Der Natur auf der Spur (6)

Durch Nichtstun viel erreichen

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Frau auf einer Wiese
Nachweis

Foto: Petra Diek-Münchow

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Besuch erwünscht: Maike Hoberg freut sich, wenn Gäste über den "Weg der Vielfalt" beim Kreishaus in Meppen gehen. Foto: Petra Diek-Münchow

Man kann auch im kleinsten Garten etwas für heimische Tiere und Pflanzen machen. Davon ist Maike Hoberg von der Naturschutzstiftung Emsland überzeugt. Wer einige Beispiele sehen möchte, kann sich den „Weg der Vielfalt“ am Meppener Kreishaus ansehen. Teil 6 der Sommerserie.

„Schauen Sie mal! Wir sind nur ein paar Schritte gegangen und hier ist schon so viel Leben drin.“ Maike Hoberg steht mitten auf einer Wiese, die manch anderer Gast vielleicht nur als Ansammlung von Gräsern und Unkraut betrachten würde. Die Landespflegerin sieht etwas ganz anderes: ein grün-buntes Feld voller heimischer Wildblumen mit reichlich Nahrung für Insekten. Hoberg kann sich regelrecht begeistern dafür, freut sich über jede Wildbiene und jeden Schmetterling, die über dem Areal umher tänzeln. „Sehen Sie da den Feuerfalter auf der Schafgarbe und dahinten die Hummel auf der Distel.“ Sie bückt sich und hebt sachte ein Bergsandglöckchen an, entdeckt daneben eine zarte Lichtnelke. Hier gibt es keine knalligen Farben oder spektakuläre Blütenmeere – dafür aber einen reichen Schatz an biologischer Vielfalt, wie sie andernorts mehr und mehr abnimmt. Hoberg wirbt dafür, das wirklich Schöne im vielleicht Unscheinbaren, aber dafür tatsächlich sehr Lebendigem zu entdecken. „Man muss nur den eigenen Blick schärfen.“

Die 47-Jährige arbeitet als stellvertretende Geschäftsführerin der Naturschutzstiftung des Landkreises Emsland. An diesem Vormittag zeigt sie den „Weg der Vielfalt“, nur einen kurzen Spaziergang entfernt von ihrem Büro im Meppener Kreishaus. Dort, am See in der Ordeniederung, hat die Naturschutzstiftung vor einigen Jahren auf knapp 2000 Quadratmetern verschiedene Lebensräume angelegt: eine Wildblumenwiese, Obstbäume, Beerensträucher, eine Benjeshecke aus Totholz, einen Teich, eine Sandfläche mit Trockenmauer sowie reichlich Nisthilfen. Heimische Wildblumen wie Margeriten, Labkräuter, Ferkelkraut, Mädesüß oder Gilbweiderich wachsen überall. Dazu gibt es jede Menge Infotafeln. Denn jeder Besucher ist herzlich eingeladen, hier vielleicht die eine oder andere Idee für zu Hause mitzunehmen.

Aber muss es auf Balkon, Terrasse und im Garten gleich so aussehen wie auf diesem „Weg der Vielfalt“? Maike Hoberg schüttelt lächelnd den Kopf. „Natürlich kann man das nicht alles auf dem eigenen Grundstück umsetzen, aber ein bisschen was geht immer“, sagt sie und macht Mut zu Kompromissen. Ihr allererster Rat dabei: Einfach mal etwas weniger mähen, schneiden, hacken, jäten, harken im Garten. „Vielleicht gibt es bestimmte Bereiche, die man nicht bis auf den letzten Quadratzentimeter durchordnen muss – wo man wegbleibt und die den Tieren und Pflanzen gönnt.“

Da können in einer Ecke die Brennnesseln oder die trockenen Pflanzenstängel samt Samenkapseln sein, die bewusst als Nahrungsquelle und „Kinderstube“ für die nächste Insekten-Generation stehen bleiben. Oder in der nächsten Ecke der etwas längere Rasen, in dem viel mehr Arten überleben, „als wenn man den jede Woche ganz kurz mäht“. Hilfreich ist es auch, ein bisschen Totholz liegen zu lassen, in dem sich Erdkröten oder Igel verstecken können. „Durch Nichtstun kann man viel erreichen“, sagt Hoberg. „Und es nimmt einem Stress. Es muss doch nicht immer alles schier aussehen“.

