Neue Ordensschwestern im Christian-Schreiber-Haus

Frischer Wind in Alt-Buchhorst

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Das Christian-Schreiber-Haus wird wieder von Ordensschwestern geprägt: Schon im Juni wollen drei Schwestern Unserer Lieben Frau einziehen. Sie wollen mit jungen Menschen eine geistliche Wohngemeinschaft bilden.


In das Christian-Schreiber-Haus, hier bei der Familienwallfahrt 2016, werden Schwestern Unserer Lieben Frau einziehen. | Foto: Cornelia Klaebe


So etwas ist selten geworden in einem Land, in dem die Entchristlichung immer rascher voranschreitet. Im Mai wird sich im Erzbistum Berlin ein neuer Konvent ansiedeln. Drei Ordensfrauen der „Schwestern Unserer Lieben Frau“ wollen dann in das Christian-Schreiber-Haus einziehen. Anfang Juni werden die drei Schwestern in der Jugendbildungsstätte in Alt-Buchhorst offiziell ihren Dienst beginnen.

Die Ordensfrauen haben viel vor
Sr. Ethel Maria Kollenberg, eine gelernte Gymnasiallehrerin im Alter von 45 Jahren, soll Bildungsreferentin des Hauses am Peetzsee werden. Die anderen beiden Schwestern – Maria Rafaelis Könemann und Elisabeth-Maria Weinrich, beide Mitte 50 – werden sie dabei unterstützen und Verwaltungsaufgaben sowie Pfortendienste übernehmen, wie Josefa Maria Bergmann, die Provinzoberin des Ordens, sagt.
Doch die Ordensfrauen haben mehr vor. Vor allem Sr. Ethel Maria möchte sich nach Worten ihrer Provinzoberin im Erzbistum „einen Traum erfüllen“. Die Ordensfrau möchte weitergeben, was sie selbst im Glauben gefunden hat. Sie möchte mit ihren beiden Mitschwestern und zwei bis drei ausgesuchten jungen Menschen in einer Art geistlicher Wohngemeinschaft zusammenleben. Gedacht ist an ein Glaubens- oder Berufungsjahr wie es sie in anderen Bistümern nach einem entsprechenden Aufruf von Papst Franziskus bereits gibt.
Dass es mit den Schwestern Unserer Lieben Frau gelungen ist, für das Schreiber-Haus wieder einen Orden zu gewinnen, macht Ulrich Kotzur, den Diözesanjugendseelsorger glücklich, wie er sagt. Im Oktober 2016 hatte mit Sr. Ulrike von den Dillinger Franziskanerinnen die bisher letzte Ordensfrau die Jugendbildungsstätte verlassen. „Wir hatten seither die ganze Zeit den Wunsch, das Geistliche im Haus wieder stärker zu profilieren, und dieses Geistliche für die Kinder und Jugendlichen auch erlebbar zu machen“, erklärt Kotzur, der nach dem Weggang der Dillinger Schwestern die kommissarische Leitung des Christian-Schreiber-Hauses übernommen hat. Vor gut einem Jahr dann schrieb Kotzur einen Brief an die Ordensoberenkonferenz.

Sr. Ethel Maria Kollenberg wird Bildungsreferentin im Christian-­Schreiber-Haus.

„Der Brief hat mich angesprochen“, sagt Provinzoberin Bergmann. „Von einer Mitschwester wusste ich, dass sie gerne mit jungen Leuten arbeiten würde, aber außerhalb des Schulsettings“ (außerhalb des schulischen Umfelds). Sr. Ethel Maria Kollenberg ist derzeit in Tansania. Per Mail schreibt sie: „In meiner Arbeit als Lehrerin habe ich im Religionsunterricht oft eine große Offenheit junger Menschen für spirituelle Fragen erlebt. Leider setzt die Unterrichtssituation Grenzen für persönlichere Gespräche. Ich hoffe, dass ich im Christian-Schreiber-Haus die Möglichkeit zur Vertiefung habe.“
Mit dem Aufbruch ins Erzbistum Berlin möchte die Provinz- oberin in ihrem Orden, der wie alle katholischen Gemeinschaften unter großen Nachwuchssorgen leidet, ein Zeichen setzen: „Es geht nicht unbedingt um Wachstum, sondern einfach darum, mit den verbleibenden Schwestern, vor allem den Jüngeren, einen Aufbruch zu versuchen, ihnen neue Perspektiven aufzuzeigen.“

