Gründung des Katholischen Frauenbundes vor 110 Jahren

Ein Stück mehr vom Kuchen

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Müttern und Hausfrauen Anerkennung verschaffen – das war ein Motiv für die Gründung des Katholischen Frauenbundes vor 110 Jahren. Bis heute setzt er sich für Gleichberechtigung ein – und mittlerweile fürs Priesteramt der Frau.

Grundsteinlegung für das Wohnheim in der Wundtstraße: Die erste Vorsitzende Maria Heßberger (mit Hammer) spricht einen Segen für das Haus.    Foto: Archiv KDFB

 

„Die Gründung des Frauenbundes war der Beitrag der katholischen Frauen zu einer breiten Bewegung“, sagt Barbara John. Die heutige Vorsitzende des Berliner Diözesanverbands des Katholischen Deutschen Frauenbunds (KDFB) blickt mit Bewunderung auf die Pionierinnen zurück, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts für Gleichberechtigung und Chancengleichheit einsetzten.
 

Unverheiratete Frauen ausbilden und fördern
Johns Vorgängerin Maria Heßberger fand sich im November 1909, vor 110 Jahren, mit zahlreichen Damen des katholischen Adels und der ersten Gesellschaftskreise im Festsaal des Berliner Abgeordnetenhauses zur festlichen offiziellen Gründung zusammen. Der Katholikin ging es auch um Abgrenzung von der Arbeiterinnenbewegung und der bürgerlichen überkonfessionellen Frauenbewegung, denn: „Mit Hohn und Spott wurde die alte Tradition der Familie, der Wissenschaft des ‚Kochtopfes‘ und der Kinderstube übergossen.“ Heßbergers erstes Ziel lautete daher: „Dem hehren Frauenberuf wieder Anerkennung zu verschaffen.“
Darüber hinaus hatten die Gründerinnen auch caritative Ambitionen: Es ging um qualifizierte Ausbildung und Förderung für berufstätige Unverheiratete. Gerade aus Ostpreußen und Schlesien kamen zu dieser Zeit etliche Frauen nach Berlin. „Die kamen wie die Flüchtlinge an“, weiß Barbara John. Es fehlte an erschwinglichen Wohnungen für die Alleinstehenden, an Sicherheit und Schutz.

„Gegensätze müssen wir aushalten“, findet Barbara John.    Foto: Doris Klaas-Spiekermann

„Und es war auch der Versuch, Frauen zu befähigen, in der Gesellschaft klarzukommen“, ergänzt KDFB-Geschäftsführerin Maja Petrauschke. Etwa, ihnen zu vermitteln, wie man auf einer Versammlung Forderungen ausdrückt. Kurz gesagt: Die Frauen wollten ihre Möglichkeiten besser ausschöpfen und mit ihren Ideen an die Öffentlichkeit. „Sie haben nicht nach den Sternen gegriffen, sondern wollten ein Stück mehr vom Kuchen“, erkärt Barbara John.
„Damals wurden die Fundamente gelegt, auf denen wir bis heute stehen“, ist auch Maja Petrauschke überzeugt.Wie das dem jungen KDFB gelang, ist durchaus faszinierend: So wurde ihm bereits 1913 die Erlaubnis zu einer Studienanstalt erteilt, die Frauenbildung auf katholischer Grundlage verwirklichen sollte. Doch dann kam der Erste Weltkrieg dazwischen; es ging zunächst darum, Gelder und Kleidung für Notleidende zu sammeln und Heimarbeit für Frauen zu schaffen, die keiner Erwerbstätigkeit außer Haus nachgehen konnten. 1917 dann eröffnete mitten im Krieg die Soziale Frauenschule. Ab sofort wurden Fürsorgerinnen ausgebildet, die man heute Sozialarbeiterinnen nennen würde. Ab 1932 konnte die Ausbildung kombiniert werden mit der zur Seelsorgehelferin.
Untrennbar mit dem KDFB in Berlin verbunden ist das Helene-Weber-Haus in der Charlottenburger Wundtstraße. Die Grundstücke und den bereits existierenden Mittelbau konnte der Verein 1927 erwerben. Dort zogen Schule und Internat ein. Rechts und links davon sollten Wohnheime für allein im Berufsleben stehende Frauen entstehen – mit günstigen Wohnungen inklusive Küchenzeile und Bad, einem Speisesaal und einer Wäscherei, die die Berufstätigen bei ihrer Hausarbeit entlasteten und Gesellschaft boten, mit einer Tag und Nacht besetzten Pforte, einem Turnsaal und einer Kapelle. Das nötige Kapital kam von der Post, der im Gegenzug 100 vergünstigte Wohnungen für Telefonistinnen zugesagt wurden.
 

Regina Stürickow wohnt gern im Helene-Weber-Haus.    Foto: Cornelia Klaebe

Im Frauenbundhaus viel Unterstützung erfahren
Bis heute sind diese Wohnungen ausschließlich für alleinstehende Frauen reserviert. Und bis heute sind die Mieten niedrig. Eine der Mieterinnen ist Regina Stürickow, die eine Zwei-Zimmer-Wohnung im vierten Stock bewohnt. „Vor acht Jahren brauchten meine Mutter und ich sehr schnell eine günstige Wohnung“, erzählt die Lehrerin und Buchautorin. Bei der Besichtigung wurden sie als in die Hausgemeinschaft passend eingeschätzt und bekamen den Zuschlag. Zwar sei das Haus vor der Renovierung nicht schön gewesen, aber sie schätzte die Atmosphäre. Als die Mutter vor vier Jahren plötzlich starb, erfuhr Regina Stürickow viel Unterstützung im Haus. Sie entschied sich, auch weiter hier zu bleiben. „Hier wird man nie im Alter allein sein“, betont sie. Und darüber hinaus trat sie – obwohl evangelisch – auch dem KDFB bei: „Den wollte ich mittragen, weil auch viele Leute davon profitieren.“
Denn noch immer setzt sich der Frauenbund für die Gleichberechtigung ein. Heute sind die Schwerpunkte die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, geschlechtergerechte Bezahlung und die Förderung von Frauen in Führungspositionen – und für das Diakonat und Priesteramt der Frau. Im Helene-Weber-Haus bietet er Veranstaltungen zu gesellschaftspolitischen, kulturellen und theologischen Themen ebenso wie Vorbereitungskurse für den Krankenbesuchsdienst. Barbara John schätzt besonders die große Vielseitigkeit: „Manches mag gegensätzlich klingen. Aber diese Gegensätze müssen wir aushalten.“

www.kdfb-berlin.de

Von Cornelia Klaebe