Klosterleben light

Für ein Jahr bei den Benediktinerinnen

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In der Benediktinerinnenabtei St. Gertrud im brandenburgischen Alexanderdorf können Frauen ein Freiwilliges Ordensjahr erleben. Die neuen Eindrücke, die dabei möglich sind, bereichern beide Seiten.


Rike im Freiwilligen Ordensjahr in Alexanderdorf. (Foto: Andrea von Fournier)

Morgens raus aus dem Bett, Eucharistiefeier, Frühstück, arbeiten, Mittagshore. Klingt nach einem halben Klosteralltag. Das ist es auch für Rike. Nur, dass die 29-Jährige keine Ordensschwester und das Leben innerhalb der Klostermauern der Benediktinerinnenabtei St. Gertrud im Brandenburgischen Alexanderdorf eine ganz neue Erfahrung für eine begrenzte Zeit ist. Rike nimmt am Projekt „Freiwilliges Ordensjahr“ (FOJ) der Ordensobernkonferenz (Zusammenschluss der Höheren Oberen der Orden und Kongregationen in Deutschland) teil. Seit Herbst 2019 gibt es damit die Möglichkeit, „… jenseits des Alltags etwas ganz Anderes zu erleben“. Das Angebot der Ordensgemeinschaften richtet sich an alle, die sich Zeit für Neues nehmen wollen, zwischen 18 und 75 Jahre alt sind und drei bis 12 Monate mit Ordensschwestern oder -brüdern zusammenleben, mitbeten, mitarbeiten und mitlernen möchten.

Wer die Karte der teilnehmenden Ordensgemeinschaften im Internet betrachtet, stellt fest, dass es im Westen Deutschlands überwältigend viele Standorte für das FOJ gibt. Klar, dort gibt es auch die meisten Klöster. Auf dem Gebiet der neuen Bundesländer sind einzig Alexanderdorf im brandenburgischen Landkreis Teltow-Fläming und das Zisterzienserinnenkloster St. Marienthal in Sachsen angezeigt.

Fester Tagesablauf gibt Struktur

Für Rike passte das Kloster am südlichen Rand von Berlin perfekt. Die in Bonn geborene junge Frau lebt seit elf Jahren in der Hauptstadt. Sie war für das Studium „Technischer Umweltschutz“ an der Technischen Universität (TU) in Berlin-Charlottenburg umgezogen, absolvierte später noch eine Ausbildung zur Veranstaltungstechnikerin, und hatte während ihrer Ausbildung schon mehrfach die Ruhe und Abgeschiedenheit des Klosters gesucht. Bis zu zehn Tagen verbrachte sie hier, „Lernzeit“ in jeder Hinsicht. Sie schätzte den Tagesablauf der Klostergemeinschaft als Struktur gebend. Der Wechsel von Lernen und Gebetszeit tat ihr und dem Lernen wohl. Und dass es auf dem flachen Land in Brandenburg mit dem mobilen Telefonnetz nicht so gut klappt, förderte ihre Ruhe.

Rike kommt aus einem nicht religiösen Elternhaus und ist nicht getauft. Doch sie ist von offener, neugieriger Natur und holt sich gern umfassende Antworten auf ihre Fragen. Als sie vor einer Prüfung wieder eine Zeit im Gästehaus der Benediktinerinnen verbrachte, stand das Freiwillige Ordensjahr gerade in den Startlöchern. „Ich hatte über so eine Möglichkeit in Amerika ein Video  gesehen und wusste nicht, dass hier auch so etwas geplant war“, erinnert sie sich. Sie fand das Angebot spannend und hätte sofort gesagt, dass sie Interesse daran hätte, sollte es auch in Alexanderdorf das FOJ geben. Anfang 2021, Rike war mit ihrer IHK-Prüfung beschäftigt, kam das Signal aus dem Kloster. Die erste Teilnehmerin war bereits dort.

