Eindrücke von der 75-Jahr-Feier des Landes Schleswig-Holstein
Die Party glücklicher Menschen
Bei der 75-Jahr-Feier des Landes Schleswig-Holstein am vergangenen Sonntag in Schleswig betonten Politiker und Kirchenvertreter vor allem die gemeinsamen Werte von Demokratie, Weltoffenheit und Mitmenschlichkeit.
Dass Schleswig-Holsteiner laut „Glücksatlas“ die glücklichsten Deutschen sind, darauf wurde beim Landesfest am vergangenen Sonntag in Schleswig immer mal wieder hingewiesen. Das ging schon los im Schleswiger Dom, wo sich am Morgen zahlreiche Repräsentanten aus Landespolitik, Religion und Gesellschaft zum ökumenischen Gottesdienst versammelt hatten.
Wer glücklich ist, darf auch dankbar sein: Weihbischof Horst Eberlein ging es so, als er 1985 als DDR-Bürger erstmals seine übrige Familie besuchen und nach Schleswig-Holstein einreisen durfte. „Eine andere Welt“ sei das gewesen, sagte er in seinem sehr persönlich gehaltenen Teil der Predigt, die er sich mit dem evangelischen Bischof im Sprengel Schleswig und Holstein, Gothart Magaard, teilte. Er sei, so Eberlein weiter, dankbar „weil hier eine Glaubens- und Lebenswelt erstarken konnte, die ihre Offenheit nie aufgab“ und „weil hier Menschen leben, die sturmerprobt, Bedrohungen jeglicher Art nicht ausweichen.“
Bergpredigt auf Dänisch, Platt, Friesisch, Deutsch
Bischof Magaard fragte, wie die Menschen gut leben könnten, ohne dies auf Kosten nachfolgender Generationen und anderer Länder zu tun und ohne den Klimawandel zu befeuern. „Ich vertraue darauf, dass wir als Gesellschaft mit verantwortungsvoller Politik und starker Zivilgesellschaft gute Wege finden können“, so Magaard. Er attestierte dem Land eine „vorbildliche Minderheitenpolitik“ und mahnte angesichts der Bilder aus Afghanistan zur Offenheit gegenüber Flüchtlingen: „Zu Schleswig-Holstein gehört es einfach dazu, ein Ort der Zuflucht zu sein“, sagte er.
Zu Wort kamen unter anderem auch Rabbiner Isak Aasvestad vom Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein und Fatih Mutlu, Vorsitzender der Islamischen Religionsgemeinschaft Schleswig-Holstein (Schura). Die Lesung aus der Bergpredigt wurde auf Dänisch, Plattdeutsch, Friesisch und Deutsch gehalten.
Später, bei der Feierstunde im offenen Zelt auf der zur großen Festmeile umfunktionierten Museumsinsel von Schloss Gottorf, waren es dann hohe Landespolitiker, die das Wort ergriffen: Landtagsvizepräsidentin Kirsten Eickhoff-Weber (SPD), die den erkrankten Landtagspräsidenten Klaus Schlie (CDU) vertrat, und Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) stimmten in seltener Eintracht das Hohelied auf das Land und seine Menschen an. „Das eigentliche Geburtstagskind“, so Eickhoff-Weber, sei nicht das Land, sondern es seien vielmehr die Menschen. Ministerpräsident Günther lobte in seiner Rede unter anderem die Entschlossenheit, mit der sich rund 650 Angehörige der Hilfsorganisationen innerhalb kürzester Zeit auf den Weg gemacht hatten, als sie Mitte Juli der Hilferuf aus den Hochwasserregionen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen erreichte. „Da weiß man wieder, was man in Schleswig-Holstein für Schätze hat“, so der Ministerpräsident, der das Bürgerfest als Ausdruck von „ein bisschen Normalität“ verstanden wissen wollte.
Auch wenn am späten Nachmittag der gesamte Zeitplan des Ministerpräsidenten bereits nur noch Makulatur war, nahm er sich die Zeit, die beiden Pavillons des Erzbistums Hamburg zu besuchen. Claus Everdiking, der die Stände gemeinsam mit Stefanie Murawski betreute, war zufrieden mit der Resonanz der Besucher, vor allem aber mit dem Zusammenspiel mit den Pfadfindern vom Rendsburger DPSG-Stamm „Stern des Nordens“, die auf der Wiese nebenan eine Jurte aufgebaut hatten und zum Stockbrotessen einluden. Eine Einladung, die übrigens auch Generalvikar Ansgar Thim annahm.
Kein Stockbrot für den Ministerpräsidenten
Ministerpräsident Günther musste indes verzichten, nicht zuletzt, weil so ein ordentlich gedrehtes Stockbrot ein bisschen Zeit in der Glut braucht. Stattdessen gab es ein Gruppenfoto der Pfadis mit Günther, der im Gespräch erkennen ließ, dass er recht gut weiß, wie nervig die Coronazeit vor allem für die jungen Leute ist, weil viele ihrer Aktivitäten wegen der Pandemie schon ausgefallen mussten. Drei Pfadfinderinnen zeigten sich nach dem Kurzbesuch erfreut, dass sie nicht den ganzen Nachmittag umsonst auf den Landesvater gewartet hatten. Schön, den mal aus der Nähe gesehen zu haben. Und „ganz sympathisch“ sei er auch gewesen, sagten sie. Dann verschwanden sie in Richtung Schloss. Sie wollten unbedingt noch die Moorleichen sehen, die dort in einer Ausstellung zu finden sind – und die deutlich älter als 75 Jahre sein dürften.
Text u. Foto: Marco Heinen