Kuriose Darstellungen in Brandenburger Kirchen
Die „Butterhexe“ an der Wand
„Du sollst nicht stehlen!“ – dieses Gebot wird in der Dorfkirche von Kalkwitz dargestellt. Ein Teufel versucht, einen Mann zum Diebstahl zu bewegen. Ein Engel (links nur fragmentarisch zu sehen) will ihn davon abhalten. Fotos: Peter Knüvener |
Merkwürdige Gestalten sind auf den Wänden mancher Dorfkirche im Land Brandenburg zu sehen. Da gibt es zum Beispiel eine Frau, die gerade dabei ist, in einem Butterfass Milch zu Butter zu stampfen – doch sie ist nicht ungestört. Der Teufel gesellt sich zu ihr.
Diese Wandmalerei ist in der Dorfkirche von Zaue, einem Örtchen im Landkreis Dahme-Spreewald, zu sehen. Die dargestellte Frau geht einer Verrichtung nach, die früher in vielen Haushalten üblich und nötig war. Doch was hat der Teufel damit zu tun? Um zu helfen, ist er vermutlich kaum gekommen. Eher, um zu schaden: Vielleicht, um die Butter sauer oder ranzig werden zu lassen? Oder ist die alte Frau mit ihm im Bunde? Ist sie eine „Butterhexe“, die – wie die Menschen seinerzeit meinten – bösen Einfluss auf die Lebensmittelherstellung nahm?
So vermutete die Forschung eine Weile, dass es sich bei diesem Bild um ein unheilabwehrendes Symbol handele. Es sollte demnach dem schädlichen Einfluss des Teufels auf das Buttern entgegentreten. Aber so recht überzeugte die Deutung nicht, zumal die Butter machende alte Frau in einer anderen Kirche, der von Riedebeck in der Niederlausitz, als Teil eines Bildzyklus zum Weltgericht gezeigt wird. Hier wird also das Buttern verurteilt. Freilich nicht das Buttern schlechthin. Es durfte nur nicht am Sonntag geschehen. Es geht hier also um die Sonntagsheiligung. Der Teufel hilft der alten Frau, die keine Hexengestalt ist, vielleicht doch, aber nicht, weil er so hilfsbereit ist, sondern weil sie es am Sonntag tut, dem heiligen Tag, der anstelle des Alltags Besinnung, Gebet und Gottesdienst fordert.
Eine Frau wird bei der Herstellung von Butter (links von der Säule) von zwei Teufeln umgarnt. Diese Darstellung ist in der Dorfkirche von Zaue zu sehen. |
Moralische Fingerzeige von den Wänden
Eine vielleicht noch kurioser anmutende Darstellung zeigt eine Frauengestalt mit erhobenem Schwert, die auf einem weißen, hundeähnlichen Tier reitet. Zu sehen ist sie im Landkreis Dahme-Spreewald in den Dorfkirchen von Waltersdorf und Riedebeck. Es handelt sich um eine symbolische Darstellung des Neids, einer der sieben Todsünden neben Hochmut, Geiz, Wollust, Zorn, Völlerei und der Trägheit des Herzens. Das Bild mahnte seine Betrachter gewissermaßen vor einer Haltung, die nach christlichem Verständnis den Menschen von Gott entfernt und sein Verhältnis zum Mitmenschen schwer beeinträchtigt.
Um solche moralischen Fingerzeige geht es bei anderen Darstellungen. So wird in Demerthin in der Prignitz gezeigt, wie der Teufel versucht, einen Mann von der Beichte zurückzuhalten. In der Marienkirche der Stadt Bernau wiederum wird das gute, ernst gemeinte Gebet dem schlechten, nur oberflächlich verrichteten gegenübergestellt. Letzteres ist daran erkennbar, dass vom Betenden Linien zu den Dingen gezogen sind, die ihn ablenken: zum Haus, zu einer Geldtruhe, zur Familie mit den Kindern.
Angebracht ist diese Wandmalerei im Innenraum der Kirche über dem Bogenfeld des Südeingangs. Durch diesen kamen die Menschen in die Kirche und durch ihn gingen sie auch wieder hinaus. Im Falle Bernaus auf den Marktplatz, direkt ins weltliche Gewimmel. Zuvor sahen sie die mahnende Botschaft. So verhält es sich auch in den Dorfkirchen. Die belehrenden Wandbilder sind immer dort angebracht worden, wo sie beim Verlassen der Kirche, also beim Gang in den Alltag und die turbulente Welt, gesehen werden mussten.
Die Zehn Gebote durch Anschauen verinnerlichen
Bei diesen bildlichen Belehrungen durften natürlich die Gebote nicht fehlen. So wird in der Dorfkirche von Kalkwitz in der Niederlausitz auf „Du sollst nicht stehlen!“ hingewiesen. Dort wird ein Mann gezeigt, der versucht, Kleider und Geld zu entwenden. Der Teufel verlockt ihn dazu, während ein Engel versucht, ihn davon abzuhalten. In den Kirchen von Preschen bei Forst und in Hohenbocka in der Oberlausitz widmen sich die Wandgemälde der Weisung „Du sollst nicht die Ehe brechen!“ Mann und Frau, überaus modisch gekleidet, tauschen dort Intimitäten aus.
All diese Wandmalereien entstanden im 15. Jahrhundert. Offensichtlich gab es damals einen Bedarf für solche Darstellungen. Parallel zu den moralisierenden Bildern in den Kirchen wurden solche Motive auch in Büchern und auf populären Holzschnitten festgehalten. Die Menschen im späten Mittelalter hatten demnach verschiedene Medien, um etwas über die von ihnen verlangte und ihnen auch nützliche Art des Lebens zu erfahren. Letztlich auch, um sich auf das nach dem Tod auf sie wartende Leben vorzubereiten. Daher passt es, dass im 15. Jahrhundert Bücher zur Kunst des Sterbens, zur Vorbereitung auf den Tod und das, was danach auf die Menschen warte, verfasst und gedruckt wurden. Zur selben Zeit, in der die Wandbilder zu den Geboten, den sieben Todsünden, zum richtigen Beichten und zum rechten Gebet entstanden.
Von Gunnar Lammert-Türk