Parallelwelt, die mit der Wirklichkeit „da draußen“ nur wenig am Hut hat. Ist das so? 
 
Was ist schon die Wirklichkeit? Weiß ein Schwerverdiener, wie es einem Hartz-IV-Empfänger geht? Kennt ein Professor die Realität eines Analphabeten, der froh ist, eine Stelle bei einer Reinigungsfirma zu haben und immer Angst hat, entdeckt zu werden? Kennt ein Politiker den Alltag von Menschen, deren Tageshöhepunkt im Anschalten des Fernsehers besteht? So ist es auch bei uns. Einiges verlieren wir aus dem Blick, was aber nicht heißt, dass wir überhaupt nicht mehr wissen, was sich im Leben außerhalb des Klos-ters abspielt. Natürlich weiß ich nach sieben Jahren Kloster nicht mehr, wie ein Smartphone funktioniert – was nicht heißt, dass es nicht Mitschwestern gibt, die das können. Vielleicht verliert man auch mit den Jahren den Bezug zum Geld, weil wir nicht erleben, wie es ist, welches zu verdienen und weil ich habe, was ich zum Leben brauche. Aber macht dies das Leben aus? Wir leben hier in Beziehungen – mit allem, was man in Beziehung erlebt. Wir erfahren auch Einsamkeit. Machen uns Sorgen um die Zukunft, durchleben Krankheit und Misserfolg. Wir müssen auch schauen, wie wir mit dem Geld, das wir haben, leben können. Wie überall kommt es auch im Kloster darauf an, wie man sich für das Leben der anderen interessiert und ihnen zuhört.
 
Wie begegnen Ihnen denn die „Normalbürger“, wenn Sie in Zossen einkaufen gehen oder in Berlin etwas zu erledigen haben?
 
Ich glaube, in Berlin werde ich, wenn ich eine Jacke über dem Schleier trage, eher mit einer Muslima verwechselt. Unter all den bunten Menschen falle ich kaum auf. In Zossen schauen die Leute schon. Kinder sind am Neugierigsten. Manchmal kommt man über sie mit den Eltern in Kontakt. Da ich den Einkauf für die Küche erledige, kennen mich hier viele. Angesprochen werde ich auch schon mal. Nur einmal bin ich von einem Mann beschimpft worden. Ich glaube, da steckten tiefe Verwundungen durch die Kirche bei ihm dahinter.
 
Sie haben sich für einen Lebensweg entschieden, der den meisten anderen fremd ist. Was, wenn eines Tages doch der Moment der Reue kommt?
 
Treue hat nichts damit zu tun, dass der Lebensweg anderen fremd ist. Vielleicht fragt sich eine Braut ja auch, was passiert, wenn sie morgens aufwacht und ihr der Mann neben ihr zuwider ist. Ich denke, dieser Moment kommt ja nicht von heute auf morgen, ist ein Prozess, der sich anschleicht. Darum heißt es, wachsam sein und ehrlich sein. Negative Veränderungen in meinem Leben mit Menschen aus meinem Umfeld besprechen, sich Rat holen. Ich wandle mich, und so wird sich auch meine Beziehung verändern. In der Beziehung mit einem Menschen ist es wichtig, den anderen teilhaben zu lassen an dem, was in einem vorgeht, damit er mitgehen kann. Bei uns Schwestern ist es nicht anders. Ich muss mit Gott im Gespräch bleiben. Er zeigt sich ja auch in Menschen, die mir beistehen. Vielleicht ist es dann wichtig, darauf zu schauen, was mich am Anfang angezogen hat, was mich getragen hat und warum das jetzt weg ist. Eine Krise bedeutet ja nicht, sofort alle Zelte abzubrechen. Ich meine schon, dass viele verlernt haben, auch schwierige Zeiten durchzustehen.
Was passiert, wenn es nach allem Abwägen und Durchstehen doch nicht mehr geht? Dann muss man eine Lösung finden, wie man sich im Guten trennen kann. Doch ich hoffe sehr, dass ich als Sr. Magdalena alt werden darf. So Gott will.

Interview: Juliane Bittner