Priester und Künstler: Artur Heinke folgte doppelter Berufung

Ein ungewöhnlicher Seelsorger

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Als Priester und Künstler folgte Artur Heinke einer doppelten Berufung. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er im Südwesten des Bistums Berlin. Einige Geistliche aus dieser Region spürten jetzt seinem Wirken in Schlesien nach.

Pfarrer Matthias Patzelt, Brandenburg, an der zweisprachigen Gedenktafel für Artur Heinke an der Pfarrkirche in Ebersdorf/Domaszków.    Fotos: Thomas Marin

 

Dem bescheidenen Naturell des Malerpfarrers Artur Heinke wie auch dem Verlauf seiner Lebensgeschichte scheint es zu widersprechen, wenn mehr als 60 Jahre nach seinem Tod an sein Leben und Wirken erinnert wird. Geistliche aus der Region Brandenburg und Potsdam waren anderer Meinung und nutzten einen herbstlichen Bildungsausflug in die ehemalige Grafschaft Glatz (heute Powiat Kłodzki) für eine „Begegnung“ mit dem 1959 in Berlin verstorbenen Mitbruder, den keiner von ihnen jemals persönlich kennenlernte.
Dies galt auch für den langjährigen Brandenburger Pfarrer Richard Rupprecht. Für ihn als Organisator der Tour war es auch eine Reise in die eigene Vergangenheit, wurde er doch in einem Dorf bei Habelschwerdt (heute Bystrzyca Kłodzka) geboren. Wie viele Habelschwerdter wurde Rupprecht 1946 als Kind mit seiner Familie aus der Glatzer Heimat vertrieben und kam in die Gegend südlich von Brandenburg.
Auch der Pfarrer von Brandenburg, Matthias Patzelt, ist durch die Herkunft seiner Eltern mit dem Glatzer Land verbunden. Den ehemaligen Pfarrer von Ebersdorf (heute Domaszków), Artur Heinke, der nach der Vertreibung in Borkheide bei Beelitz eine der kleinsten Gemeinden des Bistums Berlin betreute, hatte Patzelt in den Unterlagen des Pfarrarchivs entdeckt. Von seelsorglichem Eifer Heinkes, persönlicher Bescheidenheit ohne Verbitterung über das harte Nachkriegsschicksal und beinahe kindlicher Dankbarkeit für freundliche Zuwendungen zu seinem 70. Geburtstag sprechen die Akten.

Treffpunkt für Künstler und Intellektuelle
Dabei war Artur Heinke ein Mann mit vielen Talenten. Dreißig Jahre wirkte er als Pfarrer in der Gegend, die zwar territorial zu Schlesien und damit zu Preußen gehörte, kirchlich aber Teil des Erzbistums Prag und damit böhmisch geprägt war. Hochgebildet, künstlerisch talentiert und naturwissenschaftlich interessiert, fand der in Breslau geborene Priester auch in der kleinen Dorfgemeinde ein reiches Tätigkeitsfeld. Das Pfarrhaus von Ebersdorf wurde in seiner Zeit Treffpunkt für Künstler und Intellektuelle aus einem großen Umkreis. Seine Bibliothek und die von ihm zusammengetragenen Sammlungen von Kunstwerken, Mineralien, Insekten und anderen Schätzen machten sein Heim zu einem Museum. Weit entfernt von wahllosem Anhäufen trug er hochwertige Kunstwerke in Original und Druck zusammen, katalogisierte, verwarf und setzte sie auch katechetisch ein. Sein Blick für die religiöse und Alltags-Kunst des Glatzer Landes trug ihm neben dem Titel eines Konsistorialrats die Beauftragung zum Diözesankonservator der Grafschaft ein. In enger Zusammenarbeit mit staatlichen Denkmalpflegern sorgte er für die Sicherung und Dokumentation der Kulturschätze der Region, über die er ein vielbeachtetes Buch herausgab.

Eine von Artur Heinke gemalte Kreuzwegstation in der Ebersdorfer Kirche.

Bei der Rettung verschiedener Kunstwerke ging er dabei durchaus kreativ vor. So bewahrte er etwa eine Reihe barocker Heiligenfiguren vor dem Herdfeuer der Köchin eines Mitbruders, indem er eine Ladung Brennholz gleichen Umfangs besorgte. Kunst spielte auch in seinem seelsorglichen Tun eine Rolle. Der schlesische Landeskonservator berichtete, dass er Heinkes komplette Gemeinde im Pfarrhaus angetroffen habe – als vom Pfarrer geschaffene Portraits. Nur wenige Priester dürften mit so vielen Gläubigen derart viele Stunden verbracht und sich in dieser Zeit sicher über Gott und die Welt unterhalten haben.
Als Autodidakt war der Maler Heinke vielen akademischen Malern verbunden und erhielt im engen Austausch Anregungen – etwa vom „schlesischen Madonnenmaler“ Paul Plontke, der in Berlin unter anderem das Altarmosaik von St. Clemens schuf.

Sammlung wurde nach Breslau gebracht
In Ebersdorf konnte die Gruppe aus dem Erzbistum Berlin nur den von ihm gemalten Kreuzweg bewundern. Heinkes komplette Sammlungen und seine Bibliothek hatten die polnischen Behörden – noch vor der Vertreibung des Seelsorgers – nach Breslau abtransportiert.
Die Seelsorger aus Deutschland nahmen Eindrücke einer geistlich geprägten Landschaft und eines Mitbruders mit nach Hause, den der Verlust seiner Schätze wie seiner Gemeinde nicht hinderte, in der märkischen Diaspora neu zu beginnen, als Hirte seiner kleinen Gemeinde und als Maler, nun mit Kiefern als Hintergrund.

Von Thomas Marin