Videokonferenz zur Woche für das Leben
Gespräche über das Lebensende
Was erhält den Geschmack am Leben und wie geht man mit Menschen um, denen es nicht mehr schmeckt? – Fragen, die bei einer Videokonferenz am 21. April zur Sprache kamen. Foto: imago/Ute Grabowsky |
„Ich möchte mich umbringen. Helfen Sie mir?“ Angestoßen vom jüngsten Bundesverfassungsgerichtsurteil zum assistierten Suizid tauschten sich haupt- und ehrenamtlich Engagierte aus dem Erzbistum vor allem darüber aus, wie sie Menschen begegnen, die ihres Lebens überdrüssig sind. Jutta Windeck, Berliner Caritas-Referentin für Vorsorge im Alter, erzählte von der unerschrockenen Reaktion einer älteren Dame auf die Suizid-Ankündigung ihrer Freundin: „Das kannste später machen. Jetzt trinken wir erst mal einen Kaffee und reden!“ Zuhören, aushalten, die Gesprächspartner in ihrem Todeswunsch ernst nehmen und ihnen nahe bleiben, sei in einer solchen Situation eine wertvolle, aber nicht selbstverständliche Reaktion, betonte Jutta Windeck.
In den Kirchengemeinden seien Todessehnsucht und Suizidgedanken oft noch Tabu, bestätigte eine Seelsorgerin. Aus der Überzeugung, im christlichen Auferstehungsglaube stecke die Lösung für alle Probleme, werde das Thema manchmal allzu schnell vom Tisch gefegt, nach dem Motto „Wer richtig glaubt, hat keine Suizidgedanken.“ Hilfesuchende fühlten sich nicht angenommen, wenn man ihnen Verzweiflung, Einsamkeit und Sinnlosigkeits-Gefühle schönrede, ohne sie zu verstehen.
Auch in Pflegeheimen stießen Lebensmüde nicht immer auf Verständnis, wurde während der Diskussion deutlich, oftmals würden sie regelrecht übersehen. Mitarbeiter könnten schwer eingestehen, dass in ihrer Obhut trotz aller Zuwendung jemandem der Geschmack am Leben abhanden gekommen sei.
Nicht vor Menschen mit Suizidwunsch weglaufen
In katholischen Einrichtungen gibt es zum Umgang mit Suizidwilligen hohen Gesprächsbedarf, erläuterte Martin Wiegandt, der Leiter des Caritas-Hospizes Katharinenhaus. Mit Hinweis auf die katholische Morallehre würden beispielsweise in den Caritas-Hospizen Gäste weggeschickt, wenn sie um Unterstützung beim Suizid bitten.
„Eigentlich wünschen wir uns, diese Menschen weiter begleiten zu können, nicht zuletzt auch aus der Erfahrung, dass die intensive Begleitung im Hospiz bei vielen den Geschmack am Leben noch einmal wecken kann“, sagt der Hospizleiter. Dass katholische Einrichtungen assistierten Suizid eines Tages selbst anbieten, kann sich Caritas-Direktorin Ulrike Kostka nicht vorstellen, inwieweit sie Menschen, die diesen Weg gewählt haben, menschlich und seelsorglich weiter begleiten, gelte es gründlich zu überlegen. Es sei wichtig, jeden mit seinen Wünschen ernst zu nehmen und ihn nicht „im Regen stehen“ zu lassen. Gleichzeitig sollte man aber auch im Blick haben, dass katholische Pflegeheime und Hospize von vielen als „geschützte Orte des Lebens“ wahrgenommen werden, die sie auch bewusst auswählen, um mit dem Thema Suizid nicht in Berührung zu kommen.
Ein Pflegeheim ohne Schlagermusik, bitte!
Zu diesen und weiteren Fragen, die mit dem Sterben zu tun haben, sollte die Kirche vermehrt Gesprächsangebote machen. Nicht nur unter Fachleuten, sondern auch am Familien-Kaffeetisch oder in Gemeindegruppen könnte man das Lebensende ins Gespräch bringen, regte Luzia Hömberg an, im Erzbistum Berlin Referentin für Krankenhausseelsorge. „Wen möchte ich dabei haben, wenn ich sterbe?“, könnte zum Beispiel eine Frage sein, mit der man ein solches Gespräch eröffnet oder auch: „Kann ich mir vorstellen, eine demente Oma zu sein?“ Ulrike Kostka hat derartige Gespräche schon öfters geführt. Ihre Vorstellungen, was zu einem lebenswerteren Lebensausklang beitragen könnte, reichen bis ins Detail: „Pflegeeinrichtungen ohne Schlagermusik“ unter anderem, „am besten mit Pudeln, die man streicheln kann.“ ...
Auch kulturelle Aspekte des Sterbens könnten Gesprächsstoff im Gemeinde- und Bekanntenkreis bieten, ergänzten andere Konferenzteilnehmer. Was in der westlichen Kultur aktuell für lebenswert erachtet werde, wirke sich möglicherweise auch auf die Diskussion über Suizid aus, gab Jutta Windeck zu bedenken. In anderen Kulturen, die Krankheit, Alter, Schmerz und Hinfälligkeit stärker wertschätzen und in Familien einbetten, komme das Thema weniger auf, meint auch Martin Wiegandt.
Seelsorger könnten dazu beitragen, die menschliche Würde und damit den Lebenswert auch in Gebrechlichkeit, Pflegebedürftigkeit und Demenz sichtbar zu machen, sagte Luzia Hömberg. Dies geschehe weniger durch Worte als durch eine Haltung, die gegenüber jedem zum Ausdruck bringe: „Ich sehe dich und nehme dich wahr mit allem, was dich ausmacht, mit deiner ganzen Geschichte und so, wie du jetzt bist.“
Von Dorothee Wanzek