Kolpingfamilie baut Trafohäuschen zur Krankenhauskappelle um

Energie von oben

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Trafohäuschen wird Kapelle
Nachweis

Foto: Björn Friedrich

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Zukünftige Kapelle: Noch hängt die Christusfigur an Stromkabeln.

Ein Trafohäuschen neben einem Krankenhaus soll abgerissen werden. Bis die örtliche Kolpingsfamilie eine Idee hat: Sie baut es zu einer Kapelle um, in ehrenamtlicher Arbeit und durch Spenden finanziert. Ein Kraftakt, der nicht nur den Kranken hilft.

Es sah von außen schon immer aus wie eine Kapelle, mit seinem Turm und dem länglichen Raum daran, der an ein Kirchenschiff erinnert. Jetzt ist es wirklich eine: das Trafohäuschen in Seligenstadt. 

Früher gehörte es der Energieversorgung Offenbach, kurz: EVO. Jetzt, 100 Jahre nach seinem Bau, bekommt die Abkürzung eine neue Bedeutung, scherzt Thomas Knapp: Energie von oben. Kranke und ihre Angehörigen sollen in dem Kapellchen bald Kraft schöpfen. Kraft, die vom Himmel kommt.

Knapp gehört zum Leitungsteam der Kolpingsfamilie Seligenstadt, die aus dem Trafohäuschen eine Kapelle baut. Das Krankenhaus in Seligenstadt hatte lange Zeit gar keinen Raum, in dem Kranke und ihre Angehörigen mit ihren Gedanken allein sein können. Seit ein paar Jahren gibt es dort einen Andachtsraum, der bewusst neutral eingerichtet ist, damit sich Menschen aller Religionen wohlfühlen können. Doch eine richtige Krankenhauskapelle kann dieser Raum nicht ersetzen – schon weil man dort keine Kerze anzünden darf. Das aber sei gerade kranken Menschen und ihren Angehörigen wichtig, sagt Knapp. In der örtlichen Wallfahrtskirche fällt ihm auf, dass immer Kerzen brennen. „Man sieht, dass da viele Menschen Hoffnung suchen und den Herrn ansprechen, damit ihnen geholfen wird“, sagt Knapp. Künftig können Kranke das direkt neben der Klinik tun – vor einer Operation, nach einer schlimmen Diagnose, nach einer durchwachten Nacht.

„ Auch wenn es manchmal hart und schwer ist, muss man Mut haben, Mut und Gottvertrauen, hat schon Adolph Kolping gesagt.“

Horst Happel (links) und Thomas Knapp
In den Bau der Kapelle stecken Horst Happel (links), Thomas Knapp und andere Kolpinger viel Arbeit. Foto: Björn Friedrich

So eine Krankenhauskapelle, die gab es in Seligenstadt schon mal. Viele ältere Einwohner können sich an sie erinnern, weil dort ihre Kinder direkt nach der Geburt getauft wurden. In den 70er Jahren wurde das Krankenhaus samt Kapelle dann abgerissen. Knapps Mutter arbeitete damals in der Krankenhausküche. Er erinnert sich: „Ich hab den Abriss im Prinzip noch vor Augen. Als Bub findet man es ja interessant, wenn es eine Baustelle gibt.“ Dass dort jemals wieder eine Kapelle entstehen würde, hielt Knapp lange Zeit für unvorstellbar. Umso neugieriger wurde er, als er vor ein paar Jahren sah, dass auf dem Krankenhausgelände wieder gebaggert und eine neue Netzstation aufgestellt wurde, die das alte Trafohäuschen ersetzen sollte. 

Die Frage, was aus dem Häuschen werden könnte, ließ ihn nicht los. „Es hat mich einfach gekitzelt“, erinnert sich Knapp. Nach einem Anruf bei der Energieversorgung Offenbach wusste er, dass das Trafohäuschen abgerissen werden sollte. In ihm reifte die Idee, es zur Kapelle umzufunktionieren. Er brachte die Idee in der Kolpingsfamilie ein, sie stimmte zu. So kennt Knapp seine Leute. Er fragt: „Wer soll es machen, wenn es Kolping nicht macht?“ 

Ihm war klar, dass sie sich bei dem Projekt nicht auf Geld von der Pfarrgemeinde oder vom Bistum verlassen, sondern die Kapelle nur durch Spenden und eigene ehrenamtliche Arbeit aufbauen wollten. Bevor es losging, musste die Kolpingsfamilie immer wieder bangen, dass das Projekt doch noch scheitert – so viele juristische und bürokratische Fragen waren zu klären. Als sie schließlich beantwortet waren, arbeitete ein Kernteam aus sieben Leuten Woche für Woche am Trafohäuschen – meistens samstags. Dann verzögerte auch noch Corona den Bau. Doch die Kolpinger gaben nicht auf.

Jetzt haben sie ihre Kapelle fast fertig. Der Putz ist an der Wand, Estrich und Fliesen fehlen noch. Eröffnen will die Kolpingsfamilie die Kapelle, wenn nichts dazwischenkommt, im Herbst dieses Jahres. 

Was verrückt klang, ist jetzt fast fertig

Das erfolgreiche Projekt zeigt Knapp, dass auch in schweren Zeiten vieles gelingen kann – wenn man nur will. „Bei Kolping und überall in der Kirche ist ja scheinbar Weltuntergang“, sagt er. Ihn bedrückt, dass so viele Menschen aus der Kirche austreten und in den Kolpingsfamilien kaum noch junge Mitglieder nachkommen. „Erst mal klingt es heutzutage schon fast verrückt zu sagen, wir wollen ein Kapellchen bauen.“ Aber am Ende hat sich alles gelohnt. Für die Kranken, die dort künftig beten. 

Kapelle Seligenstadt
Die Kapelle von außen. Foto: Björn Friedrich

Knapp sagt, er habe gelernt: Christen sind das Salz der Erde. Er sagt: „Und wenn wir als Salz nicht mehr wirken, wie schmeckt dann das Essen? Auch wenn es manchmal hart und schwer ist, muss man Mut haben, Mut und Gottvertrauen, hat schon Adolph Kolping gesagt.“ Nun hat der Mut auch noch einen erfreulichen Nebeneffekt: Seit 2019, seit dem Baubeginn der Kapelle, gewinnt die Kolpingsfamilie Seligenstadt fünf bis zehn neue Mitglieder jährlich hinzu.

Die Kapelle der Kolpingfamilie im Internet:
www.kolping-seligenstadt.de/projekt-kolping-kapelle/ 

Luzia Arlinghaus