Umweltbeauftragter für bessere Rad-Infrastruktur

„Fahrrad für alle“

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Der Umweltbeauftragte des Bistums, Wendelin Bücking, ruft dazu auf, mehr mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Martin Hoffmann vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub verlangt eine bessere Rad-Infrastruktur.

Martin Hoffmann, Vorsitzender des ADFC-Landesverbandes Sachsen-Anhalt, mit einem Lastenfahrrad und Wendelin Bücking, Umweltbeauftragter des Bistums Magdeburg, mit seinem Rad.    Foto: Eckhard Pohl

 

„Fahrrad für alle“, allerdings auf Spanisch, steht auf dem T-Shirt, das sich der Umweltbeauftragte des Bistums, Wendelin Bücking (46), extra für diesen Termin angezogen hat. Er hat es von der Iberischen Halbinsel mitgebracht, als er dort in der Fahrradstadt Valencia zu einem Seminar war. In etlichen Städten Spaniens habe man nach der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008/09 die vielen Vorteile des Radfahrens entdeckt und Konsequenzen gezogen. Dass die Menschen noch stärker das Rad nutzen, wünscht sich Bücking auch in Deutschland und besonders im Bistum Magdeburg. Und so ruft er Haupt- und Ehrenamtliche und alle Gemeindemitglieder dazu auf, mehr mit dem Fahrrad unterwegs zu sein.
In der Schöpfungszeit, in der die Gemeinden zwischen dem 1. September und dem 4. Oktober besonders eingeladen sind, für die Anliegen der Schöpfung zu beten und sich zu engagieren, sagt Bücking: „Angesichts der zunehmenden Klimaveränderungen möchte ich besonders die Christen im Land ermutigen, mehr auf das Auto zu verzichten und bei Alltagsbesorgungen, aber auch im Blick auf Aktivitäten und das Engagement in der Gemeinde und bei Gottesdienstbesuchen auf das Rad umzusteigen. Radfahren hält nicht nur fit, sondern schont eben auch die Umwelt.“ In manchen Landeskirchen und Bistümern werde seit mehreren Jahren ausdrücklich zum „Autofasten“ eingeladen.
Angesichts der vielen unterschiedlichen Modelle mit Gangschaltung und mit und ohne Motor könne jeder das passende Rad für sich finden. „Nicht zuletzt durch die E-Bikes hat das Radfahren ohnehin an Attraktivität gewonnen“, ist Bücking überzeugt. Einen weiteren Anstoß, mit dem Rad zu fahren, habe die Corona-Pandemie gegeben. Statt mit dem öffentlichen Nahverkehr unterwegs zu sein, nutzten etliche das Rad, um sich dadurch besser vor Ansteckung zu schützen.

Radfahren ist auch dank E-Bike attraktiv
„Radfahren ist attraktiv, touristisch und auch im Alltag“, sagt auch der Vorsitzende des Landesverbandes des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC), Martin Hoffmann (42). Allerdings gebe es beim Ausbau von Radwegen in Sachsen-Anhalt noch viel zu tun, so der katholische Christ. Neben zu wenig Radwegen mangele es für den Alltagsgebrauch auch an Möglichkeiten, das Rad sicher abzustellen. Gut sei hingegen die grundsätzlich kostenfreie Mitnahme des Fahrrades in Regionalbahnen in Sachsen-Anhalt, allerdings mangels Platz oft nicht in den S-Bahnen des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes.
„Es muss was passieren im Blick auf den Mobilitätsmix in den Städten und Gemeinden“, so Hoffmann. So müsse es zum Beispiel „im ländlichen Raum für Schüler möglich sein, ohne große Gefahren mit dem Rad zur Schule zu fahren“. Auch „grundzentrale Einrichtungen wie Einkaufsmärkte, Kitas oder Ärzte müssten so erreichbar sein“. Der Ausbau der Rad-Infrastruktur gehe da bisher zu langsam voran.
„Die Städte sind voll, der Klimawandel schreitet voran“, so Hoffmann weiter. „Die Alternative ist offensichtlich: Kurze Wege bis fünf Kilometer kann man zu Fuß oder per Fahrrad zurücklegen.“ Für das Auto sei alles so einfach wie möglich gemacht: „Es gibt gut ausgebaute Straßen. Man kann mit dem Auto fast in jeden Winkel gelangen. An vielen Einrichtungen gibt es oft kostenfreie Parkplätze. So wünschen wir uns das auch für das Fahrrad: ausgebaute Radwege überall hin, sichere Abstellmöglichkeiten.“
Im Blick auf die Nutzung von Lastenfahrräder verweist Hoffmann auf entsprechende Finanzierungsmöglichkeiten für die Anschaffung. So hätten in Sachsen-Anhalt Anfang des Jahres über ein entsprechendes Förderprogramm 300 000 Euro zur Verfügung gestanden, die binnen 14 Tagen vergeben waren. „Das zeigt“, so Hoffmann, „dass es inzwischen viele Menchen verstanden haben. Bei besserer Infrastruktur würden bis zu 60 Prozent der Menschen das Rad nutzen.“
Besonders jeder Christ, so Hoffmann, sollte sich fragen: „Wie handle ich? Muss ich mich nicht selbst als Teil der Schöpfung begreifen? Was ist mit den Menschen, die anderswo auf der Welt leben, welche Auswirkungen hat mein Tun auf sie?“ Und dementsprechend seinen täglichen Lebensstil verändern.
Und: „Wenn ich mich als Teil der Gesellschaft begreife, dann habe ich auch Verantwortung. Wenn ich etwa mein Kind nicht mit dem Fahrrad zur Schule schicken kann, weil ich Angst haben muss, dann muss ich den Mund aufmachen“, so Hoffmann. „Dann muss ich hinschauen, nachdenken, mich einmischen und mich zum Beispiel an die jeweiligen Abgeordneten der Parteien wenden.“ Und da seien auch die Gemeinden gefragt.

Christen und Gemeinden in der Verantwortung
„Wir sind als Christen besonders aufgerufen, den Wert der Schöpfung an sich als von Gott geschaffen zu schätzen“, betont Umweltbeauftragter Bücking. „Die Schöpfung ist dem Menschen anvertraut, damit er sie nutzen kann. Aber er soll sie nicht schädigen. Schließlich ist Gott selbst Mensch geworden und hat damit die Schöpfung geheiligt. Also gilt es, mit ihr vernünftig umzugehen.“ Hinzu komme die Frage der Generationengerechtigkeit: „Habe ich im Blick auf die Kinder und deren Kinder das Recht, heute Lebewesen auszurotten und die Schöpfung herunterzuwirtschaften?“ Im Blick darauf sei es eben auch nicht egal, ob es zum Beispiel so und so viele Insekten weiterhin gibt oder nicht mehr gibt.

Mehr Infos: www.autofasten.de; www.adfc-sachsenanhalt.de

Von Eckhard Pohl