Buch über Eichsfelder Waffendienstverweigerer

Eine Frage des Gewissens

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In der DDR trafen manche christliche Männer die Entscheidung, den Dienst mit der Waffe zu verweigern. Oft blieben sie in ihren Gemeinden allein. Felix Tasch beleuchtet in seinem Buch die Situation der Eichsfelder.

Zwei Bausoldaten auf dem Titel des Buches von Felix Tasch, das bei Mecke Duderstadt erschien. | Foto: Privat

„Zwei Motivationen haben mich bewegt. Zum einen wollte ich die Leute selbst zu Wort kommen lassen, ihr Schicksal weitererzählen und zum anderen ging es mir um die wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas.“ So Felix Tasch, der Autor des kürzlich erschienen Buches „Eichsfelder Waffendienstverweigerer – Bausoldaten und katholische Kirche im Eichsfeld. Gemeinsames Friedenszeugnis oder einsame Gewissensentscheidung?“ Um es vor weg zu nehmen, ein gemeinsames Zeugnis hat es nicht gegeben. Mit Blick auf die Jugendweihe war man sich mit Unterstützung der Katholischen Kirche einig, dass sie nicht zum christlich geprägten Leben passt. Doch beim Thema Wehrdienst war es im Eichsfeld nicht anders als anderswo, nur etwa ein Prozent verweigerten den Dienst mit der Waffe. Wurden beispielsweise in einem Jahrgang etwa 300 junge Männer aus dem Kreis Worbis eingezogen, so gab es unter ihnen nur drei angehende Bausoldaten. „Sie kamen meist aus den Dörfern und erfuhren erst in ihrem Dienst, dass sie nicht alleine sind, dass viele andere sich die Gewissensfragen ebenso stellten.“

 
Zeitzeugen gaben Antworten
Der Bausoldatendienst teilt sich in drei Phasen ein. Zu Beginn in den 60er Jahren war der Dienst sehr hart, in der Mitte (70er Jahre) wurden die Bausoldaten mit leichten Aufgaben wie Hausmeisterdiensten betraut. Hart waren die 80er Jahre in denen die jungen Männer in die Industrie oder den Bergbau gesteckt wurden. Der Vater von Felix Tasch war von 1985 bis 1987 selbst Bausoldat. Seine Berichte – Tasch nennt sie Abenteuergeschichten – waren ein erster Auslöser, sich mit der Thematik näher zu beschäftigen. Schließlich wählte Felix Tasch die Bausoldaten für seine Abschlussarbeit des Studiums der Volkskunde und Kulturgeschichte 2015 an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Dafür wurden unter anderem eine Reihe von Zeitzeugen befragt. Beispielsweise: Was war ihre Motivation, wie hat ihre Entscheidung das weitere Leben in der DDR geprägt.
Zu den Befragten gehört Winfried Lang, Jahrgang 1951. Seine Motivation, den Dienst mit der Waffe zu verweigern, lag unter anderem in den Erlebnissen seines Vaters im NS-Staat und zum anderen in seiner eigenen Wahrnehmung all dessen, was in der Welt passiert. „Zum Beispiel über die Protestbewegungen der Schwarzen in Amerika.“ Winfried Lang las Bücher über Martin Luther King, Mahatma Gandhi oder Albert Schweitzer, alle drei Verfechter der Gewaltfreiheit. „Da bin ich das erste Mal so auf die Spur gekommen: ,Ehrfurcht vor dem Leben‘, was ja bei Albert Schweitzer so der zentrale Gedanke ist. Das waren also so verschiedene Quellen, aus denen sich die Entscheidung speiste, den Waffendienst zu verweigern.“
Im November 1976 wurde Lang nach Zeithain bei Riesa eingezogen, wo es zwei große Kompanien von Bausoldaten gab. Zwei Wochen „Grundausbildung“ – zum Teil unter demütigenden Bedingungen und mit Politunterweisung – standen am Anfang. Einen Eid mussten Bausoldaten nicht ableisten, jedoch ein Gelöbnis mit dem Inhalt, dem Staat DDR treu zu dienen. Danach wurden die „Neuen“ republikweit in verschiedene Kasernen verteilt.
 
Versuch, Glaubensleben zu behindern
Winfried Lang kam nach Königswusterhausen, südlich von Berlin gelegen. Hier machte er die Erfahrung, dass alles versucht wurde, um jegliches Glaubensleben unmöglich zu machen. „Bei Feststellung solcher Handlungen drohten entsprechende Strafen. Da wurde uns massiv gedroht. Also haben wir uns die erste Zeit immer heimlich getroffen, einmal die Woche, zur Bibellesung und einer kleinen gottesdienstlichen Feier. Das taten wir im großen Heizhaus.“ Schließlich wurde den Bausoldaten nach einer Eingabe beim Politbüro der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands – staatstragende Partei der DDR) Feiern des Gottesdienstes im Objekt – „wenn wir andere nicht stören“ – gestattet.
Weiter gibt Felix Tasch Einblicke in das Verhältnis der Katholischen Kirche und der DDR. Wobei sich die Kirche nicht als „Landeskirche“ sondern als Weltkirche in einem Land verstand. Es entstand die Strategie des „Überwinterns“ und des Rückzugs. 1953 forderten die Bischöfe dazu auf, das Leid still zu ertragen, berufliche Nachteile in Kauf zu nehmen und auf das Ende der Diktatur zu hoffen. Dies, so Tasch, änderte sich erst in den 80er Jahren. Bischöfe wie Joachim Meisner oder Joachim Wanke hatten ihre priesterliche Ausbildung in der DDR erfahren, schon daher sei ihnen der Begriff des Überwinterns fremd geblieben. „Zudem fühlten sie sich dem Kirchenverständnis Hugo Aufderbecks und dessen Pastoralentwürfen, von Religiösen Kinderwochen bis zum priesterlosen Gottesdienst, verpflichtet.“

Das Buch kann für 19.90 Euro in der Heimatstube Küllstedt –  Bei der Kirche 9 – in 37359 Küllstedt erworben werden. Telefon: 03 60 75 / 5 67 77.
 
Von Holger Jakobi