Fest Maria – Aufnahme in den Himmel

Ein Osterfest im Sommer

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Der Tag des Herrn stellt christliche Höhepunkte im Jahreskreis vor. Heute das Fest Maria – Aufnahme in den Himmel. Der Tag erinnert unter anderem daran, dass der Mensch aus Leib und Seele besteht.

Diese Wandmalerei in Santa Maria Maggiore zeigt die Krönung Mariens durch Christus.    Foto: kna

 

Der 15. August gehört zu den großen Marienfesten im Laufe des Kirchenjahres. In unseren Nachbarländern Polen und Frankreich ist dieser Tag sogar ein staatlich geschützter Feiertag. Ich möchte dem Geheimnis dieses Marienfestes nachgehen und seine Botschaft neu entdecken.
Schon im fünften Jahrhundert feierten Christen in Jerusalem ein Fest  der „Entschlafung Mariens“, also ihren Todestag. Später im achten Jahrhundert wurde dieser Tag in Rom „Tag der Aufnahme der seligen Maria“ genannt. Dieses Fest kam unmittelbar nach dem Konzil von Ephesus auf, auf dem die Gottesmutterschaft Mariens verkündet wurde. Niemand kennt den genauen Todestag Mariens und wir kennen auch kein Grab oder leibliche Reliquien der Gottesmutter.

Überwindung des Todes und der Sünde
Die bedeutendste Marienkirche des Abendlandes, Santa Maria Maggiore in Rom, stellt im Apsismosaik beides dar: Den Tod Mariens und ihre Krönung im Himmel. Im Laufe der Zeit wuchs in der Kirche die Überzeugung, dass Maria wegen ihrer Berufung zur Mutter des Herrn auch ein besonderer Weg der Vollendung ihres Lebens geschenkt werden musste – und zwar mit Leib und Seele. Da sie mit dem Erlösungswerk ihres Sohnes aufs Engste verbunden war – nämlich der Überwindung des Todes und der Sünde – wird auch an ihr sichtbar, dass Sünde und Tod wirklich besiegt sind.
Einerseits war das irdische Leben Mariens dem unseren ganz gleich – ein Leben mit Freuden und Leiden und ein Leben der Vergänglichkeit, gezeichnet vom Tod. In einem Punkt aber unterscheidet sich ihr Leben von dem aller Menschen: Sie wurde durch Gottes Gnade bewahrt vor aller Schuld. Sie braucht keinen Augenblick ihres Lebens zu verleugnen, sie kann zu ihrem ganzen Leben stehen. Als ihr Leben zu Ende ging, starb „nur das Vergängliche, damit das Ewige ihres Lebens offenbar werde … So ist ihr ganzes Leben eingegangen in die Ewigkeit, jeder Tag, jede Stunde, jeder Wellenschlag des Lebens ihrer Seele, alle Freude und aller Schmerz, die großen und die kleinen Stunden, nichts ist verloren…“, so drückt es der große Theologe Karl Rahner in seinen geistlichen Texten zum Kirchenjahr aus.
Das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel ist ein Tag der Freude auch für uns. Ein Mensch dieser Erde – Maria – hat schon Anteil am österlichen Sieg Christi, ist ganz bei ihm angekommen. Darum heißt es in der Präfation des Festes: „Dem pilgernden Volk ist sie ein untrügliches Zeichen der Hoffnung und eine Quelle des Trostes. Denn ihr Leib, der den Urheber des Lebens geboren hat, sollte die Verwesung nicht schauen.“ Das Fest erinnert uns daran, dass der Mensch aus Leib und Seele besteht, unser Personsein drückt sich in beidem aus. So sollen wir alle einmal ganz bei Gott ankommen – mit einem österlich verklärten Leib und mit unserer unsterblichen Seele. Maria ist so etwas wie der „Brückenkopf“ der ganzen Menschheit, durch den Gott erstmalig diese Brücke des Lebens gebaut hat. Der 15. August ist ein wirklich österliches Fest mitten in der Sommerzeit. Übrigens feiern wir diesen Tag gemeinsam mit der östlichen Hälfte der Christenheit. Orthodoxe Christen bereiten sich durch eine zweiwöchige Fastenzeit auf dieses große Marienfest vor.
In der katholischen Kirche gibt es traditionell am Tag der Verherrlichung Mariens den Brauch der Kräuterweihe. Dieser Brauch geht auf eine Legende zurück, die Folgendes erzählt: Die Apostel suchten nach dem Tod Mariens ihr Grab auf und als sie es öffneten, um nach ihrem toten Leib zu schauen, war es voller Blumen und duftender Kräuter. Seit über 1000 Jahren werden darum am Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel in unseren Kirchen Kräuter geweiht. Die blühende Schöpfung und die Heilkräuter  erinnern uns an das Heil, das Gott uns schenken will. Heutzutage ist das Wissen um die heilenden Kräfte der Natur wieder gewachsen – das ist ein schönes Zeichen, das sich gut mit diesem Marienfest verbinden lässt.

Auf die Suche nach Heilpflanzen gehen
Es lohnt sich, an diesem Tag einmal selbst auf die Suche nach Heilkräutern zu gehen, die uns die Natur bereit hält. Welche Kräuter und Pflanzen gehören in einen Kräuterstrauß? Ich nenne beispielhaft Kamille, Rosmarin, Salbei, Minze, Arnika, Spitzwegerich, Basilikum, Getreidehalme und natürlich einige Blumen.  Wenn Sie die gesammelten Kräuter zu einem Strauß zusammengebunden haben, nehmen Sie sie mit in die Kirche zum Festgottesdienst. Dort werden sie durch den Priester gesegnet. Vielleicht kann damit auch in Ihrer Gemeinde dieser Brauch neu belebt werden. Der Kräuterstrauß kann dann zu Hause  - vielleicht vor dem Bild der Mutter Gottes - noch eine Zeit lang seinen Duft verströmen. Wenn die Kräuter getrocknet werden, kann man Tee daraus bereiten.
Ich selbst werde in diesem Jahr das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel gemeinsam mit polnischen Katholiken in Grüssau (Krzeszów) feiern, einem Wallfahrtsort im Dreiländereck zwischen Tschechien, Deutschland und Polen. Zu dieser Marien-Kirche kommen am 15. August die Katholiken der Diözese Liegnitz (Legnica), unserm Nachbarbistum jenseits der Neiße, mit dem das Bistum Görlitz seit langem verbunden ist. Viele der Katholiken in den Gemeinden Ostdeutschlands kennen sicher die „Grüssauer Marienrufe“, die in unseren Marienandachten oft gesungen werden. Sie sind dort entstanden und werden heute auch in polnischer Sprache gesungen.

Von Bischof Wolfgang Ipolt