Ordensschwestern kämpfen gegen Waffenhersteller

Du sollst nicht töten

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Protest gegen Waffen
Nachweis

imago/zuma wire/Brian Branch Price

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Schützt Kinder, nicht Waffen! Immer wieder demonstrieren Menschen in den USA für schärfere Gesetze – vergeblich.

Jahr für Jahr sterben in den USA Tausende Menschen durch Schusswaffen. Und doch bleibt das Waffenrecht lasch. Nun kämpfen katholische Ordensschwestern dagegen. Sie verklagen den Waffenhersteller Smith & Wesson.

Für viele war es eine Sensation, als US-Präsident Joe Biden im Juni 2022 ein nationales Gesetz unterschrieb, das immerhin eine kleine Verschärfung des Waffenrechts vorsah. Künftig sollen Waffenkäufer unter 21 Jahren stärker überprüft werden. Doch zur gleichen Zeit befand das Oberste Gericht in den USA ein Gesetz im Bundesstaat New York für verfassungswidrig, das das Mitsichtragen von Waffen verboten hatte. Weniger Waffen in der Öffentlichkeit wird es also nicht geben.

Die Zahl der durch Schusswaffen Getöteten und Verletzten ist in den letzten zehn Jahren um mehr als die Hälfte gestiegen. 2014 lag die Zahl der Todesopfer bei über 12 000, im Jahr 2023 waren es schon fast 
19 000 Getötete, wie das Gun Violence Archive dokumentiert. Suizide nicht mitgezählt.

Der Trick der Aktionärinnen

Doch nun bringen vier katholische Ordensgemeinschaften ein bisschen Bewegung in den Kampf gegen privaten Waffenbesitz und mächtige Lobbyorganisationen. Die Dominikanerinnen aus Adrian (Michigan), die Kongregation der Schwestern von Bon Secours aus Marriottsville (Maryland), die Schwestern vom heiligen Franziskus von Philadelphia aus Aston (Pennsylvania) und die Schwestern von den heiligen Namen Jesus und Maria aus Marylhurst (Oregon) haben eine Aktionärsklage gegen Smith & Wesson eingereicht. Gemeinsam verfügen sie über mehr als 1000 Aktien des größten Handwaffenproduzenten der USA.

Ihr juristischer Trick ist: Als Aktionärinnen können sie das Unternehmen dazu zwingen, aus ihrer Sicht riskante Geschäftspraktiken zu beenden, für die das Unternehmen eventuell später haften muss und die zur Insolvenz führen könnten. Als Beispiel für solche riskanten Praktiken nennt Jeffrey M. Norton, der Anwalt der Ordensschwestern, ein börsennotiertes Pharmaunternehmen, das opioidhaltige Schmerzmittel beworben hatte. Später wurde es für die steigende Zahl von Drogentoten mitverantwortlich gemacht und musste wegen hoher Schadensersatzforderungen Insolvenz anmelden.

Protest gegen Waffen
Mütter protestieren gegen Handfeuerwaffen. Foto: imago/Levine-Roberts/Richard B. Levine 

Die Ordensschwestern werfen Smith & Wesson vor, durch Vermarktung und Verkauf ihrer halbautomatischen Gewehre vom Typ AR 15 dazu beizutragen, dass das Unternehmen für Massenschießereien in Haftung genommen werden kann. Ziel der Schwestern sei es nicht, Smith & Wesson kaputtzumachen, erklärt Anwalt Norton: „Wir streben danach, dass das Unternehmen mehr Verantwortung für seine Produkte übernimmt.“ Dafür, sagt er, gäbe es viele Möglichkeiten. Als erstes soll das Unternehmen ausschließen, dass die halbautomatischen Gewehre mit einfachen Handgriffen auf Vollautomatik und Dauerfeuer umgestellt werden können, wie es bei Amokläufen oft vorkommt.

Die Nonnen fordern Smith & Wesson zudem auf, das Marketing für Kinder und Jugendliche einzustellen. Sie werfen dem Unternehmen vor, die technischen Daten seiner Waffen an Hersteller von Computerspielen weiterzugeben. Dadurch würden Kinder und Jugendliche in Spielen wie „Call of Duty“ „lernen, wie ein AR 15 funktioniert und wie man es im Lauf des Spiels modifiziert“, kritisiert Anwalt Norton. 

„Call of Duty“ gehört zu den meistverkauften Computerspielen weltweit. Die Kläge-rinnen schätzen, dass es von 400 Millionen Menschen gespielt wird. Als sogenannte Ego-Shooter schießen die Spieler unter anderem mit virtuellen Langwaffen auf ihre Gegner. Dass Kinder und Jugendliche auf diese Weise für Angriffswaffen begeistert werden, „ist für uns ein schrecklicher Gedanke“, sagt Norton. „Und es ist illegal. Es ist nicht erlaubt, Waffen an Kinder zu vermarkten.“

Auf die Bitte um eine Stellungnahme zu diesem Vorwurf reagierte Smith & Wesson nicht. Bereits seit 2018 haben die Ordensschwestern laut Norton versucht, den Waffenhersteller von einer humanitären Überprüfung seiner Marketingstrategie zu überzeugen. Doch das Unternehmen habe das „Jahr um Jahr zurückgewiesen, obwohl eine bedeutende Zahl von Aktionären dem zugestimmt hat“, sagt der Anwalt. Deshalb haben sie Smith & Wesson verklagt.

Einen Präzedenzfall kennt er nicht

Finanziell riskieren die Nonnen dadurch nichts. Denn bei ihrer sogenannten Eventualklage fallen keine Anwaltskosten an, wenn sie den Prozess verlieren. Die Unternehmensanteile von Smith & Wesson haben die Ordensschwestern mit Spenden erworben. Die Gewinne, die sie dadurch erzielen, setzen sie für ihre Aktionen gegen Waffengewalt ein, teilt ihr Anwalt mit.

„Wir sind zuversichtlich, dass wir alle rechtlichen Hürden überwinden können, die wir überwinden müssen, um erfolgreich zu sein“, sagt Norton über die Klage, die sie beim Bezirksgericht Clark County (Nevada) eingereicht haben. Man könne nie wissen, wie ein Gericht reagiert und wie es das Recht auslegen wird, so der Anwalt. Einen Präzedenzfall kennt er nicht. Jetzt warten Norton und die Nonnen auf den Termin für ihren Prozess.

Barbara Dreiling