Vom Traum zum Projekt
Für mehr Willkommenskultur in den Gemeinden
Was können Gemeinden tun, damit Nachbarn, Touristen und Neuankömmlinge sie nicht als „geschlossene Gesellschaft“ wahrnehmen? Die Arbeitsgemeinschaft „Willkommenskultur“ hat Kirchort-Räte geschult.
"Klappe, die erste!", für eine erfolgreiche Kirchort-Gremiensitzung. (Foto: Holger Jakobi) |
Unter dem Motto „Willkommen im Kirchort“ widmeten sich Mitglieder der Kirchort-Räte zwei Tage lang der Frage, wie sie Menschen einladen können, die nicht zur Gemeinde gehören. Eine Arbeitsgruppe hatte beispielsweise die Idee, in der Fußgängerzone mit Pantomime und Musik zu einem Kinderprojektchor einzuladen, bei dem alle Kinder mitmachen können. Auch die Kinder der Nachbarschaft oder Schulkameraden können mitmachen. In vier Gruppen entstanden Vorschläge für eine einladende Kirche.
Träumen, kreativ werden, Projekt entwickeln
„Es geht um eine Kirche des Ermöglichens, nicht des Verhindern“, erläuterte der Sonneberger Gemeindereferent Christian Beck, der die Schulung gemeinsam mit Seelsorgeamtsleiterin Anne Rademacher und Petra Neymeyr leitete. Die Arbeitsgemeinschaft „Willkommenskultur“ des Seelsorgeamtes hatte dazu ins Erfurter Bildungshaus St. Ursula eingeladen.
In einer Zukunftswerkstatt zeigte Christan Beck auf, wie sich ein Projekt von einem ersten Traum bis hin zur Umsetzung entwickeln kann. Wichtig sei es dabei, auch Ideen eine Chance zu geben, die auf den ersten Blick unrealistisch wirken. Unter den gesammelten Vorschlägen fanden sich ein Generationencafe, eine Handarbeitsrunde, ein Begrüßungsteam, das vor und nach Gottesdiensten zum Gespräch bereitsteht, Gebetskreise und ein Kirchenkino.
Deutlich wurde, dass die Ideen nur zum Zuge kommen, wenn der Kirchort-Rat sie mitträgt. Wie schnell sie dort zerredet werden können, demonstrierten die Schulungsteilnehmer in einem Rollenspiel. Ihr Auftrag war es, in einer Sondersitzung über neue Nutzungsideen für das frisch sanierte Gemeindehaus zu diskutieren. Eine Interessentin, die zu einem Begegnungscafé für Geflüchtete einladen wurde, wiesen skeptische Kirchort-Räte mit dem Argument ab, dass „die Geflüchteten ja wohl keine Christen sind“. Kirche solle sich auf die Gottesdienste konzentrieren und sich nicht mit Experimenten verzetteln, lautete ein weiteres Gegenargument.
Gute Diskussionen im Kirchort führen
Das Familien-Begegnungsprojekt „Kirche Kunterbunt“ erntete Widerspruch von der Pfarrsekretärin. Sie fürchtet, dass sie selbst zuviel Arbeitszeit in die Organisation stecken muss. Zudem weist sie darauf hin, dass die Räume meist für familiäre Feiern vermietet seien. Auch der ehrenamtliche Hausmeister fürchtet Mehrarbeit und sorgt sich um die Ordnung und Sauberkeit. Nicht der Kirchort-Rat habe hier zu entscheiden, sondern „der Herr Pfarrer“, forderte der ältere Herr. Einig wurde man sich nicht.
Die inszenierte Kirchort-Ratssitzung zeige deutlich, wie wichtig ein stimmiges Konzept für ein Projekt ist, erläuterte Gemeindereferent Christian Beck. Zum Abschluss der Gremienschulung erstellte jede der Arbeitsgruppen einen kleinen Videoclip zur Vorstellung des Projekt-Konzepts.
Übrigens: Die Kirche Kunterbunt gibt es wirklich. Sie wurde von Christian Beck in Sonneberg etabliert. Abwechselnd findet sie viermal im Jahr im Stadtteilzentrum Wolkenrasen – einem Projekt der evangelischen Kirche und der Stadt – und im katholischen Gemeindehaus statt. Schmunzelnd sagt Beck bei der Frage nach dem Platz, den neue Projekte einnehmen: „Wir brauchen nicht ein paar Räume, wir brauchen alles.“
Von Holger Jakobi
Die nächste „Willkommen im Kirchort“-Schulung findet am 25./26. März im Marcel-Callo-Haus Heiligenstadt statt. Anmeldung: Tel. 03 61 / 6 57 23 10.