Serie „Katholisch in Brandenburg“

Ein Schweizer in der Prignitz

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Mit der Gemeinde „Heilig Kreuz“ Wittstock nehmen wir in der Serie „Katholisch in Brandenburg“ vorerst Abschied von der Prignitz. Pfarradministrator Pater Harold Bumann vermittelt „Rand“-Erfahrungen aus der Sicht der Seelsorge und macht erlebbar, wie der Glaube selbst Berge versetzt.


Nur einer von drei Standorten im Pastoralen Raum: Die Heilig-Kreuz-Kirche in Wittstock. | Fotos: Marina Dodt

 

Pater Bumann, Sie gehören mit Pater Federico Ceriani als Pfarrvikar dem Orden IVE (Das fleischgewordene Wort) an, sind eine der kleinsten Ordensniederlassungen im Erzbistum. Was hat Sie ausgerechnet an den äußersten Rand, in die Prignitz, verschlagen?

Wir waren zuvor in der Pfarrei Rüdersdorf bei Berlin tätig. Mit Bildung des dortigen Pastoralen Raumes kam es zur Freisetzung von Priestern und wir folgten gern der Bitte des Erzbistums an unseren Orden, die vakante Pfarrei Wittstock zu übernehmen.

Seit November 2016 sind Sie hier nun Pfarradministrator. Was war Ihr erster Eindruck?

Mich beeindruckte sofort die  territoriale Größe. Das Gemeindegebiet ist größer als die ganze Stadt Berlin! Das hat Einfluss auf viele Dinge: So hat der PGR-Vorsitzende bereits jetzt eine Stunde Autofahrt, um ins Pfarrhaus nach Pritzwalk zu kommen. Auf der anderen Seite zwingen gerade diese Entfernungen zu Effizienz: weniger Sitzungen, keine langen Reden, Klartext.

Wie haben Sie die Gemeinde zu Amtsantritt erlebt, wie schätzen Sie die aktuelle Situation ein?

Zu unserer Pfarrei mit den Gemeindeteilen Wittstock, Pritzwalk und Meyenburg gehören ca. 960 Gläubige in einem Gebiet von etwa 30 000 Einwohnern. Der Altersdurchschnitt ist sehr hoch, die Jungen ziehen weg. Die DDR-Prägung ist dadurch noch sehr stark und positiv erhalten. Die ältere Generation hat sich mutig für den Glauben eingesetzt, hat daher Zusammenhalt und zusammen beten gelernt, aus einer tiefen Glaubensüberzeugung heraus. Das ist geblieben – bis heute, und das wird Früchte tragen!

Heute ist Weißer Sonntag, kann die Gemeinde Erstkommunion feiern?

Ja, Gott sei Dank, wir dürfen am 24.  Juni mit acht Kindern die Erste Heilige Kommunion feiern und am 8. Juli die Heilige Firmung für elf Jugendliche und einen Erwachsenen. Mit der Firmgruppe waren wir übrigens unlängst im Alpincenter Wittenburg, wo ich mit den Jugendlichen einmal richtig Ski fahren konnte.

Pater Harold Bumann IVE

Das gibt mir endlich die Gelegenheit, nach dem schönen Schweizer Dialekt zu fragen…

Ja, ich bin ein Schweizer Import, komme aus dem Kurort Saas-Fee, wo meine Familie noch immer lebt.

… und dann jetzt hier auf dem endlos flachen Land, fehlen Ihnen nicht die Berge?

Wenn ich die Alpen nicht sehe, geht es. Zudem sind wir hier äußerst wohlwollend aufgenommen worden, auch das schafft ein Zuhause.
Zu anderen „Gipfeln“ und Herausforderungen: Der Pastorale Raum ist auch in der Prignitz angekommen, wie geht es weiter?
Trotz gegenteiliger Voten der Gemeinden aufgrund der großen Distanzen steht der Pastorale Raum, und wir müssen und werden nun unseren Weg finden.  Meine Hoffnung für die Menschen ist, dass diese Extrem-Situation in der Personalbemessung Berücksichtigung findet. Die Gläubigen brauchen ihren Priester und ihre heilige Messe.

Aber es kommen immer we­niger?

Gerade deshalb können wir ihnen nicht auch noch das Letzte, das „Allerheiligste“ nehmen – den Sonntag und die Sakramente! Nehmen Sie den Leuten die Sonntagsmesse weg, verabschieden sie sich von der Kirche, das ist eine Erfahrung bisheriger Fusionen.

Die Prignitz ist als uralte Pilgerregion ein besonderer spiritueller Raum. Ist das nicht auch Potenzial und Perspektive?

Ja, die Sehnsucht des Menschen nach Spiritualität, nach Sinn, nach etwas Göttlichem wird bleiben. Daher haben wir zum Beispiel die wöchentlichen Taizè-Gebetsabende in Wittstock eingeführt, zu denen auch evangelische Mitchristen und Außenstehende kommen. Seit Anfang März besteht zudem einmal pro Woche die Möglichkeit zur morgendlichen Eucharistischen Anbetung an allen drei Standorten.
Wir wollen damit verdeutlichen: Jesus ist dir nahe, er liebt dich über alles und ist die Lösung deiner Probleme – eine Erfahrung, die wir schon den Kindern mitgeben möchten. Daher gibt es bei uns auch eine Eucharistische Anbetung für Kinder im Rahmen des 14-tägigen Kindernachmittages. Unsere Gemeindereferentin Edeltraud Richter leistet hier fast Heroisches, um die Kinder aus den Dörfern zusammenzubringen und einen erlebnisreichen Tag zu gestalten. Viele weitere Gemeindemitglieder sorgen im Gebets-, Senioren- und Caritaskreis oder im Kirchenchor für ein gelebtes, frohmachendes und ansteckendes Glaubenszeugnis, so dass wir uns Ostern über eine Erwachsenentaufe freuen konnten: Ein Flüchtling aus dem Iran äußerte durch die erlebte Hilfe von Gemeindemitgliedern den Wunsch, Christ zu werden.

Ein Hoffnungszeichen, dennoch gibt es auch  Anlass zur Sorge. Wie sehen Sie die Zukunft Ihrer Gemeinde?

Nun, ich bin kein Prophet. Aber wir sollten die Entwicklung in größeren Dimensionen betrachten. Unsere Zeit ist sehr aufgewühlt, selbst in der Kirche. Gerade deshalb braucht es klare Orientierung und Geborgenheit von oben. Die Kirche ist immer wieder plötzlich aufgeblüht, und vielleicht können wir ein kleines Stück davon bereits 2019 auf der Landesgartenschau in Wittstock erlebbar machen, zum Beispiel in den offenen ökumenischen Veranstaltungen.

Interview: Marina Dodt