Was passiert gerade bei der katholischen Frauengemeinschaft?

Ein Verband mit starken Momenten

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Viele Frauen stehen vor einer Grotte.
Nachweis

Foto: privat

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 165 Frauen kamen zu einem Pilgergang nach Geeste – dieses Angebot der katholischen Frauengemeinschaft hat viele offenbar angesprochen. Foto: privat

Über 90 000 Frauen haben die Katholische Frauengemeinschaft
Deutschlands (kfd) seit 2021 verlassen. Gabriele Joachimmeyer und Farina Dierker erklären, wie es im Bistum Osnabrück aussieht.

Stichwort Mitgliederschwund: Wie ist die Situation gerade im Bistum Osnabrück?

Dierker: Anfang dieses Jahres waren 32 678 Mitglieder gemeldet, im vergangenen Jahr noch 36 616. Das sind 10,75 Prozent weniger, im bundesweiten Vergleich ist das immer noch human.

 

Und wie sieht es konkret in den Gemeinden aus? 

Dierker: Im vergangenen Jahr haben sich leider 15 Ortsgruppen aufgelöst, das ist mehr als in den Jahren zuvor. Derzeit haben wir 185 Gruppen. Einer Auflösung geht oft ein längerer Prozess voraus – zum Beispiel, weil sich kein neues Leitungsteam findet. Aber selbst wenn sich eine Ortsgruppe auflöst: Als Einzelmitglied kann jede Frau in der kfd bleiben. 


Oft wird die Beitragserhöhung zum Januar 2024 als Grund genannt. Wie sehen Sie das?

Joachimmeyer: Das hat Diskussionen ausgelöst und mag für manche ein Anlass gewesen sein, die kfd zu verlassen. Die Reaktionen waren recht unterschiedlich: von Verärgerung über den hohen Sprung bis zu Verständnis für die gestiegenen Kosten. Wir reden von einem Jahresbeitrag in Höhe von 32 Euro statt 19,50 Euro. Aber für die kirchenpolitische Arbeit auf Bundesebene und die Arbeit vor Ort braucht es Materialien und Personal. Jede Ortsgruppe schafft aber Möglichkeiten für Frauen, für die der Beitrag zu viel ist. Die Gründe für einen Austritt liegen oft auch woanders.

eine Frau mit weißer Bluse
Gabriele Joachimmeyer

Welche Gründe meinen Sie?

Joachimmeyer: Sicher spielen die Frustration über die noch immer nicht erreichte Gleichberechtigung in der Kirche und der Vertrauensverlust eine wichtige Rolle. Das können viele Frauen nicht mehr aushalten. Aber es gibt auch andere Gründe wie den demografischen Wandel. Wir verlieren Mitglieder aus Altersgründen und die Lebenssituation der jüngeren Frauen hat sich verändert. Fast alle arbeiten, oft in Vollzeit. Da fehlt dann die Zeit. 
Dierker: Ehrenamtliches Engagement findet auch nicht mehr immer in der Kirche statt. Viele jüngere Menschen sind nicht mehr kirchlich gebunden, da fehlt der Bezug – letztlich auch zu kirchlicher Verbandsarbeit. Aber eine grundsätzliche Frustration ist in manchen Gesprächen schon spürbar. Wir haben Frauen, die aus der Kirche austreten – aber fragen, ob sie in der kfd bleiben können. Und das geht natürlich.


Das Wort „Frust“ haben Sie nun öfter benutzt ...

Joachimmeyer: Aber es ist wichtig, dass sich der Frust auf die Kirche nicht auf die kfd überträgt. Das wäre eher ein Grund, in die kfd einzutreten, weil die sich für die Gleichberechtigung in Kirche und Gesellschaft, für Vielfalt, Offenheit und Toleranz starkmacht. Da können wir was erreichen. 
Manchmal gibt es den Vorwurf, zwischen der Arbeit vor Ort und der Bundesebene sei die Diskrepanz zu groß …
Joachimmeyer: Es muss ein Gleichgewicht geben zwischen der Lebenswirklichkeit vor Ort und der kirchenpolitischen Arbeit im Bundesverband. Wir brauchen Verständnis für beide Positionen und für beide Perspektiven. 


Stimmen die Veranstaltungsformen der kfd noch?

Joachimmeyer: Wir ermutigen die Teams zu schauen: Passt unser Angebot noch, können wir das noch leisten? Es ist nicht immer richtig, an lange gepflegten Konzepten festzuhalten. Da braucht es den Mut, sich ehrlich zu fragen: Warum kommen so wenig Leute? Umgekehrt müssen die Mitglieder aber auch dem Team die Chance einräumen, Vorstandsarbeit neu zu denken.
Dierker: Es ist sicher ein entscheidender Moment, an manchen Stellen etwas Neues auszuprobieren – aber ohne dabei zu signalisieren, das Frühere war nicht gut. Die Wertschätzung für die Ehrenamtlichen, die sich oft über Jahre engagieren, muss bleiben. 

Eine Frau mit blonden Haaren
  Farina Dierker


Was bedeuten die Entwicklungen für die Diözesanebene? 

Dierker: Wir wollen künftig die Gruppen und Vorstandsteams noch mehr darin unterstützen, wenn sie neue Impulse brauchen. Daher starten wir im Frühjahr ein Innovationstraining. Bis Ende Februar können sich die Vorstandsteams dafür bewerben. Wir werden einige auswählen und diese dann ein Jahr lang begleiten (siehe auch im Kasten „Zur Sache“).  
Joachimmeyer: Grundsätzlich bietet der Diözesanvorstand Hilfe an, falls sich in einer Ortsgruppe Probleme abzeichnen. Dann aber bitte frühzeitig melden und nicht fünf Minuten vor Zwölf. 


Was würde fehlen, wenn es die kfd vor Ort nicht mehr gibt?

Joachimmeyer: Die kfd schafft auf unterschiedliche Weise Gemeinschaft. Viele Dinge würden wegbrechen, wenn es diese Strukturen nicht mehr gibt. Das sind die Seniorenarbeit und generationsübergreifende Angebote, das reicht von Geburtstagsbesuchen bis zum Weltgebetstag, vom Karneval bis zum Kreuzweg. Und es gibt stille Angebote wie die Grabstellen für zu früh verstorbene Kinder. Da geht die Initiative oft von der kfd aus, das sind für mich ganz starke Momente. 
Dierker: Wenn ich an die Bundesebene denke – ohne kfd würde eine wichtige Stimme fehlen, damit die Frauen in der männerdominierten Kirche gehört werden. Nach wie vor sind wir mit 265 000 Mitgliedern der größte Frauenverband. 


Sie bleiben trotz aller Probleme durchaus zuversichtlich?

Joachimmeyer: Es gibt so viele positive Beispiele. Wir haben tolle Ortsgruppen, die eine wunderbare Arbeit machen – und weitermachen wollen. Ich denke an Andervenne, die kurz vor der Auflösung stand. In der Mitgliederversammlung sind Frauen aufgestanden und haben gesagt: Wir wollen nicht aufgeben. Dann hat sich ein neues Vorstandsteam gefunden. Da war eine große Energie spürbar, ein schöner Moment der Zuversicht. 
Ich denke auch an den christlichen Maigang in Geeste, den der Regionalvorstand der kfd Emsland-Mitte mit dem Ortsvorstand vorbereitet hat. Da kamen 165 Frauen zusammen, das ist doch klasse!

 

Petra Diek-Münchow