Neue Äbtissin der Zisterzienserinnenabtei St. Marienstern

Glaubensfreude ausstrahlen

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Schwester Gabriela Hesse (57) ist am 4. Juni zur 44. Äbtissin der Zisterzienserinnenabtei St. Marienstern gewählt worden. Im Interview mit dem Tag des Herrn spricht sie über aktuelle Herausforderungen für das Kloster.

Äbtissin Gabriela Hesse am frisch sanierten Klausur-Eingang in St. Marienstern. | Foto: Dorothee Wanzek

 

Unmittelbar nachdem Äbtissin Philippa Kraft und eine weitere Schwester das Kloster verließen, haben Sie Verantwortung für die Abtei übernommen. Wie schwierig eine solche Aufgabe in einer so verunsichernden Lage sein mag, lässt sich aus der Ferne wohl nur erahnen. Was haben Sie, auch gemeinsam mit den anderen Schwestern, versucht, um die Gemeinschaft wieder auf einen guten Weg zu bringen?
 
Wir mussten als Gemeinschaft auf neue Weise zusammenfinden und den Blick wieder gemeinsam in die Zukunft richten. Es galt aber auch Wege zu finden, um gut mit den Verletzungen umzugehen, die solche Einschnitte natürlich bei allen Beteiligten hinterlassen. Dabei lassen wir uns begleiten. Schwester Hildegard Jansing, eine Missionsbenediktinerin aus Dresden, hatte uns dafür vor einem Jahr ihre Hilfe angeboten und wir haben dies dankbar angenommen und uns regelmäßig ausgetauscht. Ein derartiger Weg braucht seine Zeit. Uns allen ist klar, dass noch einige Arbeit vor uns liegt. Gerade in den letzten Wochen haben mir sehr viele Menschen gesagt, dass sie uns in all den Monaten im Gebet begleitet haben. Das hat mich tief berührt und diese Kraftquelle ist uns wichtig. Wir bauen weiterhin sehr darauf.
 
Auch im nahe gelegenen Zisterzienserinnenkloster St. Marienthal gab es in jüngster Zeit zwei Austritte. Manche Katholiken im Bistum fühlen sich durch solche Ereignisse darin bestätigt, mit einer gewissen „Niedergangs-Stimmung“ auf klösterliches und kirchliches Leben zu schauen. Wie sind Sie selbst gestimmt?
 
Von Negativstimmungen lasse ich mich ganz und gar nicht anstecken. Uns Schwestern verbindet unsere Freude am Glauben und am Klosterleben, und die möchten wir auch nach außen hin ausstrahlen. Ich mache keinen Hehl daraus: Die vergangenen Jahre waren für mich persönlich nicht einfach, ich habe sie aber auch als Zeit innerer Reifung erlebt. Dafür bin ich dankbar, und auch dafür, dass mir meine Freude am Glauben und an meiner Berufung erhalten blieb. Ausstrahlung scheint mir im Übrigen keine Frage der Zahlen zu sein. Ich bin überzeugt, dass auch wenige Schwestern, die aber gut zusammenhalten, sehr gut so leben können, dass andere sich davon angezogen fühlen. Was die Austritte angeht: Von innen her betrachtet sieht man mehr auf die sehr unterschiedlichen Situationen, in der sich die Schwestern jeweils befinden. Wir behalten zudem stets vor Augen, dass Gott jeder von uns die Freiheit lässt. Früher wurde das gewiss weniger betont. Ich sehe unsere menschliche Freiheit als großen Reichtum, sie hat aber eben auch ihre Kehrseite.
 
Bekommen Sie viele Anfragen von Frauen, die sich für das Klosterleben interessieren?
 
Es gibt nur wenige, die mit realistischen Vorstellungen von unserem Leben kommen. Wenn eine Frau das Kloster als möglichen Ausweg aus ihrer kriselnden Ehe sieht, müssen wir ihr natürlich die Hoffnungen nehmen, das gleiche gilt für psychisch beeinträchtigte Interessentinnen. Bei den anderen wird es in jüngerer Zeit immer üblicher, gleichzeitig in mehreren Klöstern anzufragen. Kurzum: Man rennt uns nicht gerade die Türen ein. Künftig noch mehr den Fokus auf die Förderung von Berufungen zu legen, ist mir ein großes Anliegen. Dabei sollten wir uns immer wieder fragen, ob unser Leben wirklich echte Gottsuche in der Tradition unseres Ordens ist und dadurch anziehend wirkt. Wir müssen sicher mehr Angebote schaffen für junge Menschen, die nach ihrer Berufung fragen und ihnen helfen, dieser Berufung nachzuspüren. Letztlich ist es natürlich immer das Geheimnis des Heiligen Geistes, wo und wie er Berufungen wachsen lässt.
 
Ein Jahr lang waren Sie bereits Administratorin der Abtei. Nun sind Sie als Äbtissin gewählt und eingesetzt. Was können Sie jetzt tun, was Sie vorher noch nicht konnten?
 
