"Macher-Projekt" von Kolping

Die Kirchen sind der Motor

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Ob Einkaufsservice, Besorgungsdienst oder Gesprächshotline: Viele Menschen bieten jetzt ihre Hilfe an. Das „Macher-Projekt“ von Kolping fragt im Emsland nach Erfahrungen. Projektreferentin Sandra Rickermann zieht eine erste Bilanz.


Wie kann das „Macher-Projekt“ von Kolping helfen? Darüber sprechen die Referentinnen Sandra Rickermann (l.) und Johanna Weßel mit Matthias Sierpt, dem Leiter des Kolping-Bildungshauses. Foto: privat

Welchen Stellenwert nehmen derzeit die kirchlichen Hilfsangebote in der Corona-Krise ein? 

Nach meinem Eindruck einen ganz großen! In den meisten Orten im Emsland gibt es aktive Hilfsaktionen für ältere Menschen oder Risikogruppen – und fast überall sind die Kirchen oder kirchliche Gruppen der Motor oder sitzen mit im Boot. Das sind zum Beispiel die Pfarr- oder die Landjugend, Zeltlagerteams, die Frauengemeinschaften und die Kirchengemeinden selbst. Und es gibt wirklich tolle Ideen und einen großen Einfallsreichtum. Ich bin begeistert davon. Viele Menschen sind dabei miteinander vernetzt, auch mit der Kommune und anderen Vereinen. Wir stellen wieder fest, dass gerade diese Kleingliedrigkeit in unserem Raum gut funktioniert.

Welche Erfahrungen gibt es bisher mit den Hilfsangeboten?

Zuerst einmal: Es gibt einen wirklich großen Zusammenhalt in unseren Dörfern. Obwohl die Situation gerade so schwierig ist, spürt man: Wir stehen zusammen. Da geht ein Jugendlicher für eine ältere Dame aus der Gemeinde einkaufen – und dann sieht man, wie sie auf Abstand eine Weile miteinander plaudern. Die beiden wären sonst nie in Kontakt gekommen, das ist schon etwas sehr Gutes. 

Oft wird gesagt, dass nicht alle Hilfsangebote auch gut angenommen worden sind. Aber das ist für mich nicht entscheidend. Auch wenn nur vier Leute bei einer Aktionsgruppe angerufen haben: Diese vier Menschen brauchten Hilfe und diese vier hätten sie sonst vielleicht nicht bekommen. Wir dürfen nicht vergessen, dass nicht jeder gute familiäre und nachbarschaftliche Strukturen hat. Deshalb meine Bitte an die Gruppen: Macht weiter so! Wir brauchen euch noch eine Weile. 

Könnte man die Angebote vielleicht noch verbessern?

Es wäre sicher gut, für das nächste Mal einen Fahrplan zu haben, damit nicht jeder das Rad neu erfinden muss. Ich denke zum Beispiel an eine Plattform, auf der man die Erfahrungen von jetzt auch noch später nachlesen könnte. Außerdem glaube ich, dass wir eine bessere digitale Vernetzung in den Dörfern brauchen: eine App für das Smartphone oder eine Homepage, damit die Leute schneller informiert werden können. Gerade für unsere Senioren, die sich mit der Technik noch nicht so gut auskennen oder für bedürftige Menschen, die sich vielleicht einen Laptop nicht leisten können, muss es da meiner Meinung nach künftig bessere Möglichkeiten geben. Wir arbeiten gerade daran, wie man das machen könnte. 

Was raten Sie den Gruppen, die aktiv sind oder werden wollen?

Ganz einfach: machen! Verhaltensregeln festlegen, offen sein für kreative Ideen, kein Konkurrenzdenken zu anderen Initiativen im Ort. Und sich in alle Richtungen gut vernetzen. Das kann der Lebensmittelladen im Dorf, das Rathaus oder auch die Handarbeitsgruppe in der Kirchengemeinde sein. Einfach alle Kanäle nutzen, die es gibt. 

Wie will Kolping, wie will das „Macher“-Projekt die Initiativen unterstützen?

Unser Auftrag ist es ja, das ehrenamtliche Potenzial im Emsland zu unterstützen. Wir sehen uns daher als guter Ansprechpartner für diese Gruppen. Deshalb rufen wir gerade viele Aktionskreise an und fragen nach ihren Erfahrungen. Was macht ihr für wen? Wie habt ihr Leute gefunden und Werbung gemacht? Gab es Bedenken und welche? Und ist euch aufgefallen, ob die Zielgruppen noch mehr als den Einkaufsdienst brauchen, zum Beispiel mutmachende Worte? 

Wir sammeln best-practice-Beispiele, die es nicht überall gibt. Die Ergebnisse wollen wir zusammenfassen und bei unseren Mandatsträgertreffen Gemeinderäten, Kirchenvorständen und Pfarrgemeinderäten präsentieren. Vielleicht kann daraus eine Handreichung oder eine Checkliste entstehen. Außerdem fragen wir, ob die Gruppen Unterstützung zum Beispiel in Form von Medienschulungen brauchen, die wir dann anbieten oder organisieren könnten. Unser Blick geht in Richtung Zukunft mit der Frage: Was können wir aus dieser Situation mitnehmen? 

Interview: Petra Diek-Münchow


Zur Sache

Das „Macher-Projekt“ geht zurück auf die Studie des Berlin-Institutes „Von Kirchtürmen und Netzwerken“, die auf die Bedeutung des ehrenamtlichen Engagements im Emsland hingewiesen hatte. Das auf drei Jahre angelegte Projekt will dieses Potenzial weiterentwickeln und zukunftsfähig machen. Träger ist das Kolping-Bildungshaus Salzbergen, an der Finanzierung beteiligen sich das Bistum Osnabrück, der Landkreis Emsland, der lutherische Kirchenkreis Emsland-Bentheim sowie die Klosterkammer Hannover und die Stiftung „Lebendige Stadt“. Projektreferentinnen sind Sandra Rickermann und Johanna Weßel.