Bewahrung der Schöpfung hilft auch beim Sparen angesichts der Energiekrise
Gezielt temperieren und lüften
Analoge Hygrometer geben unkompliziert Auskunft über die Luftfeuchtigkeit in Räumen. Sie können helfen, Schäden in Bausubstanz und Einrichtung zu verhindern und damit Kosten zu sparen. Foto: imago images |
„Derzeit herrscht große Verunsicherung angesichts der durch den Krieg in der Ukraine entstandenen Gasknappheit und deren Folgen. Auch im kirchlichen Bereich steht die Frage im Raum: Was kommt da auf uns zu?“, sagt Thomas Göbel. Der 52-Jährige ist Architekt im Bischöflichen Bauamt Erfurt und zugleich der Umweltbeauftragte des Bistums Erfurt. Er sieht sich vielen Fragen gegenüber, vor denen in diesen Tagen auch Gemeinden, kirchliche Einrichtungen, Verbände und Vereine stehen.
„Zuerst ist es natürlich wichtig, Energie einzusparen, damit es für alle reicht, aber auch um Kosten zu reduzieren und zugleich etwas für die Bewahrung der Schöpfung zu tun“, sagt Göbel. Denn nicht nur Energieverknappung und hohe Gas- oder Strompreise, sondern auch die spürbaren Klimaveränderungen verlangten angemessenes Handeln. Weniger Energie zu verbrauchen, sei der richtige Weg. „Für manche rührige Kirchenvorstände und Engagierte in Pfarrbüros ist dies völlig klar. Leider gibt es aber auch Gemeinden, bei denen das scheinbar noch nicht wirklich angekommen ist“, sagt Göbel.
Derzeit gehe er zum Beispiel in der Stadt Erfurt von einer Verdoppelung des Gaspreises und im Umland von einer Preissteigerung bei Gas um 116 Prozent, also mehr als doppelt so viel, aus, sagt Göbel. So heiße es jedenfalls bei den örtlichen Versorgern. Zugleich betont Göbel auch seitens des Bischöflichen Bauamtes: „Wir empfehlen den Gemeinden und Einrichtungen, bei den örtlichen Versorgern wie etwa Stadtwerken zu bleiben, um Versorgungssicherheit zu haben.Besonders wichtig ist die Stromversorgung. An ihr hängt etwa auch das Funktionieren der Heizungen.“
Überall müsse Strom, Gas und Öl gespart werden, sagt Göbel. Im Blick auf das Beheizen von Kirchengebäuden – manche würden auch überhaupt nicht beheizt – sei dies eine gewisse Herausforderung: „Kirchen sind viel träger und feuchter als andere Gebäude und Räume. Und Kirche ist nicht gleich Kirche.“ Deshalb müsse beim Temperieren einiges beachtet werden, zumal sich in Kirchen auch erhaltenswerte Orgeln und Kunstgut befinden.
Die Luftfeuchtigkeit beobachten
Die Kosten für die Kirchenheizung machten in der Regel im Budget einer Gemeinde einen großen Anteil aus. Die Temperatur abzusenken, sei deshalb eine wichtige Maßnahme. Allerdings seien dabei mögliche Folgen für Orgel und Kunstwerke zu bedenken. „Wenn die Temperatur heruntergefahren wird, muss gegebenenfalls gut gelüftet werden, damit sich nicht Feuchtigkeit festsetzt.“ Um die Luftfeuchtigkeit im Raum und zusätzlich in der Orgel messen zu können, seien einfache, analoge Hygrometer hilfreich. „Jeder kann sie ablesen. Sie brauchen im Gegensatz zu elektronischen Geräten wie Temperatur- und Feuchte-Datenloggern keine Batterien“, so Göbel. „Beträgt die Luftfeuchte 70 und mehr Prozent, ist es kritisch für Orgel und Kunstwerke. Denn dann beginnt die Feuchtigkeit, sich auf Oberflächen abzusetzen, sie zu zerstören und Nährboden für Pilze zu bilden.“ Sachgerechtes Lüften könne Abhilfe schaffen, sei aber nicht ganz einfach, sagt Göbel. So sei es etwa falsch, in eine kalte Kirche warme Luft einzulassen. „Wärmere Luft kann viel Feuchtigkeit aufnehmen. Kommt sie in einen kalten Raum, kühlt sie ab und setzt dabei Wassertröpfchen an allen kühleren Flächen ab, bringt also Feuchte in Räume hinein. Auch feuchtes Wischen und Topfpflanzen würden Feuchtigkeit in die Kirchen bringen. „Es kommt darauf an, die Kirchen intelligent zu lüften“, sagt Göbel, möglichst stoßweise und dann, wenn es draußen kälter ist als innen und draußen trockene Luft vorherrscht.“ Das tue Orgeln und Kunstgut gut. Für ein sachgerechtes Lüften gebe es automatisierte Systeme, die bei entsprechender Raumfeuchte in den Kirchen und entsprechendem Klima draußen die Fenster öffnen und schließen. „Ein solches automatisiertes Lüften ist vielleicht die Zukunft“, sagt Göbel.
