Kinderwallfahrt virtuell

Experiment gelungen

Image
An den Versuch, die Kinderwallfahrt virtuell zu gestalten, wagten sich die Katholische Jugendarbeit in Sachsen und Ostthüringen und ein Team aus der Propstei Leipzig. Es hat geklappt, macht neugierig und Lust, mitzumachen.

Die Leipziger Graphikerin Anja Kreher gestaltete die Begleitmaterialien der Wallfahrt.

 

„Winkt doch mal alle, damit wir sehen, dass alle da sind“, sagt Luise Feldmann, die das Vorprogramm zum Wallfahrtsgottesdienst am 11. Oktober in der Propsteikirche St. Trinitatis in Leipzig moderiert. Die Hände der kleinen und großen Teilnehmer gehen in die Höhe. Sie sind auf einer Wand in der Kirche zu sehen. Oft winken sie in die Kamera. Davor sitzen Kinder mit Geschwistern, Eltern und Großeltern. Manche am Wohnzimmertisch, andere haben sich auf der Couch versammelt.

Die Kinderwallfahrt 2020 findet statt!
Normalerweise pilgern aller  zwei Jahre im Rahmen der Religiösen Kinderwochen (RKW) sechs- bis 14-Jährige zur Kinderwallfahrt nach Wechselburg bei Chemnitz oder nach Rosenthal bei Bautzen. Durch die Corona-Pandemie drohte die Pilgerfahrt auszufallen. Ein fünfköpfiges Vorbereitungsteam aus Haupt- und Ehrenamtlichen um die Propsteikirche St. Trinitatis in Leipzig und das Team der Kinder- und Jugendseelsorge des Bistums Dresden-Meißen waren sich einig: Die Kinderwallfahrt 2020 findet statt! Ein Format für einen Aktionstag und einen Gottesdienst musste gefunden werden, unabhängig vom Ort, um dabei zu sein, mitzusingen, mitzubeten und mitzutanzen. „Das geplante RKW-Thema ‚Helden gesucht‘, wurde zu ‚Abenteuer Held‘, erzählt der Veranstaltungsmanager Andreas Hahn. Knapp zwei Monate vor der Wallfahrt verschickten die Leipziger etwa 100 Materialpakete für die Vorbereitung an Gemeinden und Familien. Den Aktionstag, der am 10. Oktober geplant war, haben einige Gemeinden und Familien bereits am Donnerstag oder Freitag umgesetzt. Das Team in Leipzig wusste noch am Abend vor dem Wallfahrtssonntag nicht, von welchen Gemeinden oder Familien eine Resonanz kommt. Das war der „kribbeligste Punkt“, sagt Hahn. 30 Videos trafen dann in Leipzig ein, die sich sehen lassen konnten. Das Spektrum reicht von Trickfilm bis Schattentheater. In einer Nachtaktion wurden sie für die Einbindung in den Gottesdienst vorbereitet und von den Teilnehmern mit großer Freude erwartet.
„Gestaltet den Tisch zu Hause. Mit einer Kerze, einem Kreuz, einem Tuch und einer Heldenfigur“, lädt Feldmann die Kinder ein. Manche holen ein Kreuz aus dem Nebenraum, andere halten eine Kerze in die Kamera. „Die brennende Kerze ist ein verbindendes Zeichen“, erklärt sie „Ihr seht uns. Wir sehen euch.“ Die Pädagogin, die am Begleitmaterial für die Wallfahrt mit gearbeitet hat, ruft drei junge Tänzerinnen vor die Kamera. Sie tanzen gemeinsam mit den Zuschauern den ‚Rückenwindtanz‘, den alle am Vortag geübt haben. Für die musikalische Begleitung sorgt die Jugendband der Propsteikirche.

 

Mathilda und Gretel (im Video) üben am Aktionstag mit Kindern aus Leipzig den Rückenwindtanz.

