Dubia-Anfrage an den Papst
Die Tür ist geöffnet
kna/ Vatican Media
Seit dem 4. Oktober tagen im Vatikan rund 350 Männer und Frauen, um über die jetzige und die künftige Gestalt der katholischen Kirche zu sprechen. Die „Synode über die Synodalität“ könnte, wie der Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich meint, die „Verfasstheit der Kirche verändern“. Schon die Zusammensetzung der Synode selbst gibt Hinweise darauf, wohin die Reise gehen könnte.
Zwar machen Bischöfe und Kardinäle rund 80 Prozent der Versammlung aus. Aber erstmals sind auch einfache Priester und Ordensleute und sogar männliche und weibliche Laien mit dabei. Das Spektrum geht von fortschrittlich oder feministisch bis hin zu konservativ-dogmatischen Positionen.
Allerdings sind die lautstarken Vertreter dieses Lagers in der Minderheit. Der deutsche Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller gehört dazu, ferner einige Bischöfe aus den USA, aus Afrika und aus Osteuropa. Sie stehen schon der veränderten Zusammensetzung der Synode skeptisch gegenüber. Sie erinnern daran, dass die Bischofssynode vor 56 Jahren ins Leben gerufen wurde, um den Bischöfen eine Möglichkeit zu eröffnen, kollegial zusammen mit dem Papst die Kirche zu leiten.
Heimliche Reformen
Wie in dieses Konzept die Laien hineinpassen, hat niemand schlüssig erklärt. Allerdings betonen die Mitarbeiter des Synodensekretariats, dass die Laien neben dem Papst und dem Bischofskollegium endlich als drittes handelndes Subjekt der Kirche ernstgenommen werden sollen. So ist es folgerichtig, wenn sie bei der Synode mit abstimmen.
Dass damit aus der alten Bischofssynode allmählich eine allgemeine Synode werden könnte, ist eine von mehreren heimlichen Revolutionen, die konservative Kritiker befürchten. Manche von ihnen haben das große Medieninteresse im Umfeld der Weltsynode genutzt, um publikumswirksam vor solchen Veränderungen zu warnen.
Fünf konservative Kardinäle unter Führung des früheren US-amerikanischen Kurienkardinals Raymond Burke haben kurz vor der Synode ihre Dubia-Anfragen an den Papst öffentlich gemacht. Sie wollten von Franziskus wissen, ob künftig Synoden die Lehre der Kirche verändern können und ob es überhaupt sein kann, dass die Kirche in einer veränderten Zeit Lehren verkündet, die ihren früheren Dogmen klar widersprechen.
Anders als bei einer Dubia-Anfrage im Jahr 2016, bei der es um die Unauflöslichkeit der Ehe ging, antwortete der Papst diesmal den fragenden Kardinälen schriftlich. Und der Vatikan veröffentlichte diese Antwort auch. Man kann also nun schwarz auf weiß nachlesen, mit welchen Fragen die konservativen Kardinäle den Papst in die Enge zu treiben versuchten – und wie der Papst geantwortet hat.
Im Kern erklärt er, dass es durchaus Entwicklungen in der kirchlichen Lehre gibt und dass synodale Beratungsprozesse dazu beitragen können. Die Fragen der Kardinäle nennt er sogar als ein Beispiel für die Teilnahme an einem solchen Prozess – und vereinnahmt damit seine Kritiker.
Den Gefallen, bloß mit Ja oder Nein zu antworten, hat der Papst den fünf Kardinälen nicht getan. Im Gegenteil: Er hat bei zwei höchst umstrittenen Fragen die Türen sogar einen Spalt weit geöffnet. Zur Frage der Frauenweihe hat er nun gesagt, dass man überprüfen könne, wie endgültig die einst von Papst Johannes Paul II. formulierte Absage an eine Frauenweihe wirklich ist.
Und zur umstrittenen Weihe gleichgeschlechtlicher Paare hat er ausgeführt, dass diese Segnungen nicht so aussehen dürfen, dass sie mit dem Ehesakrament verwechselt werden. Dass sie per se verboten seien, sagte er nicht. Auch da ist eine Tür geöffnet.
Damit haben die fünf Rebellen ungewollt mit dazu beigetragen, dass sich der Papst klarer als bisher zu Veränderungsmöglichkeiten in der katholischen Lehre und Praxis positioniert hat. Da dies wenige Tage vor dem Start der Synode geschah, wirkt es auch in die Synodenaula hinein.
Die konservative Kritik an der Außenlinie ist dennoch nicht verstummt. US-amerikanische Medien machten am zweiten Synodentag einen Brief des Hongkonger Kardinals Joseph Zen publik. Darin wirft der 91-Jährige dem Synodensekretariat einen Hang zu Manipulationen vor und ruft seine Mitbrüder im Bischofsamt dazu auf, mit Petitionen auf eine Änderung der Geschäftsordnung zu dringen.
Die Mediensperre hilft den Kritikern
Vor allem der Umstand, dass neuerdings Laien in der Bischofssynode mitstimmen dürfen, ist ihm ein Dorn im Auge. Und dass die Kirche nun auch für Menschen offen sein will, die nach einer anderen Sexualmoral als der katholischen leben, hält er ebenfalls für gefährlich.
Es ist ungewiss, wie viel Wirkung die Kritiker der Weltsynode auf Dauer entfalten können. Aber die vom Vatikan verhängte weitgehende Mediensperre bei der Synode nützt ihnen; die Teilnehmer wurden zu Verschwiegenheit und Vertraulichkeit verpflichtet. So konnten sie, zumindest in den ersten Tagen der Versammlung, in den Medien mehr Resonanz erzielen als die zum Schweigen verdonnerten Synodalen.