50. Theologische Studienwoche des Ansgar-Werks

Eine Minderheit mit großer Strahlkraft

Fahnen aus fünf nordischen Ländern

Foto: Anja Sabel

Katholiken der nordischen Diaspora trafen sich zur 50. theologischen Studienwoche in Haus Ohrbeck und wurden in ihren Landessprachen begrüßt. Foto: Anja Sabel

Zum 50. Mal kamen katholische Christen aus Nordeuropa zu einer theologischen Studienwoche des Ansgar-Werks der Bistümer Osnabrück und Hamburg zusammen. In ihren Ländern sind sie in der Minderheit und müssen oft weite Wege zu Katechese und Gottesdienst zurücklegen. Prominenter Gast zur Jubiläumsveranstaltung war Kardinal Kurt Koch aus Rom.

An Ansgars Grab im Bremer St.-Petri-Dom klicken die Fotokameras. Es braucht schon den Hinweis des Domführers, um das Grab unter einer der Kirchenbänke zu entdecken. Die schlichte Steinplatte befindet sich ziemlich genau dort, wo bei Grabungsarbeiten die Gebeine des Heiligen gefunden wurden. 

Bremen und Skandinavien, erfährt die Besuchergruppe aus Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland und Island, verbindet eine lange Geschichte. Schon im Frühmittelalter wurde Bremen zur Drehscheibe des kulturellen Austausches – als Erzbistum mit päpstlichem Missionsauftrag für den Norden. Damals wusste man kaum etwas über den rauen Norden, und Skandinavien begann langsam, sich dem christlichen Europa anzunähern. 

Eine wichtige Rolle spielte Ansgar (801 bis 865). Kaiser Ludwig der Fromme schickte den Mönch als Missionar auf Reisen. Vor der schwedischen Ostseeküste überfielen Wikinger das Handelsschiff, auf dem Ansgar mitreiste. Mit einem Sprung ins Wasser rettete er sein Leben. Er kam heil an Land, durfte in Birka predigen, taufen und eine Kirche bauen. Später wurde er sogar Erzbischof von Bremen-Hamburg und berühmt als „Apostel des Nordens“. 

Was mich bewegt ist, dass wir sehr wenig bewirken können.

Der Blick zurück ist wichtig, um über die „Sendung der Kirche in die Welt von heute und morgen“ nachdenken zu können – so lautet das Thema der 50. theologischen Studienwoche in Haus Ohrbeck bei Osnabrück. Das Ansgar-Werk der Bistümer Osnabrück und Hamburg hat wieder Katholiken aus der Diaspora Nordeuropas zu Vorträgen, Bibelauslegungen und zum Austausch eingeladen. In Kooperation mit dem Ansgar-Werk werden die Inhalte der Tagung von Haus Ohrbeck geplant und von Bruder Andreas Brands und Pater Franz Richardt getragen.

Wo steht die Kirche im Norden heute? Pfarrer Antonius Sohler aus Tromsö berichtet von „einer Zeit grundlegender Veränderungen“: In Norwegen sei man schon immer abhängig gewesen von Priestern und Ordensschwestern aus dem Ausland. Schon seit Jahren mache sich der starke Rückgang von Missionsgemeinschaften (Orden) bemerkbar, und auch die Priesterberufungen im eigenen Land seien überschaubar, deshalb „müssen wir mehr Laien in der Pastoral ausbilden“. 

nordische Katholiken
Auf den Spuren des heiligen Ansgar: Katholiken aus Dänemark, Island, Norwegen, Schweden und Finnland vor dem Bremer St.-Petri-Dom. Dort befindet sich das Grab des Missionsbischofs Ansgar. Foto: Anja Sabel

Ähnlich sieht es in Dänemark aus. Hinzu kommt eine besondere Situation: „80 Prozent unserer Katholiken sind Zuwanderer“, sagt Niels Engelbrecht, Generalvikar in Kopenhagen. Eine Migrantenkirche, die wächst und in ihrer Vielfalt auch eine Herausforderung ist. Engelbrecht wünscht sich für die Minderheitskirche im Norden, dass sie in der Gesellschaft sichtbarerer wird, um missionarisch wirken zu können. „Was mich bewegt ist, dass wir sehr wenig bewirken können“, sagt er nachdenklich. Er lobt die ökumenische Zusammenarbeit und erzählt eine Geschichte, wie sie wohl nur in der nordischen Diaspora vorkommt: „Katholische Kinder werden manchmal auch evangelisch konfirmiert, weil das sozusagen auf dem Stundenplan der Schulen steht. Und danach werden sie katholisch gefirmt.“

Anna-Katarina Schatzl, Katholikin aus Stockholm, erzählt vom Kirchenkaffee nach dem Gottesdienst, dem sogenannten „achten Sakrament“: Man trifft sich und redet miteinander – „ein gutes Integrationsbeispiel“. Ein weiteres Angebot seien Sprachcafés, in denen zugewanderte Katholiken ihr Schwedisch verbessern können. Schatzl findet es wichtig, dass die Ortskirchen glaubwürdig sind, vor allem für Kinder und Jugendliche, zudem offen, gastfreundlich – und dass sie der Polarisierung in der Gesellschaft etwas entgegensetzen. 

