Weltjugendtag
„Es geht vorwärts“
Daniel Rudel
Herr Rudel, wie war die Stimmung in Portugal?
Es war eine absolut phänomenale Gemeinschaftsstimmung! Egal, mit wem ich gesprochen habe, alle haben gesagt: So etwas haben wir noch nie erlebt! Weltkirche präsentiert sich als junge, dynamische Kirche und zeigt uns: Es geht vorwärts und Kirche hat eine Zukunft.
Sie waren schon vor dem offiziellen Start des Weltjugendtages in Portugal und hatten entsprechend mehr Zeit, Land und Leute kennenzulernen.
Was hat Ihnen persönlich am besten gefallen?
Mein persönliches Highlight war die Gastfreundschaft der Portugiesen! Weil die Portugiesen immer gelassen in den Tag starten. Sie lassen sich eigentlich durch nichts stressen, sie sind jederzeit bemüht, voll mit dem Herzen ihre Hilfsbereitschaft zum Ausdruck zu bringen – egal, ob es um Probleme mit unseren Duschen ging, ob wir keine Verpflegung hatten, ob irgendwelche Unterkünfte geschlossen waren, die man für uns früher aufgemacht hat … Es war eigentlich egal, was, sie haben für alles eine Lösung gefunden. Diese Mentalität der Menschen, dieses Ruhige, dieses Nicht-gestresst-Sein, das hat mich überwältigt!
Der Weltjugendtag zieht jedes Mal über eine Million Jugendliche an. Dem normalen Sonntagsgottesdienst in Deutschland hingegen bleiben die meisten Jugendlichen fern. Was glauben Sie, warum ist das so?
Ich glaube zunächst, dass der typische Sonntagsgottesdienst nicht mehr das Format ist, das junge Menschen heutzutage anspricht. Junge Menschen suchen ihr Glaubensleben nicht nur in der Kirche, im Sonntagsgottesdienst, sondern im Alltag. Viele Jugendliche haben mir beim Weltjugendtag erzählt, dass es für sie manchmal sogar entscheidend ist, ihren persönlichen Glauben von der Institution Kirche zu trennen. Besonders, weil Kirche gerade durch eine herausfordernde Zeit geht – nicht nur wegen des Missbrauchsskandals, sondern auch wegen der Frage nach dem Zölibat oder dem Umgang der Kirche mit Homosexuellen beziehungsweise grundsätzlich der LGBTQ-Bewegung. Das sind alles so Themen, wo junge Menschen das Gefühl haben: Wir gehören nicht dazu. Dann ist, glaube ich, so ein Event wie der Weltjugendtag ein Format, wo junge Menschen einfach einen Zugang finden. Und der diesjährige Weltjugendtag hat gezeigt, dass es gerade eines Zugangs bedarf in der persönlichen Begegnung, im Musikhören und Tanzen und vor allem im persönlichen Gebet.
Nun sind die großen Themen des Synodalen Weges eher Themen der deutschen Kirche. Oder haben Sie beim Weltjugendtag eine andere Erfahrung gemacht?
Das stimmt, um die Themen, mit denen wir uns in Deutschland befassen, ging es beim Weltjugendtag nicht. Da stand eher die Glaubensfreude im Fokus. Es ging also um die Frage: Wie können wir als junge Menschen unseren Glauben im Alltag leben? Man darf auch nicht vergessen: Die Weltkirche ist groß. Sie wird sich nicht von einem auf den anderen Tag verändern können. Aber wir können das tun. Im Kleinen. Indem wir uns jeden Tag neu die Frage stellen: Wo kann ich heute barmherzig sein? Wofür bin ich heute vielleicht auch besonders dankbar? Ich kann also nicht auf Veränderungen der Weltkirche warten und mein eigenes Glaubensleben verkümmern lassen.
Gab es einen Moment, ein Erlebnis in Portugal, das Ihr Glaubensleben bereichert hat?
Der Rosenkranz! Ich habe mich mit dieser Gebetsform eigentlich immer schwergetan. Mir fehlte vielleicht auch der Zugang. Bei den Portugiesen habe ich das als sehr positiv wahrgenommen, wie sie mir das vorgelebt haben und was für eine Bestärkung sie aus dem Rosenkranz ziehen. Es war einfach so authentisch – dieses Strahlen danach, diese Glaubensfreude! Und das ist ja auch das, was Papst Franziskus in einer seiner Predigten gesagt hat: Dass man leuchten soll als Christ! Dass das eigentlich unsere Hauptaufgabe ist. Und diese Erfahrung konnte ich, konnten die Jugendlichen aus dem Bistum beim Weltjugendtag in Portugal auf jeden Fall machen!
Welche Botschaft von Papst Franziskus hat Sie am meisten inspiriert?
Papst Franziskus hat uns junge Menschen ermutigt, keine Angst zu haben. Und das bedeutet auch immer: sich einzulassen auf etwas Neues. Bei mir ist dieses Neue definitiv der Rosenkranz, den ich noch für mich entdecken will. Was wir aber alle mitgenommen haben: Es ist nicht so schlimm, wenn Weltkirche sich nicht sofort nach unseren Wünschen verändert, denn wenn wir dort, wo wir eingesetzt sind, etwas bewirken können, haben wir unseren Dienst schon getan. Wenn ich als Jugendreferent junge Menschen – und das müssen nicht alle sein – mit meinen Projekten, meinen Worten berühre, habe ich als Christ Zeugnis gegeben. Das ist Verkündigung. Und das gibt mir Hoffnung.