Festakt zur Erinnerung an Gründung des Erzbistums Magdeburg

Frei, den Glauben zu verkünden

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Mit einem ökumenischen Gottesdienst und einem Festakt ist in Magdeburg an die Gründung des Erzbistums Magdeburg vor 1050 Jahren erinnert worden. Die Festansprache hielt die lettische Staatspräsidentin a.D. Vaira Vike-Freiberga.

Kirchenpräsident Joachim Liebig, Bischof Gerhard Feige, Regionalbischof Christoph Hackbeil, Domprediger Jörg Uhle-Wettler (von links) mit der versammelten Festgemeinde am Ende des Ökumenischen Gottesdienstes im Magdeburger Dom. | Foto: Eckhard Pohl

 

Zu mehr gesellschaftspolitischem Engagement für ein friedliches Zusammenleben haben Bischof Gerhard Feige und der evangelische Regionalbischof Christoph Hackbeil anlässlich der Feier der Gründung des Erzbistums Magdeburg vor 1050 Jahren aufgerufen. Zugleich erinnerten Feige und Hackbeil, der in Vertretung der erkrankten Landesbischöfin Ilse Junkermann sprach, die Christen an ihren Auftrag, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein.
„Spannungen, Konflikte und Verwerfungen gibt es genügend. Umgangs- und Verständigungsformen werden rauer, unverschämtes Verhalten greift immer mehr um sich“, beklagte Bischof Feige in einer Dialogpredigt mit Propst Hackbeil im Magdeburger Dom. „Vor allem tragen rechtsextreme und populistische Gruppierungen zu dieser Verrohung bei“, so der Bischof. Dadurch habe sich auch „der Ton politischer Debatten verändert“. Mehr und mehr „irrationale Empörungswellen und Hasslawinen“ würden ausgelöst, so dass es auch „immer mehr zu Gewalttätigkeiten kommt. Damit aber steht der Geist der Menschlichkeit auf dem Spiel.“ Propst Hackbeil verwies darauf, dass seit Jahrhunderten mit dem heiligen Mauritius als Patron der Stadt ein Afrikaner im Dom präsent ist und das Gotteshaus neben der heiligen Katharina sozusagen auf einen Ausländer geweiht ist.
In einem Grußwort beim anschließenden Festakt nahm auch der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterović, am Festtag des heiligen Mauritius Bezug auf den Patron des alten Erzbistums und der Kathedrale. Der Magdeburger Dom, der die Bischofskirche der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland ist, dürfe heute „auch als ökumenisches Zeichen des neuen Verständnisses und Miteinanders der christlichen Kirchen und Gemeinschaften gelten“, betonte der Nuntius. Ministerpräsident Reiner Haseloff ging ebenfalls auf Mauritius ein. Niemand habe daran Anstoß genommen, dass die Gründer des Erzbistums den aus Afrika stammenden Soldaten zum Schutzpatron gewählt haben, „weil der gemeinsame Glaube das möglicherweise Trennende überwunden hat“. Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper nannte die offene Begegnung mit Menschen anderer Kulturen „wichtiger und drängender denn je“.
 
Verantwortung vor Gott und den Menschen
Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch sieht die Gründung des Erzbistums 968 auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalts als den Moment, zu dem das Gebiet zum ersten Mal „Verfassung und Format“ erhielt. Sie erinnerte daran, dass bis heute staatliche Parlamente darauf vertrauen, dass es eine höhere Macht als die des Staates gibt. Die Verantwortung vor Gott und gegenüber den Menschen sei auch in der Präambel der Landesverfassung Sachsen-Anhalts verankert.
Die Festansprache hielt die Staatspräsidentin Lettlands a. D., Professorin Vaira Vike-Freiberga,  die als ausgewiesene Kennerin der europäischen Geschichte gilt und auch Trägerin des von der Stadt Magdeburg verliehenen Kaiser-Otto-Preises ist. Bei ihrem Vortrag zum Thema „Macht, Recht und Glaube“ ging sie zunächst ausführlich darauf ein, dass Kaiser Otto I. sehr machtorientiert gewesen sei. Dieses Ziel habe er auch mit der Errichtung des Erzbistums Magdeburg und mit Hilfe des christlichen Glaubens verfolgt. Die Anfänge des Erzbistums seien „untrennbar mit historischen Streitigkeiten zwischen Kaiser und Papst verknüpft“, der sich lange Zeit dem Wunsch Ottos entgegenstellte. Für Professorin Vike-Freiberga stehen diese Anfänge „für die für die Geschichte Europas so bedeutsamen, jahrhundertelangen Machtkämpfe zwischen der weltlichen und der geistlichen Macht“. „Die Herrschaftszeit Kaiser Ottos des Großen gemahnt uns daran, dass die Völker im Mittelalter nicht ausschließlich in tiefer geistiger Erhabenheit gelebt haben, zart umflort von ihrem christlichen Glauben und ihrer christlichen Liebe, geschützt vor den Versuchungen des Materialismus und den Bedrohungen der Ketzerei“, so Vike-Freiberga. „Das zehnte Jahrhundert war in seiner Weise ebenso schlimm wie das zwanzigste.“
Doch die Territorien der Päpste seien nach und nach geschrumpft und auch die absolute Macht der Herrscher mehr und mehr beschnitten worden. Die geistliche Autorität des Papstes sei hingegen gewachsen, die weltliche Macht in Europa heute weitgehend in den Händen gewählter Volksvertreter. Heute könne „der Staat Gesetze machen, die Sicherheit und eine zivilisierte weltliche Administration gewährleisten“, so die Festrednerin. „In den Herzen und Gewissen der Menschen jedoch hat der Staat nichts zu schaffen. Die Glaubensfreiheit ist die wesentlichste der durch die Menschenrechte garantierten Freiheiten, die mit den gleichen Vorgaben festgelegt ist wie die Freiheit der politischen Überzeugung: Ich bin frei, nach eigenem Ermessen zu glauben oder nicht zu glauben, und ich habe die Pflicht, die entsprechenden Rechte meiner Mitmenschen zu respektieren.“
Die christlichen Kirchen seien im modernen Europa „nicht mehr die einzigen Vorgeber ethischer und moralischer Normen“. Zudem bestehe „kein Zweifel, dass die Zahl der Agnostiker und Atheisten in den europäischen Gesellschaften mit jeder Generation zunimmt“.
 
Triebkraft für Wachstum europäischer Werte
„Dennoch hat das Christentum seit dem Zusammenbruch des Kommunismus als atheistisch-totalitäres System alle Möglichkeiten, sich zu den Menschen hinzuwenden mit derselben Botschaft der Erlösung der Seelen wie eh und je – und das zu wiederholen, was in der Tat das Wesen der Lehre Jesu Christi ist: Gott zu lieben vor allen Dingen – und seinen Nächsten wie sich selbst. Dies ist jenes Christentum, das mehr als die weltliche Macht und Autorität der Kirche vermocht hat, eine unersetzbare Triebkraft zu sein im intellektuellen und geistigen Wachstum der europäischen Werte.“

Mehr: www.bistum-magdeburg.de
 
Von Eckhard Pohl