Neue Leipziger Disputation

Ein neuer Blick auf Petrus

Image
Vor 500 Jahren disputierten Martin Luther und Johannes Eck in Leipzig hitzig und geschichtsträchtig über Papst und Kirche. Am 26. November griffen Kardinal Walter Kasper und Bischof Wolfgang Huber das Thema an historischer Stätte wieder auf. Diesmal rangen sie um gemeinsame Wege.

In der Alten Börse in Leipzig diskutierten Bischof Huber (links) und Kardinal Kasper auf Initiative der Katholischen und der Evangelischen Akademie über die Zukunft der Ökumene, besonders über das Amt in der Kirche.    Foto: Philipp Kirsschner
Mit der gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre und der gegenseitigen Anerkennung der Taufe sind die Kirchen auf ihrem Weg zur Einheit entscheidende Schritte vorangekommen, riefen beide Diskussionspartner in Erinnerung. Das Amt in der Kirche sei dagegen bis heute das schwerwiegendste Hindernis zur Einheit zwischen katholischer und evangelisch-lutherischer Kirche. Sie bedauerten, dass der ökumenische Dialog bei dieser Frage auf offizieller Ebene ins Stocken geraten ist.
 
Über- und Untertreibung eingestehen
Ein verheißungsvoller neuer Gesprächsansatz könnte es laut  Walter Kasper sein, in beiden Kirchen neu über den Platz nachzudenken, den man dem Petrusdienst einräume. Schließlich habe Petrus als Erstzeuge der Auferstehung über seinen Tod hinaus in besonderer Weise Bedeutung und Ansehen gehabt, begründete der langjährige Ökumene-Beauftragte des Vatikan seinen Vorschlag.  Die Katholiken müssten sich fragen, ob sie es bei der Stellung des Papstes nicht zeitweilig übertrieben haben, die Evangelischen hingegen, ob sie die Bedeutung des Petrusdienstes untertrieben haben. „Was versteht ihr unter dem Bischofsamt?“, fragte er die Christen der Schwesterkirche. „Wie kann Jesus Christus eurer Ansicht nach in einer geeinten Kirche verbindlich für diese Welt zum Ausdruck kommen?“ Solche Fragen seien drängend angesichts der Tatsache, dass Christen aller Konfessionen aktuell einer Verfolgung in bisher nicht gekanntem Ausmaß ausgesetzt seien. Die gelebte „Ökumene des Blutes“ verpflichte die Christen, Ökumene auch inhaltlich zu vertiefen, entsprechend dem Testament Jesu „Dass alle eins seien!“
Kardinal Kasper erinnerte daran, dass Papst Johannes Paul II. die anderen Kirchen eingeladen hatte, ihre Vorstellungen über das Papstamt kund zu tun: Wie müsste das Amt ausgefüllt werden, damit es der Einheit der Kirchen dienlicher wäre? Benedikt und zuletzt Franziskus hätten diese Einladung wiederholt und bekräftigt. Auf allen Ebenen müsse die katholische Kirche eine synodale Struktur annehmen, habe der aktuelle Papst in diesem Zusammenhang betont. Auch wenn die Umsetzung dieser Forderung noch „in den Kinderschuhen“ stecke, sei damit doch unmissverständlich klar: „Es ist aus mit einem episkopalen päpstlichen Leitungsstil.“
 
