Freude in der Lüneburger Gemeinde

Engelorchester ist zurück

Image

Freude und Überraschung in der Lüneburger Gemeinde St. Marien: Ein vor sieben Jahren gestohlener wertvoller Aufsatz des Taufbeckens ist wieder aufgetaucht. Eine „reuige Sünderin“ hat ihn zurückgegeben.

Das Taufbecken in St. Marien wird mit dem „Engelorchester“ bald wieder komplett sein.
Das Taufbecken in St. Marien wird mit dem
„Engelorchester“ bald wieder komplett sein.

Die Freude ist der Stimme von Carsten Menges deutlich anzuhören. „Ich bin ganz happy“, sagt der Pfarrer von St. Marien. Seit Jahren war der kunstvolle Aufsatz des Taufbeckens verschollen, längst hatte die Gemeinde die Hoffnung aufgegeben, das Engelorchester jemals zurückzuerhalten. Auf Umwegen fand die Goldschmiedearbeit des Künstlers Herbert Zeitner ihren Weg zurück in die Kirche. Und bald wird das Engelorchester wieder das Taufbecken im Altarraum krönen. „Wir lassen es jetzt aufarbeiten“, kündigt Menges an.

Vor sieben Jahren, am 27. Juli 2014, war die Goldschmiedearbeit aus der Kirche gestohlen worden. Hinweise auf den Täter oder den Verbleib gab es nicht. Seitdem ragte nur die gut 20 Zentimeter hohe Schraube, auf dem das Engelorchester befestigt war, wie eine Mahnung in die Höhe.

Umso größer war die Überraschung, als Pfarrer Menges am Mittwoch vergangener Woche eine Nachricht von seinem evangelischen Mitbruder Pastor Diederik Noordveld der nahen Innenstadtkirche St. Johannis erhielt. Bei ihm habe eine „reuige Sünderin“ anonym einige Kunstobjekte abgegeben, die aber offenbar nicht aus St. Johannis gestohlen wurden. „Die Frau wollte neu anfangen“, sagt Menges.

Nur einen Tag nach der spektakulären Nachricht wollte der Kirchenvorstand eigentlich die Beauftragung einer Rekonstruktion des Aufsatzes beschließen. Nach einem Kostenvoranschlag wären für die Rekonstruktion 16 000 Euro fällig geworden. „Die bereits gespendeten Beträge werden wir für die Neuinstallation und Aufarbeitung der Einzelteile verwenden“, kündigt Menges an.

Die Freude in der Gemeinde ist groß. Denn der Aufsatz ist für viele Menschen mehr als ein schönes Kleinod, weiß der Pfarrer „Viele hängen mit dem Herzen daran. Jeden Tag sprechen mich die Menschen an. Sie sind froh und dankbar, für manche ist es ein kleines Wunder.“

Das Taufbecken wurde zum Neubau von St. Marien Anfang der 1960er-Jahre geschaffen. Der Deckel ist mit einem Kreuz und acht kleinen Engeln kunstvoll verziert – eine wertvolle Goldschmiedearbeit des 1988 verstorbenen Lüneburger Künstlers Herbert Zeitner aus Silber und Messing, teilweise vergoldet. Die Engel erinnern an Psalm 91 „Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen.“ Die acht musizierenden Engel bilden ein „himmlisches Orchester“ und geben der Hoffnung ein Bild, dass sich die Sinne des Täuflings so entwickeln mögen, dass er für himmlische Töne schon auf Erden aufmerksam werde. Der jetztige Aufsatz ist bereits der zweite Deckel: Das Original war bereits einmal gestohlen worden und von Herbert Zeitner ersetzt worden.

Diebstähle in der St.-Marien-Kirche machen der Gemeinde immer wieder zu schaffen. „Im nahen Park trifft sich die Drogenszene von Lüneburg“, erläutert Menges. Doch während viele Kirchen wegen Vandalismus oder Diebstählen nur noch zu den Gottesdiensten geöffnet sind, ist das für St. Marien keine Option. „Wir wollen die Kirche auf jeden Fall offen lassen, weil viele Menschen spontan zu uns kommen“, sagt Menges, der damit auch die symbolische Offenheit der Kirche betonen will. „Jeden Tag haben wir Besucher, die zum Beten kommen oder eine Kerze anzünden.“ Die Gemeinde will aber nun den Altarraum – und damit auch das Taufbecken – gegen künftige Diebstähle mit einer Alarmanlage zu sichern. „Wir werden aber niemanden beim Beten filmen.“

Von Andres Wulfes