Ausländische Priester im Bistum

Ein Missionar aus Indien

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56 ausländische Priester gibt es im Bistum Hildesheim, das ist knapp ein Drittel aller aktiven Geistlichen. Ohne sie müssten zahlreiche Gottesdienste, Krankenkommunionen und Vortragsabende ausfallen. Und so wird ihr Einsatz fast einhellig geschätzt. Doch die Tätigkeit der zumeist polnischen oder indischen Seelsorger ist auch eine Herausforderung – für sie selbst wie für die Gemeinden. Ein Besuch im Nordharz.

Cyriak Chandrankunnel ist ein freundlicher, ja herzlicher Mann. Er lächelt viel, beantwortet bereitwillig Fragen, lässt sich für ein Foto geduldig mal hier und mal da platzieren, und am Schluss hält er für den Besucher sogar noch kleine Geschenke bereit.

Weit schweift der Blick vom Liebenburger Burgberg in Richtung Harz. Hier liegt das Seelsorgegebiet von Pater Cyriak Chandrankunnel und seinen Mitbrüdern. Foto: Bode
Weit schweift der Blick vom Liebenburger Burgberg in Richtung Harz. Hier liegt das Seelsorgegebiet von Pater Cyriak Chandrankunnel und seinen Mitbrüdern. Foto: Bode

Pater Cyriak, wie ihn alle nennen, stammt aus einer indischen Großfamilie. Er hat neun Geschwister, ein Bruder ist wie er Priester geworden, eine Schwester Ordensfrau.

Der 58-Jährige wurde in dem kleinen Ort Pravithanam Kerala in Südindien geboren. Christen bilden dort mit rund 20 Prozent zwar die Minderheit, aber sie sind überaus aktiv. Der Gottesdienstbesuch liegt bei über 90 Prozent, man trifft sich in kleinen Gemeinschaften, der Glaube ist selbstverständlicher Teil des Lebens – und hat eine lange Geschichte: Im Jahr 52 nach Christus brachte der Apostel Thomas das Christentum in das Gebiet.
Cyriak Chandrankunnel sieht sich selbst in der Tradition des Apostels: Gleich nach dem Abitur trat er in die Missionsgesellschaft vom heiligen Thomas ein. Sein Ziel: Anderen Menschen vom Glauben zu erzählen, sie zu begeistern, ein „Zeichen Gottes zu setzen“, wie er es selbst ausdrückt.

Aus Südindien ins Bistum Hildesheim gekommen

Dieses Ziel hat Pater Cyriak bis in den Nordharz geführt. Seit 2014 lebt er im Pfarrhaus der Gemeinde Mariä Verkündigung in Liebenburg. Sein Einsatzgebiet geht dabei weit über den kleinen Ort nördlich von Goslar hinaus. Gemeinsam mit Pfarrer Dirk Jenssen und Pastor Peter Gerloff betreut er ein weites Gebiet zwischen Othfresen und Bad Harzburg. 12.000 Katholiken leben in dem Raum, es gibt 14 Kirchorte. Die drei Priester wechseln ihre Einsatzorte ab, und so ist Pater Cyriak nur manchmal in Liebenburg anzutreffen, stattdessen schon mal in Goslar, Vienenburg oder Hornburg.

Der Geistliche hat viel zu erzählen, über tiefe Glaubenserlebnisse, seine Begegnungen mit Mutter Teresa, seinen Besuch beim Papst, seine langen Studien in Philosophie, Theologie und Jura. Und über seine verschiedenen Einsatzorte in Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Sein Plan war es nicht, nach seiner Priesterweihe 1990 eines Tages in Europa zu arbeiten, aber als ihn sein Ordensoberer gefragt hat, ob er nicht nach Deutschland gehen wolle, hat er bereitwillig ja gesagt. Und so wurde er Hausgeistlicher von Franziskanerbrüdern im Bistum Trier, Gemeindeseelsorger im Eichsfeld, in Wunstorf und schließlich im Nordharz.

Pater Cyriak erzählt lebendig, doch wer ihm zuhört muss dies konzentriert tun. Er ist seit der Jahrtausendwende in Deutschland, aber die Sprache bereitet ihm immer noch einige Probleme. Zwar fehlt nur selten eine Vokabel, aber die zum Teil eigenwillige Aussprache zwingt einen immer wieder, genau hinzuhören.

