In sieben Pfarreien des Erzbistums Berlin werden neue Gemeinde- und Pfarreiräte gewählt

Die Richtigen wählen

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Für sieben Pfarreien werden am 21. und 22. November neue Gemeinde- und Pfarreiräte gewählt. In den großflächigen, in Gründung befindlichen Pfarreien eine gute Wahl zu treffen, ist für manche Katholiken eine Herausforderung.

Durch die Teilnahme an den anstehenden Wahlen können die Gläubigen den Kurs der eigenen Pfarrei mitbestimmen.    Fotos: imago images/epd

In sieben der acht weiteren Groß-Pfarreien, die im Januar an den Start gehen, werden am 21. und 22. November Gemeinde- und Pfarreiräte gewählt. Wie findet man die Kandidaten, die  für den gemeinsamen Weg der zusammengeschlossenen Gemeinden die richtigen Weichen stellen? Und wie lässt sich vermeiden, dass – wie jüngst in Potsdam geschehen – Vertreter in die Gremien gewählt werden, die Positionen vertreten, die mit der christlichen Botschaft offensichtlich unvereinbar sind?
Die Potsdamer Katholiken haben aus ihren Erfahrungen im vergangenen Frühjahr Konsequenzen gezogen. Damals war offenkundig geworden, dass unter den gewählten Pfarrgemeinderäten ein Funktionär der Jungen Alternative war, die wegen rechtsextremer Positionen vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet wird. Bei seiner Kandidatur hatte der junge Mann seine Aktivität nicht offengelegt. In Folge des Konflikts, der sich daran in der Pfarrei entzündete, hatte Erzbischof Heiner Koch den Pfarrgemeinderat schließlich aufgelöst. Vor den Neuwahlen, die an diesem Wochenende stattfinden, haben sich die Kandidaten ausgiebiger vorgestellt als dies bisher üblich war, sagt der Potsdamer Propst Arnd Franke. Alle 24 Kandiaten hätten in einem eigenes erstellten Heft einen Kurzbeitrag über sich selbst und ihre Sicht auf die künftige Pfarrei geschrieben. Zudem gab es in Potsdam und in Werder persönliche Vorstellungsrunden, bei denen Gemeindemitglieder auch die Möglichkeit zum Nachfragen hatten.
Karlies Abmeier, die Vorsitzende des Berliner Diözesanrats, weist darauf hin, dass die neue Wahlordnung für Pfarreiräte im Erzbistum mehr Möglichkeiten bietet, Mitglieder menschenfeindlicher Gruppierungen von der Kandidatur auszuschließen. Zu den Aufgaben der Wahlvorstände gehöre es, darauf ihr Augenmerk zu richten.
Sich ein Bild von den Kandidaten zu machen, sei bei der Größe der neuen Pfarreiterritorien schwer, beklagt Roswitha Janecke, Mitglied der künftigen Pfarrei Bernhard Lichtenberg in Berlin-Mitte, gerade für ältere Menschen mit eingeschränkter Mobilität und unter Corona-Bedingungen. Klar ist für sie, dass sie die beiden Kandidatinnen aus ihrer Gemeinde St. Michael in Mitte wählen wird. Denen traut sie zu, dafür einzutreten, „dass wir als kleine Ost-Gemeinde trotz unseres hohen Durchschnittsalters nicht untergebuttert werden“. An beiden schätzt sie zudem, dass sie „Weltfeeling“ haben, nicht sich selbst zum Nabel der Welt machen, sondern für christliche Barmherzigkeit und Geschwisterlichkeit eintreten.

