Anstoß 31/20
Ein neues Herz
Ich warte. Ich warte. Ich warte. Ich warte. Ich warte. Ich warte. Sechsmal je Zeile, 21 Zeilen, drei Viertel der Buchseite. Nichts anderes als: Ich warte. Der so schreibt, ist der Ich-Erzähler im Buch „Leben“ von David Wagner.
Er wartet auf eine neue Leber und weiß zugleich kaum noch, wartet er wirklich? Und worauf? Auf ein neues Leben? Oder auf den Tod – den eigenen, den eines anderen? Er beschreibt sein Warten, besser sein Leben, in dem die Krankheit Vergangenheit und Gegenwart verschwimmen, Wirklichkeit und Traum ineinander übergehen lässt. Was ist wirklich? Was ist (s)ein Leben?
Ich lese. Drei Tage, drei Bücher. Sie ziehen mich in ihren Bann, mischen ihre Gedanken mit meinen, zu denen gerade eine heftige Irritation über die jüngste
Instruktion aus Rom gehört. Ich warte. Ich warte. … Ich warte schon lange mit vielen anderen auf endlich einmal deutliche Worte auch aus Rom, die die vielfältigen Berufungen von Menschen gleich welchen Geschlechts in unserer Kirche anerkennen, die sich haupt- oder ehrenamtlich darum mühen, dass die befreiende Botschaft Jesu im Leben der Menschen ankommt. Wie lange noch warten, zugleich das heute Mögliche tun und zu leben versuchen, was kein Traum bleiben soll? Oder doch aufgeben, weil sich hier und heute einfach nicht leben lässt, wie Kirche auch denkbar ist? Wieviel Kraft und Lebenszeit, die sich fruchtbringender entfalten könnten! Und wieviel Hoffnungsvolles, was trotzdem blüht, weil Menschen unbeirrt ihren Weg gehen.
Meine Gedanken finden sich wieder beim Warten auf das neue, Leben schenkende Organ ein. „Ich gebe euch ein neues Herz“, verheißt Gott seinem Volk durch den Propheten Ezechiel. Dazu einen neuen Geist, der lebendig macht, was versteinert, tot, nicht mehr lebensfähig ist!
Den Lebendigmacher und das neue „Herz“ brauchen sie je auf ihre Weise: die körperlich Kranken, die mit unglaublicher Geduld und Durchhaltekraft auf ihr (Über-)Leben warten und die, die sich nach einem Aufbruch in der Kirche sehnen; auch die, die in solchem Aufbruch den Untergang befürchten.