Neue Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin
Frischer und pointierter
Sammlung von Zedaka-Büchsen (Wohltätigkeitsbüchsen). Foto: Jüdisches Museum Berlin/Roman März |
Die neue Dauerausstellung beginnt mit einem Wunsch. Nein, mit vielen Wünschen. An einer abstrakten Baumkonstruktion in blassem Holz hängen grüne Papierblätter. Noch sind die meisten leer, aber seit 23. August, seit das Jüdische Museum Berlin seine Tore wieder öffnet, sind die Besucher eingeladen, auf diese Blätter Wünsche zu schreiben. Ein heller Willkommenspunkt an einem Ort, der durch die Architektur von Daniel Libeskind dunkle Schwere in sich trägt. Die neue Direktorin Hetty Berg wünscht sich, dass es ein Ort der „respektvollen Begegnung“ für alle Menschen wird, damit „der Baum des jüdischen Lebens in einem guten Klima wachsen“ kann.
Rund zweieinhalb Jahre war das Jüdische Museum in Berlin, das größte seiner Art in Europa, für den Umbau geschlossen, coronabedingt einige Monate länger als geplant. Nun sind die Arbeiten an der Ausstellung „Jüdische Geschichte und Gegenwart in Deutschland“ abgeschlossen. Auf rund 3500 Quadratmetern Ausstellungsfläche informieren mehr als 1000 Objekte über die Geschichte der Juden vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Für die leitende Kuratorin Cilly Kugelmann ist die Schau nun „frischer und pointierter“.
Dabei setzt die neue Dauerausstellung mit fünf Epochenräumen vom Mittelalter bis heute und acht Themenräumen zu Kultur, Tradition und religiöser Praxis auf Interaktion statt auf chronologisches Nacherzählen. Der Besucher soll aktiv werden und sich beteiligen. Das fängt beim Wunschbaum an und zieht sich durch die Ausstellung. So kann im Themenraum „Tora“ der eigene Name ins Hebräische übersetzt werden, während im Raum „Klang“ eine Koje zum Lauschen jiddischer Popmusik wie dem Swing-Song „Bei Mir Bistu Shein“ einlädt. Mit einer Virtual Reality Brille kann der Besucher sich im Epochenraum „Auch Juden werden Deutsche“ in drei Synagogen in Köln, Hannover und Plauen umsehen, wie sie vor ihrer Zerstörung aussahen, oder in weiteren Räumen herausfinden, ob er das Potenzial zum Messias hätte oder ein guter Zionist wäre.
Doch nicht nur spielerisch zieht die Ausstellung den Besucher in ihren Bann. Auch durch monumentale Installationen wie bodenlange Papierbahnen, auf denen 962 antijüdische Gesetze verewigt sind, Anselm Kiefers Rauminstallation „Schewirat ha-Kelim“ zur kabbalistischen Lehre der Schöpfung oder 21 Videomonitore, auf denen Juden über ihr Jüdisch-Sein in Deutschland sprechen, werden die Sinne des Betrachters gefordert.
Ein Schwerpunkt liegt auf der Geschichte nach 1945. Dabei geht es zum einen darum, wie mit dem Einschnitt des Holocaust umgegangen wurde, aber auch wie jüdisches Leben in der Bundesrepublik und der DDR neu beginnen konnte. Das Thema Antisemitismus zieht sich dabei durch alle Epochen und wird außerdem in einem eigenen Segment behandelt: In vier Kurzfilmen werden antisemitische Fallbeispiele von Historikern und Sozialwissenschaftlern eingeordnet.
(kna)