Großredner oder Arbeitsbienen?
Auf der Pfarrei-Homepage konnte sich die Rentnerin die Vorstellungs-Videos der Pfarreirats-Kandidaten nicht anschauen, am vergangenen Sonntag war sie aber dabei, als die Filme nach dem Gottesdienst an die Kirchenwand projiziert wurden. Seither ist sie sich noch sicherer, wen sie nicht wählen möchte: Kandidaten zum Beispiel, die sich „bei großen Auftritten gern profilieren und genau wissen, wie man alles besser machen kann, aber durch Abwesenheit glänzen, wenn die Drecksarbeit zu erledigen ist“. Wichtig ist es ihr hingegen, dass die katholischen Gemeinden sich auch künftig nicht nur auf die eigenen Mitglieder konzentrieren, sondern das Bewusstsein wachhalten, für alle Menschen da zu sein, die auf ihrem Territorium leben.
Gabriele Bühler ist in der künftigen Pfarrei Johannes Bosco im Berliner Südwesten Kandidatin für den Pfarreirat, aber zugleich auch Wählerin: „Dass sich die Kandidaten coronabedingt den Gemeinden nicht vorstellen können“, bedauert sie. Schließlich kenne niemand alle Kandidaten der künftigen Großpfarrei. Immerhin gibt es eine ausführliche schriftliche Vorstellung im Pfarrbrief des pastoralen Raumes. Das ist keine Selbstverständlichkeit – es gibt auch Pfarreien, in denen nur eine Namensliste unter Angabe des Alters oder Berufs veröffentlicht wird, in einer der künftigen Pfarreien sogar nur in den Gemeinde-Schaukästen.

 

Aufgrund der Coronabestimmungen können die Wahlen vielerorts nicht wie gewohnt stattfinden.

 

Gemeindelobby oder das Ganze im Blick?
Gabriele Bühler achtet bei ihrer Wahlentscheidung vor allem darauf, was die Bewerber für die Gemeinde bewegen wollen. Wenn sie den Eindruck hat, da geht es jemandem nur darum, „ein Pöstchen zu ergattern“ und die Gemeinde sei ihm gar nicht wichtig, bekomme der ihre Stimme gewiss nicht. Pfarreiratsmitglieder sollten nicht nur das Wohl ihrer Gemeinde vor Ort im Blick haben, sie müssten bereit sein, die Arbeit mit den Nachbarpfarreien abzustimmen und dort, wo es sinnvoll ist, die Zusammenarbeit zu fördern. Für die Gemeinden, in denen es keine Seniorenarbeit gibt, könnten sie zum Beispiel nach Möglichkeiten suchen, die Senioren bei den Angeboten der Nachbargemeinden einzubeziehen.
Wichtig ist es ihr auch, dass das Verhältnis von Männern und Frauen ausgewogen ist. In den Gemeinderäten gebe es eine große Mehrheit weiblicher Kandidaten, im Pfarreirat überwiegen die Männer, so dass die wenigen Frauen auf der Kandidatenliste dort bei ihr im Vorteil sind. Aufgefallen ist ihr, dass Menschen aus Ausbildungsberufen oder Arbeitslose auf der Kandidatenliste ihrer Pfarrei kaum vertreten sind. Als Pfarrgemeinderatsvorsitzende der Pfarrei Herz Jesu Zehlendorf werbe sie seit Jahren sehr breit und hartnäckig dafür, sich in das Gemeindeleben einzubringen. „Jeder ist bei uns willkommen“, macht sie immer wieder deutlich. Dass sich trotzdem immer wieder vorrangig Ärzte und leitende Ministerialbeamte zum Mittun bereiterklären, habe auch mit der Zusammensetzung der Gemeinde zu tun.
Zu bedenken gibt sie auch, dass die Aufgaben, die Ehrenamtliche vor allem im Kirchenvorstand, aber auch in den pastoralen Gremien zu übernehmen hätten, immer verantwortungs- und anspruchsvoller würden. „Da müssen wir natürlich auch froh sein, wenn wir die entsprechenden Kompetenzen in unseren Reihen haben und nutzen können“, meint die Rechtsanwältin.
Kompetente Ehrenamtliche zu finden und sie in ihren Fähigkeiten weiterzubilden, hat sich auch der Diözesanrat als Aufgabe gesetzt. Gegenwärtig berate man über eigene Weiterbildungsangebote, sagt Karlies Abmeier. Ein wichtiges Thema könnte dabei auch die Nutzung digitaler Kommunikationswege für die Pfarreien sein. Davon könnten dann vielleicht auch die nächsten Pfarreirats-Wahlvorbereitungen profitieren – zum Beispiel mit Kandidaten-Videos auf der Internetseite.

Von Dorothee Wanzek