War Erzbischof Heße an der Vertuschung von Missbrauchsfällen beteiligt?
Eine Notiz, die Fragen aufwirft
Hat der Hamburger Erzbischof Stefan Heße in seiner früheren Funktion als Personalreferent und Generalvikar im Erzbistum Köln Missbrauchsfälle vertuscht? Mehrere Medienberichte legen dies nahe, Heße bestreitet das.
In der Sache geht es unter anderem um einen Priester, der vor etwa zehn Jahren drei seiner Nichten im Kindesalter missbraucht hat und der erst jetzt vom Landgericht Köln angeklagt wird.
Der Vorfall war im Generalvikariat des Erbistums Köln seit einem Jahrzehnt bekannt, es gab darüber jedoch keine Akten. Diese wurden offenbar bewusst nicht angelegt, was ein Vermerk aus dem Jahre 2010 belegt, den „BILD“ jetzt veröffentlicht hat: „Aus einer Gesprächsnotiz über ein Telefongespräch geht hervor, dass Pfarrer U. im Generalvikariat alles erzählt hatte. Es sollte über dieses Gespräch jedoch bewusst kein Protokoll angefertigt werden, weil befürchtet wurde, dass dies dann beschlagnahmefähig wäre. Aus diesem Grund sollten nur handschriftliche Notizen existieren, die notfalls vernichtet werden könnten. Herr Prälat Dr. Heße gibt zu diesem Vorgehen sein Einverständnis“.
Er schließe aus, dass er einem solchen Vorgehen zugestimmt habe, erklärte Heße, der damals Personalreferent im Erzbistum Köln war, zunächst gegenüber der Boulevardzeitung. In einer weiteren Berichterstattung räumte der Erzbischof allerdings ein, dass er auf einer Kopie des Vermerks sein Namenskürzel erkenne.
Es handele sich um eine Telefonnotiz seiner Sekretärin, erklärte Heße in der vergangenen Woche bei einer Veranstaltung in Rostock. „Es ist also nicht etwas, was ich gesagt habe, auch nicht etwas, was mir gesagt wurde, sondern etwas, das aufgeschrieben worden und mir vorgelegt worden ist, und das wirft einige Fragen auf.“
Der Vorgang müsse nun im Einzelnen aufgeklärt werden. Dazu brauche es auch andere, die sagten, was sie diktiert und geschrieben hätten und was sie damit gemeint hätten. „Ich kann nur sagen: Ich habe mich bemüht, diese Aufklärung voranzutreiben“, so der Erzbischof.
Konflikt mit dem Erzbistum Köln
Seit längerer Zeit schwelt ein Streit zwischen Heße und seinem Heimatbistum Köln. Das Erzbistum Köln hat eine Studie zu sexuellem Missbrauch durch Kleriker anfertigen lassen, die bereits im Frühjahr dieses Jahres veröffentlicht werden sollte. Offenbar nicht zuletzt auf Intervention von Erzbischof Heße liegt sie aber bis heute auf Eis.
Die Zeit-Beilage „Christ & Welt“ zitiert aus einer juristischen Stellungnahme des Erzbistums Hamburg vom 27. Mai. Demnach bescheinigt die Münchner Studie dem Kölner Erzbistum „regelmäßig wiederkehrende, durchgängig festzustellende Mängel in der Sachbehandlung von Missbrauchsfällen“, die auf einer „indifferenten, von fehlendem Problembewusstsein geprägten Haltung des Dr. Heße gegenüber Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Kleriker“ basieren sollen.
Heße, der sich stets dafür ausgesprochen hatte, Verantwortlichkeiten klar zu benennen, widerspricht dieser Pauschalbeschuldigung. Nach Durchsicht der Kölner Akten, die ihm erst im April und nach mehrmaligem Drängen zur Verfügung gestellt worden seien, habe er gute Argumente gegen diesen Befund: „Ich habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, um jedem Fall gerecht zu werden.“ „Ich persönlich nehme für mich in Anspruch, dass ich meine Verantwortung wahrgenommen und nichts vertuscht habe“, so der Erzbischof weiter. „Ich habe immer hin- und nicht weggeschaut.“
Matthias Bode