„Kein normales Jugendhaus werden“
Auch bei Kotzur kommt die Idee mit der Glaubens-WG gut an. Schon jetzt tun im Schreiber-Haus regelmäßig vier Freiwillige Dienst, erzählt der Pfarrer. Er möchte bei der Auswahl zukünftig stärker darauf achten, ob bei dem einen oder der anderen vielleicht irgendwo auch ein Ordensruf, eine Sehnsucht nach einem geistlichen Leben im Hintergrund schlummert. Vor allem aber freut sich Kotzur darüber, dass bald ein frischer spiritueller Wind in Alt-Buchhorst wehen wird. „Wir wollten kein normales Jugendhaus werden. Mit den drei Ordensschwestern wird die Atmosphäre eine ganz andere sein“, ist sich Kotzur sicher.

Hintergrund: Wer sind die Schwestern Unserer Lieben Frau?
Die Schwestern Unserer Lieben Frau (französisch „Sœurs de Notre Dame“, Ordenskürzel SND) sind eine Kongregation päpstlichen Rechts in der katholischen Kirche. Sie wurden 1804 von der heiligen Julie Billiart im französischen Amiens gegründet. Die weltweit rund 1900 Ordensfrauen leben und arbeiten in meist kleineren Gemeinschaften zusammen, haben sich bewusst nicht hinter Klostermauern zurückgezogen und sind – anders als Benediktinerinnen – auch nicht an ein vorbestimmtes Haus gebunden.
Der Leitspruch der Ordensgemeinschaft lautet: „Wie gut ist der gute Gott“. Als Zeichen der besonderen Nähe zur Gottesmutter „tragen alle Schwestern bei uns Maria im Namen“, sagt Provinzoberin Josefa Maria Bergmann. Die 56-Jährige wurde vor gut einem Jahr zur Oberin der Coesfelder Verwaltungseinheit ernannt, der rund 20 Häuser in Deutschland, England, Italien und den Niederlanden angehören.

Sr. Josefa Maria Bergmann

Vor ihrer Wahl an die Ordensspitze hatte Sr. Josefa Maria fast 25 Jahre Deutsch und Religion an einem Mädchengymnasium in Vechta unterrichtet, war dort im Pfarrgemeinderat aktiv und engagierte sich gut 15 Jahre ehrenamtlich in einer Frauenjustizvollzugsanstalt. Das Engagement der Provinzoberin zeigt anschaulich das recht breite Betätigungsfeld der Gemeinschaft, die gegründet wurde, um „jungen Frauen und Mädchen zu Bildung zu verhelfen“, wie Sr. Josefa Maria sagt.
Ordensgründerin Billiart wuchs in einfachen Verhältnissen in einem Dorf in der Picardie auf. Im Vorfeld der Französischen Revolution erlitt sie bei einem Attentat auf ihren Vater einen solchen Schock, dass sie Jahrzehnte hindurch gelähmt war. Trotz dieser Behinderung hielt sie Kontakt zu den Dorfkinder und lehrte sie lesen und schreiben.
Wie fast alle anderen katholischen Orden haben auch die Schwestern Unserer Lieben Frau in Deutschland große Nachwuchssorgen und mussten daher inzwischen etliche Einrichtungen aufgeben. Der Altersdurchschnitt der 260 Schwestern in Europa liegt bei 80 Jahren. Nachwuchs hat der Orden vor allem im asiatischen Raum. In Bataan auf den Philippinen unterhält er auch ein Noviziat. Ebenso im afrikanischen Tansania.
Trotz der Probleme gelingt es der Gemeinschaft immer mal wieder – wie jetzt bei der Neugründung in Berlin – positiv von sich reden zu machen. Erst im vergangenen Jahr hat die Kongregation im westmünsterländischen Coesfeld eine internationale Kommunität ins Leben gerufen, in der eine Deutsche, eine US-Amerikanerin, eine Indonesierin und eine Koreanerin zusammen leben. Der Orden möchte so zeigen, dass Menschen „Internationalität viel mehr Vorteile“ als Nachteile bietet.
Die Spiritualität der Schwestern ist „sehr geerdet. Wie Jesus damals wollen sie heute den Menschen konkret zeigen, dass Gott sie liebt“, erklärt die Oberin. Auf die Frage, was sie am liebsten an der Kirche ändern würde, sagt Sr. Josefa Maria: „Ich würde die Kirche gerne so verändern, wie es Papst Franziskus vormacht.“

Von Andreas Kaiser