Dass es bei manchen ausländischen Priestern mit der Sprache nicht ganz einfach ist, weiß auch der Leiter der Hauptabteilung Personal/Seelsorge, Domkapitular Martin Wilk. Dennoch möchte er die ausländischen Priester im Bistum nicht missen. Er sagt: „Durch die ausländischen Priester erfahren wir die Weite und die Vielfalt des katholischen Glaubens. Ich wünsche mir sowohl von den ausländischen Priestern wie auch den Pfarrgemeinden eine Lernbereitschaft, die dazu beiträgt, dass Kommunikation gelingen kann.“

Ähnlich betrachtet man die Dinge in den Gemeinden des Nordharzes. Monika Walter, Mitglied im Vor-Ort-Team der Liebenburger Gemeinde sagt: „Wir können durch die ausländischen Priester ein Stück Weltkirche erleben“. Sie schätzt die guten Seiten ihres indischen Seelsorgers: „Er feiert hingebungsvoll Gottesdienst“. Außerdem sei er unglaublich nett und freundlich. Sogar zu Weihnachten habe er sie schon angerufen – was ein deutscher Seelsorger zuvor noch nicht getan habe. Pater Cyriak sei – trotz mancher Sprachprobleme – eine Bereicherung für die Gemeinde.

Eine Dauerlösung sei der Einsatz ausländischer Priester aber nicht. Es müsse seitens der Bistumsleitung viel mehr getan werden, um den Priestermangel effektiv zu bekämpfen. „Wenn wir keine Priester haben, haben wir auch keine Vorbilder für die Jugend“, meint sie.

Nicht auf die Herkunft, sondern auf die Talente achten

Pfarrer Dirk Jenssen sagt, durch den Einsatz ausländischer Priester könnten die Gemeinden erfahren, „dass sie nicht der Nabel der Welt sind. Der Blick bleibt weit“. Außerdem solle man weniger auf die Herkunft und stattdessen mehr auf die Talente, die Charismen eines Seelsorgers achten. Klar ist für ihn, dass der Einsatz ausländischer Seelsorger immer eine Herausforderung für beide Seiten darstellt. „Es ist nicht einfach, sich auf die Kultur der Menschen, die hier leben, einzustellen. Das braucht viele Jahre.“ Andererseits müssten auch die Gemeindemitglieder bereit sein, sich auf einen Priester aus einem anderen Land einzulassen. Letzteres gelingt mittlerweile zumindest teilweise: Aus dem Gottesdienstplan der Gemeinden ist zu entnehmen, welcher Priester wann und wo die Messe zelebriert. Einfluss auf den Gottesdienstbesuch hat das nur wenig.

Den Glauben wieder lebendiger machen

In den Gemeinden des Nordharzes werden täglich drei Heilige Messen gefeiert, am Wochenende sind es neun bis zehn, hinzu kommen Trauungen, Taufen, Beerdigungen. „Das würden wir so alles nicht mehr machen können, wenn wir nicht die Unterstützung durch einen ausländischen Priester hätten“, sagt Jenssen. Früher seien Missionare aus Deutschland in viele Länder gegangen, heute sei es eben umgekehrt.

Als Missionar versteht sich auch Pater Cyriak. Mitten in der Diaspora will er den Glauben wieder lebendiger machen und hat dafür konkrete Ideen. So möchte er die Kinder nach der Erstkommunion drei- bis viermal jährlich zu Messfeier und Katechese einladen, wirbt für Gemeindemissionen und eine Erneuerung des Glaubens und möchte in der Ferienzeit Bibelwochen für die Gemeinden anbieten. Nicht überall stößt er mit seinen Ideen auf Gegenliebe, aber damit kann er umgehen.

Auf Vorbehalte wegen seiner Herkunft trifft er kaum

Dass er wegen seiner Herkunft auf Vorbehalte trifft, erlebt Pater Cyriak kaum. Das sei kein großes Problem, sagt er. So etwas komme schon vor, aber nur sehr selten. Und dann handele es sich vor allem um Menschen, die sonst wenig mit Kirche und Glauben zu tun hätten.

Gern gesehen ist Pater Cyriak, wenn er Hausbesuche macht, bei kranken Menschen, bei Familien, bei Geburtstagskindern. „Manchmal dauert so ein Besuch zwei oder drei Stunden. Wir sprechen über den Glauben und beten zusammen“, erzählt der Ordensmann. „Ich möchte den Menschen die Erfahrung schenken, dass Jesus mit uns ist.“ Dass ihm das immer wieder gelingt, davon zeugen Dankesbriefe, die er ein wenig stolz aufgehoben hat.
Sprache und Kultur – das ist auch für Pater Cyriak nicht immer einfach. Was ihm in der deutschen Kirche weniger gefällt, sind beispielsweise zu viele und zu lange Sitzungen und Besprechungen: „In Indien gehen wir praktischer an die Dinge heran“, sagt er. Doch über solche Unterschiede kann er hinwegsehen. „Ich habe es nie bereut, hierhergekommen zu sein. Ich fühle mich wohl“.

Matthias Bode