Skulpturen in Mühlhausen zu sehen

Einladender Jesus

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Skulpturen des Künstlers Walter Green sind noch bis Karfreitag in Mühlhausen zu sehen. Die Besucher sind nicht nur eingeladen, die Figuren zu betrachten, sondern sie auch zu berühren, um sich selbst dadurch berühren zu lassen.

„Kommt alle zu mir …“: Während der Fastenzeit lädt eine Skulpturenschau in „St. Josef“ in Mühlhausen zum Besuch ein.    Foto: Reiner Schmalzl

 

In einer Zeit, in der auf unnötige Kontakte verzichtet werden sollte, sind direkte Begegnungen mit starren und etwas fragwürdigen Gästen in der katholischen Pfarrkirche „St. Josef“ in der Waidstraße in Mühlhausen jedoch ausdrücklich erwünscht. Denn in deren lichtdurchflutetem großen Altarraum lenken seit Aschermittwoch sechs seltsame wirkende und vom Zahn der Zeit gezeichnete Eichenbalken die Blicke der Gläubigen und anderer Besucher auf sich.
Vier Skulpturen haben in ihrer Darstellung gesenkte Köpfe. Sie scheinen von einer Last gedrückt zu sein. Der Kopf der fünften Skulptur ist erhoben, als wenn keine Last mehr auf ihm liegt. Sie alle gehen in eine Richtung zu der Skulptur, der ein Querbalken aufgelegt ist und wie ein Kreuz wirkt. Dem aufmerksamen Betrachter fällt auf, je näher die Gebeugten dem Träger des Querbalkens kommen, desto erhobener sind die Köpfe. Jesus, der Einladende, hat einen gar nicht so recht zu der Skulpturengruppe passenden Balken auf seinen Schultern. Er will die Last der Menschen gemäß des Bibelwortes tragen: „Kommt alle zu mir, die ihr müselig und beladen seid.“
Unter dem Leitgedanken „Skulpturen zum Befassen – Berührungen in der Fastenzeit“ handelt es sich bei den tiefsinnig und nachdenklich wirkenden Bildwerken um Arbeiten des 1952 in Eckernförde geborenen Künstlers Walter Green. Über eine Lehre als Baumschuler, das Studium der Landespflege in Berlin, als Landschaftsplaner und Entwicklungshelfer mit Projekten in Afrika sowie in der Dominikanischen Republik hat er sich 1999 als freischaffender Bildhauer in einem ehemaligen Gutshaus Mecklenburgs niedergelassen.
Für Pfarrer Andreas Anhalt ist es ein Glücksfall, die einzigartige Skulpturenschau zwischen Aschermittwoch und Karfreitag nun auch einmal nach Mühlhausen zu bekommen. Als gelernter Handwerker und Schmied weiß der Priester die Arbeit mit dem natürlich entstandenen und vielleicht 200 oder 300 Jahre altem Ausgangsmaterial des Künstlers besonders zu schätzen. Denn der Bildhauer arbeitet vornehmlich mit Holzbalken aus abgerissenen Häusern oder Scheunen. „Der Künstler hat die Lebens- und Bearbeitungsspuren der Jahrhunderte belassen. Aussparungen für Verzahnungen, Zapfen und die Gänge der Holzwürmer“, betont Andreas Anhalt.
Lediglich die mehr oder weniger stilisierten Köpfe der Skulpturen sind fein bearbeitet und behutsam „aufgepflanzt“ worden. Der Künstler beschreibt seine Absicht so: „Die Skulpturen wirken wie Meeresschnecken, die wir uns an das Ohr halten. Sie erzählen uns rauschend von ihrem Leben. Und doch ist es unser eigenes Blut, das wir darin vernehmen.“ Dies könne man beim fantasievollen Berühren mit den Händen der samtig bearbeiteten Oberfläche des Holzes spüren.

Die Skulpturenschau in der Josefskirche kann bis Karfreitag täglich zwischen 15 und 16 Uhr besichtigt werden. Für Interessierte können über das Pfarramt unter Tel. 0 36 01/ 8 53 60 auch Termine vereinbart werden.

Von Reiner Schmalzl