„Im Efeu können ganz wunderbar Vögel brüten“

Aber natürlich kann jeder noch mehr machen als nur nichts zu tun. Zum Beispiel irgendwo im Garten eine Wildblumenwiese anlegen – „und sei es nur auf kleinem Raum“. Sie warnt allerdings davor, einfach Samentütchen mit Bildern von wunderbar bunten Blüten wie aus einem Gartenkatalog zu kaufen. Wer heimischen Insekten helfen will, sollte auf Saatgut aus dem Nordwesten achten. „Nur die passen zu unseren Tieren hier.“ Die Natternkopfbiene zum Beispiel ernährt sich fast ausschließlich von der gleichnamigen Pflanze, genau wie die Weiden-Sandbiene. „Gibt es die passenden Pflanzen nicht, sterben beide Arten aus.“ Wo man die entsprechenden Samenmischungen bekommt, erklärt die Landespflegerin auf Anfrage gern.

Feuerfalter auf einer Schafgarbe
Schmetterlinge werden immer seltener. Hier freut sich der Feuerfalter über die Schafgarbe. Foto: Petra Diek-Münchow

Eine andere Idee für den Garten wäre eine Trockenmauer mit Blaukissen, Sedum oder Phlox: „Das sind 1000 kleine Minibiotope“. Oder alte Baumstümpfe als neuer Lebensraum für diverse Arten von Käfern. Genau wie Nistkästen für Vögel und wie Insektenhotels – wenn letztere nicht nur mit „Deko“, sondern mit passendem Material befüllt sind: zum Beispiel vorgebohrtes Holz oder hohle Pflanzenstängel, beides hinten verschlossen.

Selbst dem viel gescholtenen Efeu kann Hoberg viel abgewinnen. „Der bietet Unterschlupf für Insekten und da können Vögel ganz wunderbar drin brüten. Die späten Beeren bei älteren Pflanzen bieten im Herbst viel Nahrung.“ Und dass Efeu immer gleich jedem Baum schadet, „habe ich noch nicht erlebt“. Auch Blumenbeete könnte man  nach ihrer Ansicht anders gestalten: mit heimischen Stauden wie Johanniskraut, Königskerzen oder Storchschnabel. Mit Blick auf den Klimawandel empfiehlt sie zudem Lavendel, Oregano oder Thymian, die selbst einen Balkon in ein kleines Wildbienenparadies verwandeln.

Und auch ein Fest für die eigenen Sinne sind. Womit Maike Hoberg zurück beim „Weg der Vielfalt“ ist, denn hier gibt es viel zu sehen, zu hören, zu riechen – und zu entdecken. Damit meint sie nicht nur die ersten Brombeeren oder das zirpende Konzert der Grillen, sondern auch die wilde Möhre. Die weiße Blüte wächst fast überall und sie heißt so, weil sie vermutlich der Vorläufer unserer Gartenmöhre ist. Maike Hoberg zieht eine der Pflanzen aus dem Boden. „Schnuppern Sie mal“, sagt sie. Tatsächlich, die helle Wurzel duftet wie eine Karotte.

 

Vereine können Anträge stellen

Die Naturschutzstiftung des Landkreises Emsland gibt es seit 2005. Sie kümmert sich vor allem darum, Lebensräume heimischer Tier- und Pflanzenarten zu schützen und zu schaffen – um Natur und Landschaft mit ihrer biologischen Vielfalt zu erhalten. Die Stiftung bringt selber Naturschutzmaßnahmen auf den Weg und fördert viele Projekte in der Region: zum Beispiel von Vereinen, Schulen, Kindergärten oder Kommunen mit Sitz im Emsland. 

Diese können einen Antrag auf Zuschüsse stellen. Es gibt Förderprogramme für naturnahe Kleingewässer, Wildblumenwiesen und Streuobstgärten. Außerdem bietet das dreiköpfige Team Mitmachaktionen, Führungen und Veranstaltungen an.
 

Petra Diek-Münchow