Fünf Delegierte aus der Region Ost berichten

Eine turbulente Synodalversammlung

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Mit einer Serie von Reformbeschlüssen ist die vierte Vollversammlung des Synodalen Wegs in Frankfurt zu Ende gegangen. Fünf Delegierte aus dem Verbreitungsgebiet des TAG DES HERRN berichten vom Auf und Ab der turbulenten Sitzung.

Blick in den Sitzungssaal der vierten Synodalversammlung in Frankfurt.    Foto: kna/Julia Steinbrecht

 

Und sie bewegt sich doch! Mit dieser festen Überzeugung bin ich nach einer synodalen Achterbahnfahrt aus Frankfurt zurück nach Berlin gefahren. Zwischenzeitlich allerdings sah es eher nach einem Absturz aus. Nicht, weil ein Text nicht die nötige Anzahl der Stimmen bekommen hat – auch wenn das allein schon ein harter Schlag sein kann bei zentralen Texten wie diesem Grundlagentext zum großen Thema Partnerschaft und Sexualität. Aber das ist Teil von Synodalität, da wird entworfen, gerungen – und verabschiedet, manchmal aber auch verworfen. Was die Situation in diesem Fall besonders schlimm gemacht hat: Es war in der Debatte vorher an keiner Stelle zu spüren, dass es von bischöflicher Seite aus so viele Vorbehalte gab. Stattdessen kam das Machtwort mit dem (anonymen) Abstimmungsknopf. Für viele Synodalen unfassbar: Tränen, Wut und Sprachlosigkeit im großen Saal der Synode. Verletzungen, die nicht narbenlos verheilen werden.
Neuer Morgen, andere Texte, nächster Anlauf: mehr Wortmeldungen, mehr Offenheit – vielleicht sind manche wach geworden. Wichtige Dokumente werden verabschiedet, auch wenn die Schritte klein sind. Siebenmeilenstiefel funktionieren nicht für die katholische Kirche. Vertrauen muss erst langsam wieder wachsen: der Synodalen untereinander einerseits und der vielen enttäuschten und verletzten Katholiken in die Kirche andererseits. Aber es gibt für mich die grundlegende Erfahrung, dass sich die Kirche doch bewegen, doch verändern lässt. Ein Nein einiger Bischöfe kann das nicht ändern. Der Geist weht, wo er will!
Claudia Nothelle, Berlin
 

Nach Frankfurt bin ich mit gemischten Gefühlen gefahren. In meinem Bistum gibt es Priester und Gläubige, die sich grundsätzlich ablehnend äußern, was den Synodalen Weg angeht. Es gibt Menschen, die für eine Erneuerung der katholischen Kirche sind, aber keine großen Hoffnungen haben, dass sich etwas bewegt. Und es gibt viele, vor allem jüngere Katholiken, die sagen: Was gibt es da noch zu diskutieren. Das sind alles selbstverständliche Dinge. Ich selbst bin in manchen Momenten wenig zuversichtlich, dass es eine wirkliche Erneuerung der ganzen Kirche geben kann oder denke zumindest, dass sie viel zu lange dauert.
Ein solcher Moment war am ersten Abend in Frankfurt. Die Ablehnung des Grundtextes zur Sexualmoral durch eine Sperrminorität von Bischöfen hat mich nicht nur wegen der Entscheidung selbst erschüttert, sondern durch die Art, wie sie zustande kam. Die Neinsager sind der Diskussion gefolgt, haben aber nicht kenntlich gemacht, wie sie denken – bis zur Schlussabstimmung. So war eine Änderung des Textes oder eine fruchtbare Beratung nicht mehr möglich. Das ist ein Umgang mit Macht nach alter Prägung, der mich fassungslos gemacht hat, auch weil die Haltung der Kirche gerade in diesem Bereich viele Menschen verletzt hat und verletzt. Der nächste Tag hat Gott sei Dank gezeigt, dass eine offene Diskussion auch mit der skeptischen Minderheit respektvoll und mit greifbaren Ergebnissen möglich ist.
Das macht Hoffnung, dass der Heilige Geist die Kirche noch nicht verlassen hat.
Pfarrer Daniel Laske, Spremberg
 