Schwester Paula ist die Erst- ansprechpartnerin für die Interessentinnen am FOJ. Sie hat den Kontakt „nach oben“ zu Schwester Maria, die das Programm insgesamt koordiniert. Schwester Paula sprach mit Rike und kümmerte sich um die Vertragsausgestaltung und allen „Papierkram“. Rike ist als geringfügig Beschäftigte halbtags im Kloster angestellt, versichert und hat einen Katalog an Einsatzgebieten, so wie es besprochen wurde. Sie startete im Oktober mit der Gartenarbeit bei Schwester Paula. Der Wechsel von Laubharken oder anderen Tätigkeiten und Gebetszeiten, die Nachmittage zur eigenen Verfügung, passt in Rikes derzeitige Situation. Sie möchte sich sammeln, Bewerbungen für ihren künftigen beruflichen Weg schreiben.

Ihr Freund aus Berlin hat über die Kloster-Idee gestaunt, sie jedoch akzeptiert und Rike inzwischen schon besucht. Es sei natürlich gewöhnungsbedürftig, nicht zusammen zu sein, doch dank moderner Kommunikation hätten sie weiter Kontakt und sie habe ihn auch schon besucht, erklärt Rike. Dass die FOJler zwischendurch nach Hause fahren, ist im Programm ausdrücklich erwünscht. Rike lebt nun für ein halbes Jahr in der Klausur mit, was sie näher an die Schwesternschaft bringt und ihr sehr gefällt. Sie schätzt diese Gemeinschaft und lernt sie durch ihren Einsatz in Küche oder Nähwerkstatt tiefer kennen. Die Freundlichkeit, Offenheit und Gastfreundschaft der Benediktinerinnen mochte sie von Anfang an.

Ordensjahr ist Gewinn für beide Seiten

Die derzeitige Tätigkeit in der Nähkammer, wo sie vor allem Habitate repariert, ist eine „win-win“-Situation für das Kloster und sie: Rike ist mit der Nadel äußerst versiert, wovon auch ihr langer, handgenähter Wollrock mit dazugehörigen Unterkleidern zeugt. Sie baut sich gerade ein nebenberufliches Standbein mit historischer Näherei auf. In der Hostienbäckerei war sie noch nicht, aber „… vor ein paar Tagen war ein Lüfter zu reparieren und zu reinigen“. Kein Problem für eine Veranstaltungstechnikerin.

Beim FOJ gewinnen beide Seiten. Das sieht auch Schwester Paula so: „Hier eine begrenzte Zeit mitzuleben und sich neu zu orientieren, ist eine sehr gute Sache. Auch wir bekommen dadurch neue Eindrücke und Austausch.“ Rike, die den Katholizismus interessant findet und die Liturgie besonders mag, hat im letzten halben Jahr viel Neues erfahren – über sich und über das Leben im Kloster. Die Ruhe und Abgeschiedenheit taten ihr gut. Für Fragen gibt es stets einen Ansprechpartner. „Und wenn eine beantwortet ist, tauchen fünf neue auf“, sagt sie und lacht.
Das halbe Jahr, das sie für sich hier gewählt hat, neigt sich dem Ende zu. Gut so, findet sie, da sie langsam unruhig werde. Obwohl sie gern noch einen Sommer im schönen Klostergarten erlebt hätte. Rike findet, dass jeder, der offen für Neues ist, so ein FOJ ausprobieren sollte. „Berührungsängste oder die Angst, etwas falsch zu machen, sind fehl am Platz. Man kann auf jeden Fall etwas für seinen Alltag mitnehmen“, sagt sie. Nicht ausgeschlossen, dass man die ausgebildete Rettungssanitäterin, die auch ehrenamtlich beim Berliner Technischen Hilfswerk tätig ist, gelegentlich in Alexanderdorf wiedertreffen wird.

Von Andrea von Fournier

Alle Informationen zum FOJ: www.ordensjahr.de