Macht in der Institution Kirche? Seminar mit Bibel-Impulsen
Einspruch im Namen Jesu
Mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer: Die Bibel ist zum Thema Machtmissbrauch recht eindeutig. Foto: kna/Anna Mertens |
Herr Kmiecik, „Macht und Kirche“ – kann man dieses Thema an einem Wochenende abschließend behandeln?
Ulrich Kmiecik: Natürlich nicht! Selbst Gott hat mehrere Tage für seine Schöpfung gebraucht. Aber bei unserem Seminar gibt es ja noch eine Konkretisierung in der Ausschreibung: Impulse aus der Bibel! Und da kann uns die Heilige Schrift schon einiges sagen. Angesichts von unterdrückenden Machtstrukturen erzählt uns die Bibel von Alternativen, wie in Markus 10,42-44: „Bei euch soll es nicht so sein!“
Frau Höfig, wie kamen Sie darauf, dieses Thema mit der Heiligen Schrift in Verbindung zu bringen?
Klaudia Höfig: Das Thema Macht, Teilnahme und Teilhabe an Macht ist – auch im Rahmen des Synodalen Weges – ein sehr grundlegendes Thema, wenn wir unsere Kirche in Richtung Zukunft entwickeln wollen.
Alle Themen unseres Lebens, unserer Gemeinschaft, des Zusammenlebens von Menschen finden sich im Buch der Bücher – in der Bibel: Nur Macht in Beziehung schafft neue Autorität. Hiermit wollen wir den Fokus auch auf die subjektive Sichtweise der Teilnehmer richten. Wie die Kirche, so üben wir ja auch Macht aus, sind machtvoll. Auf der Basis unserer Taufe werden wir ermächtigt, Priester, Propheten und Könige zu sein. Doch dies heißt auf der Basis des Zeugnisses Jesu zuerst die Benachteiligten im Blick zu haben. Daraus folgt, dass Machtverzicht eine Variante des christlichen Umgangs mit der Macht ist.
Was lehrt uns Jesus über Macht?
Kmiecik: Jesus ist ein Mann, der nach „normalen“ Maßstäben gescheitert ist. Er stirbt ausgegrenzt und jämmerlich am Kreuz. Aber ausgerechtet im Tod bekennt ein römischer Hauptmann: „Wahrhaftig, das war Gottes Sohn!“ Stärker kann der Gegensatz von herrschender Macht und Machtlosigkeit nicht ausgedrückt sein. Auch zu Lebzeiten kämpft Jesus mit den Jüngern, die die Ehrenplätze in seinem Reich einnehmen wollen. Jesus sagt ihnen, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und ihre Macht missbrauchen. Für die Jünger heißt es aber: „Wer bei euch groß sein will, soll der Diener und Sklave aller sein.“
Eines der ältesten Protestlieder findet sich beim Evangelisten Lukas im Magnifikat: Gott „zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen“.
Lehrt uns die Bibel auch etwas zum sexuellen Missbrauch, der heute die Diskussion in der Kirche prägt?
Höfig: Klar, denn auch diese Schattenseiten sind zu finden und werden beim Namen genannt. Schon das Buch Genesis erzählt von einer Vergewaltigung der Tochter von Jakob und Lea, Dina, und das folgende katastrophale Unglück der Familie in Genesis 34. König David raubt dem Hethiter Urija seine Frau Batseba, er begeht Ehebruch und lässt sich in seiner Gier zu einen Mord hinreißen, siehe 2. Buch Samuel. Im Buch Daniel lauern zwei lüsterne Älteste der schönen und gottesfürchtigen Susanna auf, um ihr sexuell Gewalt anzutun.
Natürlich urteilt die Bibel, dass ein solches Verhalten Gott total missfällt und fundamental die Schöpfer – Geschöpf – Beziehung verletzt. So ist die Botschaft im Alten Testament die gleiche wie im Neuen, wo sich wie unter anderem im Markusevangelium Jesus schützend vor die Kleinen stellt und sagt: „Wer sie zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde“.
Starker Tobak! Aber diese Rede soll aufrütteln, Partei ergreifen und die nachfolgende Gemeinde zu einer Praxis motivieren, wo Macht nicht missbraucht wird.
Welche Erkenntnisse sollen die Teilnehmer Ihres Seminars aus Bibelimpulsen auf die heutige Gesellschaft übertragen?
Kmiecik: Ja, nur Macht in Beziehung schafft Autorität. Wir sind natürlich keine Propheten und wissen noch nicht, wie ein solcher Transfer für die Teilnehmer aussieht.
Aber wir hoffen doch, dass sie nach dem Seminar ihre Beziehungen, in denen sie selbst mit ihrem Umfeld stehen, das heißt Kollegen am Arbeitsplatz, Gemeindemitglieder, die Familie, Sympathisanten in gesellschaftlichen Gruppen, dass sie dies bewusster wahrnehmen und sensibel sind für Machtkonstellationen; dass sie im Namen der Würde des Menschen und im Namen Jesu, Einspruch erheben, wo Macht missbraucht wird und wir – wir schließen uns da ein – unsere Einstellungen und unser Handeln korrigieren, auf der Basis der Impulse, die uns die Bibel zum Thema Macht gibt.
Höfig: Alles, auch unser Umdenken fängt, wie Jesus es im Matthäusevangelium sagt, mit einem Senfkorn an und es kann wachsen bis zu einem Baum, so dass die Vögel des Himmels in seinen Zweigen nisten. Auf dieses Wachsen freuen wir uns.
Interview: Cornelia Klaebe
Seminar „Macht und Kirche“ im Karmelitenkloster Birkenwerder vom 17. bis 19. Januar 2020, Kosten: 80 Euro inklusive Unterkunft und Verpflegung. Anmeldung