Kurienkardinal Kurt Koch, Leiter des „Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen“ in Rom (Dikasterien sind vatikanische Ministerien), ist prominenter Gast der 50. Studienwoche. Er hört sich die Statements an und macht Mut, dass auch „die Saat eines kleinen Korns aufgeht“. Vor allem die vielen Konvertiten in den nordischen Ländern – evangelische Christen, Atheisten, Muslime – beeindrucken ihn. „Sie könnten uns mit ihrer Motivation helfen“, sagt er und fragt nach Erfahrungen. Die liefert Sigurd Sverre Stangeland, gebürtiger Norweger und Priester in Dänemark. Er unterrichtet Konvertiten. „Die meisten erzählen von einer Begegnung mit Jesus und dem Gefühl, endlich nach Hause zu kommen“, sagt er. Es sei aber auch wichtig, „den Heimkommenden eine Aufgabe in den Gemeinden zu geben, sonst sind sie wieder weg“, ergänzt Gunther Jäger, Priester in der Prälatur Tromsö. 

Messe mit Kardinal Kurt Koch
Kardinal Kurt Koch, "Ökumene-Minister" des Vatikans, feierte in Holzhausen-Ohrbeck eine Dankmesse zu Ehren des heiligen Ansgar. Foto: Bistum Osnabrück/Thomas Arzner

In einem Dankgottesdienst predigt Kardinal Koch, der „Ökumene-Minister“, über den „unermüdlichen Missionsbischof Ansgar“. Entscheidend für die Mission seien Christen, die dem Glauben ein persönliches Gesicht geben, sagt er. Der heilige Ansgar sei ein solcher Mensch gewesen. Koch ermutigt zur Freude am Glauben, egal an welchem Ort und über welche Entfernungen. Später, in einem öffentlichen Abendvortrag, hebt er die Situation der multikulturellen Gemeinden in Skandinavien hervor und unterstreicht die große Vitalität und Strahlkraft auch kleiner und kleinster Gemeinden, die dort weite Wirklichkeit sind und auf die wir in Deutschland vermutlich zusteuern. Die Erfahrungen der Gläubigen in Skandinavien, sagt er, könnten für uns zur Gabe werden, Gemeinde vor Ort zu gestalten und aus Leidenschaft für Gott zu handeln.

2150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in 50 Jahren

Die Ortskirchen in Nordeuropa wachsen – in Deutschland nimmt die Zahl der Kirchenmitglieder immer weiter ab. Der sexuelle Missbrauch habe zu einem gewaltigen Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust in der Kirche geführt und letztendlich den Synodalen Weg in Deutschland angestoßen, sagte der Hamburger Erzbischof Stefan Heße in einem Gespräch mit den Studienwochenteilnehmern. Die Aufarbeitung sei noch lange nicht am Ende. Zudem „werden wir mit weniger finanziellen Mitteln auskommen müssen; wir haben Strukturen, die zu groß geworden sind für unsere Gemeinden“. Das sorge für Ängste und Unsicherheit, es brauche deshalb eine gute geistliche Grundlage. „Wir müssen uns spirituell tief verwurzeln, um Veränderungen zu gestalten und nicht unterzugehen.“ 

Erzbischof Heße
Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße. Foto: Anja Sabel

Über den Synodalen Weg und die Frage, ob der sexuelle Missbrauch in der Kirche ein strukturelles Problem ist, wird in der Runde kontrovers diskutiert. Hier gibt es in den Ländern Skandinaviens und Deutschland unterschiedliche Auffassungen. Es geht darum, Unterschiede zu respektieren und im Gespräch Verständnis füreinander zu suchen und zu finden. 

Rund 2150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gab es in 50 Studienwochen. Und das Konzept ist nach wie vor erfolgreich: Priester, Ordensleute und Laien aus der extremen Diaspora bilden sich theologisch weiter, setzen sich intensiv mit Bibeltexten auseinander und tauschen sich aus. Pater Franz sagt: „Wir säen – welche Saat aufgeht, liegt nicht in unserer Hand.“

Anja Sabel