Weihnachtsgruß von Fuldas Bischof Michael Gerber

"Ein Trostbild für unsere Zeit"

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Ein Bild des Kometen Neowise über der Rhönlandschaft bei Poppenhausen begleitet Bischof Michael Gerber durch die Advents- und Weihnachtszeit: In diesen friedlosen Tagen im Weltgeschehen ist es für ihn ein Bild des Trostes.


STERNENPARK
Im Juli 2020 war der Komet Neowise in der Rhön zu beobachten. Das Foto von
Dr. Andreas Hänel entstand in Poppenhausen mit Blick auf den Klavarienberg.
Foto: Sternenpark Rhön/Dr. Andreas Hänel/www.biosphaerenreservat-rhoen.de/sternenpark


Liebe Leserin, lieber Leser!
Aufs Neue wird uns auch in diesem Jahr in der Heiligen Nacht der Gesang der Engel verkündet: „… und Frieden auf Erden …“ Und wieder einmal, wie so oft in den vergangenen 2000 Jahren, scheint diese Stelle aus dem Lukasevangelium wie aus einer anderen Welt zu stammen. Die Schatten des Krieges im Osten Europas holen auch uns hier ein – und das im wahrsten Sinne des Wortes: Manch gewohnte Weihnachtsbeleuchtung bleibt dunkel. Uns bewegen die Bilder aus den Kriegs- und Krisengebieten, die wir jeden Tag neu auf den Bildschirm bekommen. Uns setzt das Schicksal der unmittelbar betroffenen Menschen zu und uns beschäftigt die Frage, wie es angesichts der politischen Entwicklung und des Klimawandels mit unserem Planeten weitergeht.
„Mitten im kalten Winter, wohl zu der halben Nacht …“ – Was wir im altvertrauten Weihnachtslied hören und in diesen Wochen gegebenenfalls leicht fröstelnd singen, kann in uns die Bilder wachrufen an jene, die jetzt frierend zwischen Trümmern um ihre Existenz ringen.

Im Schrecken die Nähe zur Krippe entdecken
Weihnachten: Gott wird Mensch unter Menschen, in einer oft als zerrissen und bedrohlich erlebten Welt. Sehr anschaulich wird das im Evangelium geschildert. Das Kind, das „elend, nackt und bloß in einem Krippelein“ liegt, hat zwischen Herbergssuche und Flucht das Licht der Welt erblickt. In diesen Tagen und unter dem Eindruck des gegenwärtigen Weltgeschehens meditiere  ich  gerne diese Weihnachtslieder der frühen Barockzeit. Für viele gehören sie zu einem stimmungsvollen Weihnachtsfest. Doch bei genauerem Hinhören fällt auf, wie die Autoren geprägt sind vom Schrecken ihrer Zeit und von persönlichen Schicksalsschlägen. Sehr eindrucksvoll formuliert dies im Erleben von Krieg und Pandemie Paul Gerhardt, wenn er von sich bekennt: „Ich lag in tiefster Todesnacht, du warest meine Sonne …“. In dieser Situation entdecken Menschen ihre Nähe zu Jesus in der Krippe.

Mit Menschen verbunden unterm Sternenzelt
Weihnachten 2022: Wie damals den Dichtern der Barockzeit kann auch uns die Botschaft von Jesus in der Krippe Kraft und Zuversicht geben, um uns den Herausforderungen unserer Tage zu stellen. In dieser Glaubenskraft formulierte Jochen Klepper 1937 unter dem Eindruck der Schrecken der NS-Zeit: „Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und -schuld. Doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld. Beglänzt von seinem Lichte, hält euch kein Dunkel mehr; von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her.“ Durch diese Advents- und Weihnachtszeit begleitet mich eine faszinierende Fotografie des Kometen Neowise, der im Sommer 2020 auch in der Rhön zu beobachten war: im Sternenpark Rhön sogar besonders gut, weil nur wenige fremde Lichtquellen das Sternenlicht stören. In Gedanken verbinde ich mich mit vielen Menschen unter dem weiten Sternenzelt, denen ich verbunden bin, besonders mit jenen, denen ich mein Gebet versprochen habe: „Doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld.“ Der Komet auf dem Foto weist genau auf das Kreuz, das über Poppenhausen – dem Ort der Aufnahme – errichtet ist. Es ist ein Trostbild für unsere Zeit, in der auch so manche Angst unseren Alltag bestimmt: Das Kreuz leuchtet im Licht der Heiligen Nacht. So kommt mir ein weiteres Weihnachtslied von Jochen Klepper in den Sinn, ebenfalls 1937 verfasst: „Die Welt ist heut voll Freudenhall. Du aber liegst im armen Stall. Dein Urteilsspruch ist längst gefällt, das Kreuz ist dir schon aufgestellt.“

Von Herzen wünsche ich Ihnen die Erfahrung, dass das göttliche Licht, das erschienen ist, auch Ihr Leben erhellt. Ihnen allen ein gnadenreiches und gesegnetes Weihnachtsfest!

Michael Gerber
Bischof von Fulda