Anstoss 41/2018
Emils Demo
Ich sitze vor dem Computer und schreibe an meinem nächsten Anstoß. Neben mir liegt das Smartphone und natürlich meldet sich der freundliche Benachrichtigungston, um mir zwei neue Nachrichten anzuzeigen.
Aus dem Augenwinkel habe ich längst wahrgenommen, wer da geschrieben hat und überlege, ob ich gleich oder sofort antworte. Ich würde sagen, die Konditionierung war außerordentlich erfolgreich.
In Hamburg hatte vor gut einem Monat ein kleiner Junge die Nase voll von den Handys seiner Eltern. Kurzerhand organisierte Emil eine Kinderdemo gegen Handys. Das Motto: „Spielt mit mir! Nicht mit euren Handys!“ Da muss sich so einiges an Frust in dieser Kinderseele angestaut haben, dass ein siebenjähriger Junge seine Freizeit dafür hergibt, um gegen die eigenen Eltern zu demonstrieren.
Sind es nicht immer diese Jugendlichen, von denen ich behaupte, dass sie kaum noch ansprechbar sind, weil sie ständig im Internet surfen? Wieder meldet sich mein Handy. Dieses Mal mit einem Fragezeichen. Richtig, ich habe ja immer noch nicht geantwortet. Und wieder bin ich raus und muss noch einmal nachlesen, was ich gerade geschrieben habe. Ach ja, diese Jugendlichen, die ständig irgendetwas googlen oder jemandem Belanglosigkeiten schreiben müssen.
Nein, es sind nicht diese Jugendlichen! Und Emil hat Recht: Wir verbringen zu viel Zeit mit unseren Handys. Wir wollen überall dabei sein und hören nur noch mit einem halben Ohr hin. Wir haben eine Heidenangst, etwas zu verpassen und am Ende passt gar nichts mehr.
Mir fallen die grauen Herren ein, von denen Michael Ende in seinem genialen Buch „Momo“ schreibt. Stück für Stück stehlen sie den Menschen die Freude am Leben. Keiner hat mehr Zeit, so lange die grauen Herren regieren.
Plötzlich kommt mir mein Handy irgendwie grau vor. Nur weil ich mir von seinen Klingel- und Benachrichtigungstönen den Rhythmus meines Lebens diktieren lasse, kann es mir die Zeit stehlen. Vielleicht sagt Jesus deshalb: „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder…“ (Matthäus 18,7).