Berliner Fest der Kirchen

Die Menschen erreichen

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„Aus Freude am Glauben“ hat der Ökumenische Rat das „Berliner Fest der Kirchen“ auf dem Alexanderplatz veranstaltet. Dabei wurden auch viele Passanten auf die zahlreichen Angebote aufmerksam.

Weihrauch einlegen auf dem Alex: Der ungewohnte Anblick und Geruch lockt auch viele Passanten an. | Fotos: Cornelia Klaebe

Ein Hauch von Weihrauch zieht über den Berliner Alexanderplatz. Noch bevor die Touristen und Einkäufer an diesem Sams- tagnachmittag im allgemeinen Rummel das Ökumenische Fest der Kirchen sehen oder hören, riechen sie es schon: Die Christen sind da. Denn an einigen der über 100 Stände wird das traditionell in Gottesdiensten gebrauchte Harz verbrannt – und zwar in so großen Mengen, dass es selbst an der frischen Luft nicht ungerochen verfliegt.

 
Zielgruppe: Laufkundschaft
Zum fünften „Fest der Kirchen“ unter der Überschrift „Aus Freude am Glauben“ kamen laut Veranstalter rund 20 000 Besucher. Bei dem vom Ökumenischen Rat Berlin-Brandenburg (ÖRBB) organisierten Ereignis präsentierten kirchliche Gemeinden, Initiativen und Organisationen ihr religiöses, soziales und kulturelles Engagement. Zum ÖRBB gehören 32 Mitgliedskirchen mit insgesamt rund 1,8 Millionen Christen.
Die sind an diesem Ort aber nur eine der Zielgruppen. Denn Berlins größter – und vielleicht auch belebtester – Platz wurde auch und gerade gewählt, um eine große „Laufkundschaft“ zu erreichen. Schon früh bauten die Gruppierungen aus dem gesamten christlichen Spektrum ihre Stände auf, und sie bleiben bis zum Abend: Da steht Misereor neben Brot für die Welt, die Ökumenische Umweltgruppe Lichtenrade neben der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und die American Church gegenüber der Armenischen Kirchen- und Kulturgemeinde Berlin. Die internationalen Gruppen verkaufen kulinarische Spezialitäten aus ihren Heimatländern, egal ob an Christen oder Nichtchristen. Zufrieden mit der hohen Zahl interessierter Besucher zeigt sich ­ÖRBB-Geschäftsführer Hans-Joachim Ditz: „Die Menschen an den Ständen sind ganz begeistert, weil sie so viele Gespräche führen können“, freut er sich.
Gegen Abend werden vor der Bühne, auf der tagsüber Musik, Tanz und Interviews stattfanden, für den ökumenischen Gottesdienst zusätzliche Stuhlreihen aufgebaut. Dass auf dem Alex immer irgendetwas los ist, sind die Berliner gewöhnt. Auch, dass man jetzt um den großen Stuhl­block herumlaufen muss, stört hier keinen – egal, ob mit Bierflasche, einer Tüte voll neuer Kleidung oder dem Smartphone in der Hand. Als der Gottesdienst mit rund 1000 Teilnehmern beginnt und die katholischen, evangelischen und orthodoxen Geistlichen in ihrer jeweiligen  liturigischen Kleidung – der Freikirchler trägt einfach einen Anzug – auf der Bühne stehen, bleiben manche stehen, hören zu. Ein Mann instruiert auf Spanisch seine Frau, sich mit dem Rücken zur Bühne hinter die Stühle zu stellen. Dann fotografiert er sie mit seinem Smartphone vor der besonderen Kulisse.
Musikalisch machen die Hymnen des Chors der griechisch-orthodoxen Kirchengemeinde und die von der Band „Patchwork“ begleiteten Gemeindegesänge auf das ungewöhnliche Geschehen aufmerksam. Für die Augen: Die beiden Gebärdendolmet­scherinnen, die schon den ganzen Tag das Bühnenprogramm für Gehörlose übersetzen, gebärden auch den Kanon „Lobe den Herrn, meine Seele“ mit versetzten ­Stimmen.
Statt einer Predigt gibt es Glaubenszeugnisse von Christen zu den Themen Mut, Vertrauen, Vergebung und Verantwortung, auf die jeweils ein Geistlicher einer anderen Konfession mit einem Impuls antwortet. Die evangelische Fides Dürr, die sich nach einem langen Weg zu Glauben und Taufe hin in der Jugendarbeit der chinesischen christlichen Gemeinde engagiert, sagt in ihrem Beitrag: „Das Vertrauen wird größer dadurch, dass ich sehe, wie Jesus die Herzen der Jugendlichen gewinnt.“ Auf sie antwortet Erzbischof Heiner Koch: „ Auf mein Vertrauen, meinen Glauben und meine Liebe kommt es an.“ Dies sei der Weg zu erfahren, dass Gott keine Utopie, sondern tragende und herausfordernde Wirklichkeit sei.
Im anschließenden Fürbittgebet sind die Gläubigen eingeladen, an verschiedenen Orten auf dem Platz Weihrauchkörner auf glühende Kohlen zu legen, als Symbol für das zu Gott aufsteigende Gebet. Der Weihrauch und sein Duft wiederum locken weitere Schau- und Riechlustige an, und so bekommt die Kirche an diesem Tag sehr viel Aufmerksamkeit – ein Ziel des Tages ist auf jeden Fall erreicht.
 
Gute Stimmung und eine Extraportion buntes Licht: Das Konzert der „Hillsong Church“ ist am Abend ein gelungener Abschluss.

 

Dieselbe Botschaft, eine andere Methode
Nach dem Gottesdienst lädt noch die freikirchliche „Hillsong Church“ zum Konzert ein. Sängerin Franziska Grohmann, kurz vor Beginn im Interview nach den „neuen Liedern“ gefragt, die sie gleich singen werden, sagt: „Wir wollen relevant sein und die Menschen erreichen. Die Message (deutsch: Botschaft) bleibt die gleiche, aber die Methode ändert sich.“ Dass sie damit richtig liegt, zeigt das große und überwiegend junge Publikum, das sich schon bei den ersten lauten Klängen zusammenfindet und begeistert feiert.
 
Zufriedenheit an den Ständen: Viele Gespräche können die Betreiber im Laufe des Tages mit Passanten führen.

Von Cornelia Klaebe