Katholische Akademie Berlin möchte Internet-Umgangsformen ändern

Eine Frage des Anstandes

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Immer häufiger eskalieren Diskussionen im Internet und enden in wüsten Beschimpfungen oder hasserfüllten Kommentaren. Die Katholische Akademie Berlin bemüht sich daher mit einem Projekt um eine Veränderung der Umgangsformen.

Hasskommentare und Hass-Sprache (Hatespeech) im Internet sind nur der hässliche Gipfel eines alltäglichen Mangels an Respekt und Anstand im Umgang miteinander. Reizbarkeit und Gleichgültigkeit prägen vielfach die öffentliche Stimmung und bereiten den Boden für Entgleisungen. Während über eine Verschärfung von Recht und Kontrolle nachgedacht werden muss, geht es der Katholischen Akademie Berlin um die mindestens ebenso notwendige Veränderung von Haltung und Umgangsformen.
Aus diesem Bemühen heraus entstand in Zusammenarbeit mit dem Kulturbüro der Evangelischen Kirche Deutschlands das Projekt „#anstanddigital“. Es wird gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Monika Grütters MdB.
Elf Fragen – die von Max Frisch und Marcel Proust berühmten Fragebogen inspiriert sind – sollen hier helfen, diese Aufgabe besser zu verstehen. Zahlreiche bekannte Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft haben den Fragebogen bereits ausgefüllt. Hier wurden die Fragen von Abt Jeremias Schröder, Benediktiner-Erzabtei St. Ottilien, beantwortet:

Sind gute oder schlechte Umgangsformen im Internet ansteckend, und woran könnte man das merken?

Umgangsformen sind immer ansteckend. Im Internet fördern das die blasenbildenden Algorithmen, die eigene Vorlieben verstärken.

Wer ist ihre Lieblingsgestalt in der digitalen Welt, wenn Sie an gute Umgangsformen und Höflichkeit denken?

Mir gefällt der Podcast-Stil von Gabor Steingart. Sein Abschiedsgruß „Bleiben Sie mir gewogen!“ lässt mich jeden Morgen auf eine passable Zukunft hoffen.

Wann haben Sie sich zum ersten Mal in einem sozialen Netzwerk angegriffen oder verletzt gefühlt? Und was haben Sie dagegen getan?

Auf dem Blog eines katholischen Kulturkriegers wurde ich vor ein paar Jahren sehr unflätig beschimpft. Erstreaktion: Achselzucken. Und: verhaltene Schadenfreude, als andere Kommentatoren – in höflicher Weise! – den Geisteszustand des Autors anzweifelten.

Wen möchten Sie nur in der digitalen, aber nicht in der analogen Welt kennenlernen?

Niemand. Eine echte Begegnung mit allen Sinnen würde ich immer vorziehen. (Oder sagen wir: fast immer! Langatmige Zeitverschwender kriegt man leichter aus der Leitung als aus dem Büro.)

Was ist für Sie das größte digitale Unglück?

Sarkastische Privatmails, die versehentlich über den großen Verteiler laufen.

Wann haben Sie sich das letzte Mal beim Surfen geschämt?

Gestern. Also fast täglich, nämlich immer, wenn ich auf Klickköder hereinfalle und mich seitenweise durch Belanglosigkeiten durchklicke, die eine sehr unerleuchtete Neugier befriedigen.

Halten Sie Beschämung für ein gutes Mittel der Disziplinierung im Internet? Oder kennen Sie eine Alternative?

Ich halte vor allem Nicht-Beachtung für ein gutes Mittel der Disziplinierung im Internet. Wo das versagt, hilft Bloß-Stellen. Das Ende von Kreuz-Net war dafür ein schönes Beispiel, nur leider nicht von Katholiken organisiert, sondern von Schwulen-Aktivisten.

Würde es Ihnen im Internet leichter fallen zu lügen?

Nein! Allerdings – bei Video-Konferenzen verwende ich oft einen geschönten Hintergrund.

„Hassen Sie leichter ein Kollektiv oder eine bestimmte Person und hassen Sie lieber allein oder in einem Kollektiv?“ (Max Frisch)

„Ich hasse niemand. Ich wurde in einem katholischen Haus erzogen. Wir hassen niemand. Niemand auf auf der ganzen Welt.“ (Nancy Pelosi)

Welche Fehler entschuldigen Sie im Internet am ehesten?

Sarkastische E-Mails, die versehentlich über den großen Verteiler laufen.

Was würden Sie als erstes tun, wenn man Sie zum globalen Allein-Administrator ernennen würde?

Ich würde dieses totalitäre Amt durch vorsätzliche Inkompetenz konsequent sabotieren.

P.S.

Zur Internet-Aszese gehört, wenigstens zehn Prozent der Nachrichten aus Quellen zu beziehen, die der eigenen Blase fern stehen. Das fördert auch den Anstand.

Die Initiatoren des Projekts rufen auf, sich an der Aktion zu beteiligen und die Fragen zu beantworten: www.anstanddigital.de