Diese Versammlung hat uns einige Mechanismen vor Augen geführt, auf die bereits die Missbrauchsstudien mehrerer Bistümer hingewiesen haben. Wir haben erlebt, dass einige Bischöfe nicht mit offenem Visier in Debatten gehen, dass sie nicht auf Augenhöhe mit den Laien arbeiten und sich nicht auf Prozesse einlassen, auf die man sich zuvor geeinigt hatte. Das Schlimme war ja nicht, dass sie mit Nein gestimmt haben, sondern dass sie vorher nicht erkennen ließen, dass das Papier ihnen Bauchschmerzen bereitet. Für Nachverhandlungen war es somit zu spät. Bezeichnend war eine Äußerung von Johannes Norpoth aus dem Betroffenenbeirat der Bischofskonferenz: „Willkommen in der Welt der Betroffenen!“ Vielleicht ist es gut, dass es diesmal eine Gruppe von Laien getroffen hat, die mehr Gewicht hat. Sie konnte den Bischöfen spiegeln, was da passiert. Das hat dazu geführt, dass die Versammlung besser weiterging und dass alle folgenden Abstimmungen, wie es laut Geschäftsordnung möglich ist, namentlich stattfanden. Interessant fand ich, dass die Zustimmung der Bischöfe höher war, nachdem klar war, dass sie nach einer namentlichen Stimmabgabe Rechenschaft geben müssen, nicht nur dem Papst und den vatikanischen Behörden, sondern auch den Gläubigen gegenüber.
Euphorie kam nicht auf, als während der Versammlung weitere Texte durchgingen, an denen ich mitgearbeitet hatte. Dafür war das zuvor Geschehene zu gravierend. Mein Gefühl ist eher „nüchterne Erleichterung“. Mir ist bewusst, dass eine große Aufgabe noch vor uns liegt.
Juliane Eckstein, Dresden
 

Für mich war es ein „Wechselbad der Gefühle“, vom unerwarteten Fiasko am Anfang der Versammlung und der Gefahr, dass alles scheitert, über nervenaufreibende Sitzungsverläufe bis zu einem doch noch einigermaßen positiven Ausgang mit wegweisenden Beschlüssen. Auch wenn der Grundtext „Leben in gelingenden Beziehungen – Grundlinien einer erneuerten Sexualethik“ formal am Stimmverhalten einiger Bischöfe gescheitert ist, wird er doch von den meisten Synodalen – darunter auch 33 anwesenden Bischöfen – geteilt und nachhaltig weiterwirken. Ich selbst halte Veränderungen in der offiziellen Sexuallehre unserer Kirche für überfällig und habe dem theologisch wie humanwissenschaftlich soliden Text zugestimmt.

Erfreut war ich, dass der sehr differenzierte Grundtext „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“ und einige Handlungstexte wie der zur Neubewertung der Homosexualität dann eine deutliche Mehrheit gefunden haben.
Da fast alles sehr existenziell war und zudem ein großer Druck herrschte, ging es auch recht emotional und moralisierend zu. Dennoch ist es weithin gelungen, das auszuhalten und aufeinander zu hören. Es war und bleibt ein mühsamer, aber notwendiger Lernprozess, sich in Synodalität einzuüben.
Dass sich die konkreten Vorstellungen mancher Handlungstexte hinsichtlich haupt- wie ehrenamtlichen und finanziellen Einsatzes in unseren ostdeutschen Bistümern verwirklichen lassen, wage ich freilich zu bezweifeln. Das würde uns maßlos überfordern und muss noch modifiziert werden.
Bischof Gerhard Feige, Magdeburg
 

Die Lesung aus dem Paulusbrief, die ich in der heutigen Werktagsmesse (13. September) hörte, ist ein gutes Motto für den weiteren Synodalen Weg: Ertragt einander in Liebe!
Der Donnerstag war ein harter Schlag ins Kontor. Für mich haben die Bischöfe, die den Diskurs im Plenum verweigert und dann mit Nein gestimmt haben, damit zum Ausdruck gebracht: Lasst all die Menschen doch gehen, die gerade die Kirche verlassen! Im weiteren Verlauf der Versammlung haben viele Laien ihnen signalisiert: Sie dürfen nicht nur erwarten, dass wir bei Ihnen bleiben. Sie müssen auch bei uns bleiben.
Ein Hoffnungszeichen war für mich, dass es einen Synodalen Rat geben wird, der den gemeinschaftlichen Weg weiterführen wird, damit es den Dokumenten des Synodalen Wegs nicht so geht wie all den guten Papieren, die bei den Synoden in Würzburg und Dresden entstanden sind.
Manche Veränderungen lassen sich nicht mehr aufhalten, allen voran der Weg der Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche. Formal wird das als Anfrage nach Rom weitergeleitet. Selbst wenn sich dort jetzt noch nichts bewegen wird, gibt es doch eine Reihe von deutschen Bischöfen, die – im Rahmen der Regeln, die uns gegeben sind – in ihren Bistümern Veränderungen vornehmen werden. Ähnliches gilt auch für das Papier zur Sexualmoral, auch wenn es die Zweidrittelmehrheit der Bischöfe verfehlt hat.
Nach dem misslichen Beginn dieser Versammlung ist etwas in Bewegung geraten. Darauf liegt Segen. Ich sehe die große Chance, dass wir bald nicht mehr als ein Haufen weißhaariger alter Männer wahrgenommen werden, die sich nicht bewegen wollen, sondern als eine lebendige Kirche.
Thomas Kretschmer, Mühlhausen