Deutsche sind auf Regelungen fixiert
Der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands, Wolfgang Huber, griff den Vorschlag seines katholischen Gesprächspartners auf. Die jüngeren theologischen Fortschritte in der Ökumene seien erreicht worden, weil Theologen beider Konfessionen gemeinsam die Bibel und die Schriften der Kirchenväter studiert und von Jesus Christus her interpretiert hätten. Diese Methode auch auf die Figur des biblischen Petrus hin anzuwenden, halte er für vielversprechend. Mitunter, zum Beispiel auch in Bachs Matthäus-Passion, werde Petrus in der evangelischen Kirche zu sehr auf seine Rolle als Christus-Verleugner beschränkt. Die Wichtigkeit des Amtes sei heute unstrittig. Entscheidend sei für ihn die Frage, was die Kirche im Inneren ihrer Verkündigung zusammenhalte.
Anders als der frühere bayerische Landesbischof Johannes Friedrich, der 2001 eine eingeschränkte Anerkennung des Papstes als „ökumenisch akzeptierten Sprecher der Weltchristenheit im Dienste der Einheit“ ins Gespräch brachte, frage er sich allerdings, ob nicht eine christliche Gemeinschaft in versöhnter Verschiedenheit ein stärkeres Zeugnis in der Welt geben könne als eine Einzelperson und ob es wirklich ein ökumenischer Gewinn wäre, eine Form des kirchlichen Amtes als für alle verbindlich zu erachten. Von der katholischen Kirche wünsche er sich, die Analogie von Christus und Kirche weniger stark zu denken als das bisher der Fall gewesen sei.
Er hoffe zudem sehr, dass es bis zum nächsten ökumenischen Kirchentag im Jahr 2021 gelinge, dass evangelische und katholische Kirche wechselseitig die Möglichkeit zur Gastfreundschaft im Abendmahl eröffnen, wie es der Ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen jüngst in seinem Papier „Gemeinsam zum Tisch des Herrn“ vorgeschlagen hatte.
Auch er hoffe, dass die Verantwortlichen für den Kirchentag  eine gute Einigung finden, entgegnete Walter Kasper. Zugleich warnte er aber auch davor, Entscheidungen übers Knie zu brechen. Solches Vorgehen ziehe erfahrungsgemäß schmerzliche Rückschläge nach sich. Auf dem ökumenischen Weg gehe es dann vorwärts, wenn an der Basis die Schritte gemeinsam getan werden, die möglich seien. Auch das Gebet für die Einheit sei nicht zu unterschätzen. Dann könne „der Heilige Geist Überraschungen schenken“.
 
Zur Erinnerung an die Leipziger Disputation hat ein privater Hotelinvestor am Burgplatz in Leipzig kürzlich damalige Protagonisten an der Fassade des Hotelneubaus verewigt. Im Bild von links: Johannes Eck, Herzog Georg von Sachsen und Martin Luther.    Foto: Andreas Wanzek

 

Er halte es im übrigen für eine deutsche Eigenheit, lautstark nach Regelungen zu fragen und erst dann weiterzugehen, wenn es für ein Problem eine fertige Regelung gebe, sagte der aus dem Allgäu stammende Kardinal. Von der Kirche in anderen Ländern könnten die Deutschen eine größere Gelassenheit lernen. Dort sei die Bereitschaft größer, „vieles wachsen zu lassen und es im Wachsen zu begleiten.“ Im Papier des Ökumenischen Arbeitskreises sieht Walter Kasper ein großes Potenzial. Zunächst einmal müsse es aber auf breiter Ebene zur Kenntnis genommen und diskutiert werden – ein Prozess, der seiner Erfahrung nach mehrere Jahre dauern könne.
Auch Bischof Huber wünscht sich, dass ökumenische Fortschritte besser „rezipiert“ werden. Dass die gegenseitigen Lehrverurteilungen der Reformationszeit nicht mehr treffen, müsste auch in den Unterweisungen der Kirche deutlicher werden, ebenso sollte auch „das sakramentale Band der Einheit in der Taufe“, das vor zehn Jahren mit der Magdeburger Erklärung neu bekräftigt worden sei, verstärkt ins Licht gerückt und durch weitere Schritte vervollkommnet werden. Stattdessen sei in Deutschland eine „wachsende Taufvergessenheit“ zu beklagen. Vielfach fehle es zwischen evangeischen und katholischen Christen noch an gegenseitiger Rücksichtnahme und an Behutsamkeit im Umgang miteinander. Die Welt brauche aber heute mehr denn je ein starkes gemeinsames christliches Zeugnis.
 
Von Dorothee Wanzek