Bischof Franz-Josef Overbeck predigte am Reformationstag in der Hamburger Petrikirche

Ein Skandal wie der Ablasshandel?

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Den Reformationstag am 31. Oktober hat die evangelische Nordkirche mit einem Gottesdienst in der Hamburger Petrikirche gefeiert. Ungewöhnlich dabei – der Prediger war ein katholischer Bischof: Franz-Josef Overbeck aus Essen

Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck im Bischofsornat
 Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck. Foto: kna

„In Hamburg feiern wir den Reformationstag in guter Tradition ökumenisch. Denn als evangelische Kirche wissen wir: Gerade mit unseren verschiedenartigen Stimmen können wir zu gelingendem Zusammenleben in unserer Stadt am besten beitragen“, sagte Bischöfin Kirsten Fehrs in ihrer Begrüßung.

„Das kirchliche Christentum hat seine große Herausforderung heute in der Wende von der Religion zu Spiritualität vor sich“, sagte Overbeck in seiner Gastpredigt. Es gebe ein großes gesellschaftliches „Interesses an Spiritualität aller Art“, aber wenig passende kirchliche Angebote. „Es scheint, als seien unsere Kirchen oft auf diesen Durst nach Spiritualität nicht vorbereitet und müssten immer wieder neu lernen, angemessen darauf zu reagieren“.

Overbecks erklärtes Ziel ist „eine lebendige Kirche als Raum des Glaubens, in der es spirituelle Zentren gibt“. Seelsorge sieht er dann primär als „geistliche Begleitung an den Knotenpunkten des Lebens“.

Ohne große Reform bald leere Kirchen

Hier seien die christlichen Kirchen gemeinsam in der Verantwortung: „Wir als Christen werden gemeinsam jene Räume schaffen müssen, in denen wir selbst und viele Menschen die ganze Wahrheit ihres Lebens erzählen und vor Gott bringen.“ Gerade die unterschiedlichen Sichtweisen und Deutungen der Konfessionen könnten hier eine große Bereicherung sein.

Mit Blick auf die Christen hob der Ruhrbischof hervor, dass „die größten Spaltungen zurzeit nicht zwischen unseren Kirchen stattfinden, sondern innerhalb der Kirchen“. Er verwies auf die „lange verheimlichte und bagatellisierte Pandemie des sexuellen und geistlichen Missbrauchs“. 

Für Overbeck hat der Missbrauchsskandal dabei auch eine historische Brisanz: „Schon länger frage ich mich, ob dieser Skandal nicht heute eine ähnliche Rolle spielen könnte wie der Ablassskandal, der im Hochmittelalter die Reformation ausgelöst hat.“ In beiden Fällen hätten vermeintliche Randphänomene tiefere Probleme und systemische Übel offenbart: „den Umgang mit Macht und Autorität; die Probleme des Verhältnisses zwischen Klerus, Geistlichen und Laien; die Frage nach der Verhältnisbestimmung der Geschlechter.“

Ausdrücklich warb Overbeck für Aufbrüche in der Kirche, gerade nach den Lockdown-Erfahrungen der Pandemie. Die lange Zeit leeren Kirchen seien für ihn „wie ein prophetisches Warnzeichen. So könnte es bald aussehen, wenn wir uns nicht einer tiefgreifenden Reform unterziehen.“ Dies betreffe die katholische Kirche. „Davon sind aber viele andere christliche Kirchen in unserem Kulturkreis nicht weit entfernt“, so der Bischof.

Text: Presseabteilung Nordkirche (ce/mw/tr)