 

Teilnehmer digital in den Kirchenraum nehmen
Um 15 Uhr ist es soweit. Der Gottesdienst beginnt. Franziska und Stephan begrüßen die Wallfahrer und Mose, der während des Gottesdienstes seine Geschichte auf dem Weg zum Helden erzählt. Franziska Wagler und Stephan Schubert, vom Kinder- und Jugendpastoral, führen durch den Gottesdienst. Positiv überrascht sei er gewesen, sagt Schubert, dass die „Teilnehmer digital in den Kirchenraum hineingenommen wurden“. Bei einer Wallfahrt „vor Ort“ ist eine inhaltliche Beteiligung der Teilnehmer in dem Maße nicht möglich. Da gibt es höchstens ein Anspiel vor der Predigt. In diesem Jahr konnten sich die Teilnehmer selbst einbringen. Franziska Wagler, die wie sie sagt „erst auf der letzten Strecke in das Projekt eingestiegen ist“, zeigt sich beeindruckt von der professionellen Vorbereitung des Leipziger Teams, das für einen reibungslosen Ablauf sorgte. Schubert lobt die Arbeit ebenfalls: „Die Struktur und der Inhalt wurden in Leipzig erarbeitet, ebenfalls die Organisation und wurden mit dem Dresdener Team abgestimmt.“ Im Verlauf des Gottesdienstes gibt es eine „Schalte“ nach Rosenthal, wo die Wallfahrt stattfinden sollte. Sabina Lange, Referentin für Kinderseelsorge, begrüßt die Teilnehmer auf Deutsch und Sorbisch. Die 13-jährige Emilia Schwan liest die sorbische Lesung, die Sabina Lange übersetzt hat.
Neben den eingereichten Filmen, waren die Fürbitten, die in Echtzeit von zu Hause mit Hilfe des Mobiltelefons und eines Projektors im Kirchenraum projiziert wurden, Zeichen der Einbindung. Anonym gelangten die persönlichen Gebete in den Gottesdienst. „Fürbitten sind allgemeines Gebet, das der Beter vor Gott trägt. Das bindet den Menschen in den Gottesdienst ein“, so Propst Gregor Giele aus Leipzig. „Durch diese anonyme Form, trauten sich viele, ihre Fürbitten zu teilen“, bestätigt Feldmann. „Die Kinder konnten beim Aktionstag selbst mittun“, sagt Marie Birkner aus Leipzig, die digitale Formate für Kinder eher skeptisch sieht und analoge Formen, wie das Lesen befürwortet. Sie zeigte sich vom  Ansatz, Digitales mit gestalterischem Tun der Kinder zu verknüpfen, ebenfalls begeistert.

 

Sarah Buchele bei der Entstehung eines Trickfilms – mit Handy und selbstgebasteltem ‚Stativ‘.    Fotos: Lydia Bayer

 

Trickfilm nichts anderes als einzelne Fotos
Ihre Tochter Klara war an der Entstehung eines Films beteiligt, der mit „einfachen Mitteln und vielen Ideen entstand“. Sie erlebte zum ersten Mal und mit viel Spaß, wie ein Trickfilm produziert wird. „Ein Trickfilm ist nichts anderes, als dass man einzelne Fotos aufnimmt und dann zu einem Film zusammenfügt“, erklärt der 16-jährige Felix Hahn seinen Altersgenossen in kurzen Videos als Anleitung zum Drehen eigener Filme und zeigt, wie sie sich ein Stativ für ihr Handy basteln können. Andreas Hahn von der Veranstaltungsagentur „jensen&hahn“, sein Team und das des Instituts für Demokratie und Medienkompetenz, brachten die Wallfahrt in ein visuelles Format.
Wie viele „Wallfahrer“ dann am Sonntag per Video nach Leipzig „pilgerten“, ist laut Hahn schwer zu schätzen. Insgesamt waren etwa 50 Anschlüsse zugeschaltet, vor den Kameras saßen Familien, Gruppen und Gemeinden. Dazu sahen fast 200 Teilnehmer die Übertragung live.
Diejenigen, die sich in diesem Jahr noch nicht an diesem spannenden Projekt beteiligten, haben in Zukunft die Gelegenheit dazu. Sie können einen Aktionstag mit den Materialien und den Videoanleitungen auf der Internetseite des Bistums selbst gestalten.

Gottesdienst und Material unter:
www.youtube.com/watch?v=MSZcHZLv94s
www.junges-bistum-ddmei.de/termine/event/234-bistumskinderwallfahrt?catid=4

Von Constanze Wandt