Interview zum Schwerpunkt "Gewalt gegen Frauen"

„Frauen wird oft nicht geglaubt“

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Katharina van Elten
Nachweis

Foto: SkF

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Engagiert sich für Frauen, die Opfer von Gewalt wurden: Katharina van Elten vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) 

Katharina van Elten ist beim Sozialdienst katholischer Frauen Ansprechpartnerin für Gewaltschutz und häusliche Gewalt. Im Interview erklärt sie, was die Politik tun müsste, um Frauen besser zu schützen – und wie man Täter stärker zur Verantwortung ziehen könnte.


Laut Statistik müssen Frauenschutzhäuser über die Hälfte der Frauen wegen Platzmangel abweisen. Warum?

Es fehlt am Geld. Es fehlen rund 14 000 Plätze in Frauenhäusern. Und es fehlen nicht nur Plätze für Frauen, sondern auch für Kinder. Vielleicht ist ein Platz frei für eine Frau mit einem Kind, aber nicht für eine Frau mit zwei oder drei Kindern. Es gibt Landkreise, die haben gar kein Frauenhaus. 

Was bringt das Gewalthilfegesetz, das die Ampelregierung im Januar durchgesetzt hat?

Gewaltbetroffene Frauen und Kinder haben ab 2032 einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung. So lange haben die Kommunen Zeit, Kapazitäten aufzubauen. Das Gesetz ist ein Meilenstein. 

Warum?

Weil es eine finanzielle Beteiligung des Bundes vorsieht: 2,6 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren. Kommunen und Länder müssen sich von nun an nicht mehr alleine um die Finanzierung der Frauenhäuser kümmern. Es werden mehr Schutzplätze entstehen.

Reicht das denn?

Man braucht natürlich auch das entsprechende Personal. Beispielsweise werden die Kinder in der Regel durch Erzieherinnen betreut, aber sie bräuchten eigentlich auch psychologische und traumatherapeutische Betreuung. Viele haben ja erlebt, dass der Partner die Mutter fast totgeschlagen hat. Aber das größte Problem ist ein anderes.

Welches?

Wir sollten nicht nur auf die Opfer schauen, sondern auch auf die Täter. Hinter ihrer Gewalt steht die Vorstellung, Frauen seien untergeordnet und weniger wert. Wer Frauen schützen will, muss Männern auch sagen: „Ihr seid die Täter und müsst dafür Verantwortung übernehmen!“ 

Wie kann man Täter stärker zur Verantwortung ziehen?

Männer, die gewalttätig geworden sind, müssten viel häufiger zu Anti-Aggressionstrainings verpflichtet werden. Sie müssten lernen, sich zu reflektieren und nicht mehr den Opfern die Verantwortung für ihr Handeln zu geben, nach dem Motto: „Sie hat mich provoziert!“ Es darf nicht sein, dass eine Frau die Flucht ergreifen muss und dem Täter nichts passiert.

Die letzte Bundesregierung hat Eckpunkte für eine Reform des Umgangsrechts vorgelegt.

Es ist immer noch so, dass häusliche Gewalt keinen Ausschluss des Umgangs nach sich zieht. Es ist grundsätzlich richtig, dass Kinder bei beiden Eltern aufwachsen. Aber in vielen Fällen werden die Kinder zum Umgang mit gewalttätigen Vätern gezwungen oder den Vätern wird sogar das Sorgerecht zugesprochen. Erst kürzlich gab es den Fall, dass das Sorgerecht dem Mann zugesprochen wurde, weil der Frauenhaus-Aufenthalt seiner Frau angeblich das Kindeswohl gefährdet.

Das klingt absurd.

Die Täter behaupten, dass die Frauen die häusliche Gewalt erfunden haben, um dem Vater das Kind zu entfremden. Und Frauen wird oft nicht geglaubt. Richterinnen und Richter sind zu wenig sensibilisiert, sie sagen Sätze wie: „Er hat sich doch entschuldigt, er hat guten Willen gezeigt.“ 

Was müsste sich ändern?

Das Sorge- und Umgangsrecht muss reformiert werden. Häusliche Gewalt muss zum Ausschluss des Umgangs führen. Es braucht Schulungen für Richterinnen und Richter, damit sie die Verhaltensweisen der Täter besser verstehen. Auch digitale Gewalt muss stärker verfolgt werden.

Was meinen Sie mit digitaler Gewalt?

Oft haben Frauen von ihrem Partner heimlich einen GPS-Sender bekommen. So weiß er immer, wo sie ist. Oder Väter haben ihren Kindern bei Besuchen Sender oder Mikrofone in ihre Stofftiere eingenäht. Eine häufige Form der Gewalt sind auch Deepfakes, also manipulierte Bilder. Da wird zum Beispiel das Gesicht einer Frau auf Nacktbilder montiert, um sie zu erpressen.

Gewaltbetroffene Frauen rufen die Polizei oft nicht, weil sie sich von ihr nicht ernstgenommen fühlen.

Es gibt mit Sicherheit viele Polizistinnen und Polizisten, die gut reagieren. Aber es ist tatsächlich so, dass sich viele Frauen nicht ernstgenommen fühlen. Bei körperlicher Gewalt hat man noch eher Glück, aber psychische Gewalt wird kaum erkannt. Laut Frauenhaus-Statistik folgen aus Polizeieinsätzen nur in 17 Prozent der Fälle Platzverweise der Täter oder Gefährderansprachen. 

Viele Frauen haben dann gegen die Täter nichts in der Hand.

Als Nachweis für häusliche Gewalt sollte daher die Expertise von Frauenhäusern, Fachberatungsstellen oder die ärztliche Dokumentation stärker berücksichtigt werden. 

Barbara Dreiling

Zur Person

Katharina van Elten ist Ansprechpartnerin für Gewaltschutz und häusliche Gewalt beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Gesamtverein.