Thomas Göbel, Umweltbeauftragter des Bistums Erfurt |
Im Blick auf die aktuelle Situation empfiehlt Göbel für den Gottesdienstbesuch warme Kleidung und warme Schuhe. Die Verantwortlichen sollten die Gläubigen darum bitten. Auch könnten die Meßfeiern mancherorts vielleicht etwas kürzer ausfallen. Kirchen für die Gottesdienste extra aufzuheizen, sollte vermieden werden. Wo es machbar ist, könne der Umzug in eine Winterkirche, in einen kleineren Raum helfen, Energie und Kosten zu sparen. Eine Möglichkeit sei auch der Einsatz von Infrarot-Strahlern. Sie funktionieren über die Erwärmung der angestrahlten Fläche, sind stromsparend und greifen wenig ins Kirchenklima ein. Sie anzuschaffen bedeute allerdings eine größere Investitition. Alternativ gebe es beheizbare Sitzbankauflieger, die allerdings nicht die Füße wärmten. Auch Decken könnten hilfreich sein.
Auch in den Gemeinde- und Pfarrhäusern gelte es, Energie zu sparen und die Kosten zu begrenzen, sagt Göbel. „Räume und ganze Zonen, die nicht dem ständigen Aufenthalt dienen, sollten weniger beheizt werden. Bislang wurden Räume etwa in den Gemeindehäusern oft nur mit zwei, drei Grad Unterschied mehr oder weniger gleich temperiert“, so der Umweltbeauftragte. Zudem müsse geschaut werden, ob für die eine oder andere Veranstaltung auch ein kleinerer Raum genügt. Im Blick auf den Luftaustausch sei gerade im Winterhalbjahr kurzes, gezieltes Stoßlüften möglichst mit Durchzug zu empfehlen. Hilfreich könne auch sein, die Temperierung für Veranstaltungen per Handy von Ferne mittels elektronischer Heizkörperthermostate mit Smartsteuerung zu regulieren. Das sei zwar mit Anschaffungskosten verbunden, könne aber helfen, Energie gezielter einzusetzen. „Nach jetzigem Stand wissen wir, dass sich die Heizkosten verdoppeln. Hohe Preise werden auch im nächsten Jahr zu zahlen sein. Je eher also Maßnahmen ergriffen werden, um so eher kann Energie eingespart und können Kosten begrenzt werden.“ Die aktuelle Situation werde sich ohnehin verstetigen, ist der Umweltbeauftragte überzeugt. Denn die Energieknappheit werde zunehmen.
Derzeit keine neuen Heizungen einbauen
Im Bistum Erfurt sei es üblich, dass sich die Verantwortlichen aus Pfarreien und Einrichtungen mit ihren Bau-, aber auch Energie-Angelegenheiten im Bischöflichen Bauamt melden. „Wir versuchen dann, unkompliziert aktiv zu werden: am Telefon zu beraten, aber auch vor Ort zum Beispiel Energieverluste aufzuspüren und konkrete Lösungen anzustreben. Dabei sind wir bestrebt, die Menschen vor Ort einzubinden und dazu zu ermutigen, lokale Fachleute hinzuzuziehen.“ Sollte es zum Beispiel zu Unterbrechungen oder starkem Druckabfall in der Gaszufuhr kommen, so Göbel, werden sich die Heizungen abschalten und „Störung“ signalisieren. Dann seien die Monteure vor Ort gefordert.
Im Blick auf den Einbau neuer Heizungen in den Gemeinden mahnt Göbel zur Vorsicht. Es sei nicht überschaubar, wie sich alles entwickelt. Kurzfristig sollten nur unbedingt notwendige Maßnahmen ergriffen werden. „Für die Zukunft“, so Göbel, „sind Konzepte zu entwickeln, die sich alternativer Umweltenergien bedienen und trotzdem unserer meist historischen Altbausubstanz gerecht werden.“
Unter der Überschrift „Verantwortungsbewusstes Temperieren von Kirchen im Winter 2022/2023“ haben Bauabteilungen der (Erz-)Bistümer in Deutschland in Abstimmung mit den Umwelt-, Orgel- und Kunstabteilungen „Handlungsempfehlungen“ veröffentlicht.
Mehr zum Thema: www.energie-und-kirche.de
Von Eckhard Pohl