Im Einzelnen werde ich sicherlich noch einige Zeit brauchen, um das alles zu durchdringen. Als Administratorin war ich ja lediglich eingesetzt, um unaufschiebbare Entscheidungen zu treffen, die das aktuelle Tagesgeschehen und die Vorbereitung der Wahl betreffen, in wichtigeren Fragen in Abstimmung mit dem Rat der Schwestern. Als Äbtissin habe ich eine viel größere Verantwortung, zum einen für das geistliche Leben und die Einheit der Gemeinschaft, zum anderen aber auch für die Betriebe und Gebäude, die zum Kloster gehören und für die Rolle, die unsere Abtei hier als geistliches Zentrum in der Region spielt. Wenn ich in der Regel des heiligen Benedikt nachlese, welche Verantwortung der Abt trägt, wird mir ein bisschen schwindelig. Aus eigenen Kräften kann das niemand schaffen. Mir bleibt also gar nichts anderes übrig als auf Gottes Hilfe zu vertrauen.
 
Ein gutes Miteinander der Generationen ist – ebenso wie in Familien und anderen Bereichen der Gesellschaft – auch im Kloster keine Selbstverständlichkeit. Wie kann es im Kloster St. Marienstern gelingen, dass sich jüngere und ältere Schwestern gleichermaßen wohlfühlen und einander sogar als Bereicherung erfahren?
 
Auch das werden wir noch herausfinden müssen. Ich habe mir vorgenommen, gut auf meine Mitschwestern zu hören und sie mit ihren Anliegen und Bedürfnissen wahrzunehmen. Ich wünsche mir, dass sich jede wertgeschätzt fühlt, die 92-Jährige, die krank ist und nicht mehr arbeiten kann ebenso wie die ganz Jungen mit ihren tollen Gaben und Fähigkeiten. Jede soll die Möglichkeit bekommen, sich in die Gemeinschaft einzubringen.
 
Als Kloster bewegen Sie sich zuweilen auf einem schmalen Grat: Sie sind einer langen reichen Tradition verpflichtet, wollen sich aber auch neuen Herausforderungen stellen. Welche Ihrer Traditionen sind Ihnen besonders wertvoll?
 
Das ist ohne Zweifel das feierlich gesungene Chorgebet. Die Liturgie weiterhin würdig zu feiern, ist bei einer kleiner werdenden Zahl von Schwestern zuweilen nicht ganz einfach – obwohl: gegenwärtig haben wir die heilige Zahl zwölf. Wir investieren schon seit einigen Jahren einige Kraft, dass sich auch weiterhin Menschen daran erfreuen, gemeinsam mit uns zu singen und Liturgie zu feiern.
 
Ihre Wahl liegt erst sehr kurz zurück. Wissen Sie dennoch bereits, wo Sie künftig Akzente setzen wollen?
 
Vieles wird im Austausch mit den anderen Schwestern gewiss noch Gestalt annehmen. „Was will der Heilige Geist jetzt von uns?“, wird die entscheidende Frage bleiben, bevor wir die nächsten Schritte gehen. Zu den Akzenten, die ich bereits genannt habe, könnte ich hinzufügen, dass es mir ein großes Anliegen ist, gute Kontakte zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Klosters zu pflegen, zum Beispiel in unseren Behinderten-Einrichtungen. Ich wünsche mir, dass die Verbundenheit mit dem Kloster auch unter den Neueren unter ihnen noch wächst, auch unter denen, die nicht katholisch sind, und dass sie all das noch besser kennenlernen, was uns Ordensfrauen wichtig ist. St. Marienstern liegt am Ökumenischen Pilgerweg. Sehr viele Pilger nutzen unsere kleine Herberge. Es wäre schön, wenn wir uns auch um diese Menschen, die ja von ganz allein zu uns kommen, noch bewusster und intensiver kümmern könnten.
Auch baulich warten einige Herausforderungen auf uns. Gerade haben wir den Pfortenbereich erneuert, und das Gästehaus in der Alten Kaplanei wird grundlegend saniert. Auch die Wallfahrtskirche in Rosenthal, die ja ebenfalls zum Klosterbesitz gehört, liegt uns sehr am Herzen. In diesem Jahr muss die Gnadenfigur restauriert werden. Wir hoffen diesbezüglich auf großherzige Spenden. Bei den Bauarbeiten  hat die Sanierung der Fenster und der Außenfassade höchste Priorität. Bis dort alles so sein wird, wie wir es uns wünschen, ist noch einige Geduld erforderlich. Die Planungen für die Baumaßnahmen in Rosenthal liegen nicht allein in unserer Hand, sie müssen gut mit dem Bistum und den sorbischen Gemeinden abgestimmt werden. Auch die Finanzierung ist schwieriger als mancher denkt. Die Einnahmen durch die Kollekten reichen bisher nicht aus, um die Personalkosten zu decken. So danken wir dem Bistum für seine finanzielle Hilfe.
 
Mit dem Treueeid, den Sie nach Ihrer Wahl auf die Bibel geschworen haben und dem öffentlich abgelegten Glaubensbekenntnis sind Sie als Äbtissin bereits in Amt und Würden. Wozu braucht es eigentlich am 10. August noch die Benediktion?
 
Gewissermaßen wird meine Wahl mit der Benediktion durch Generalabt Mauro-Giuseppe Lepori in einem feierlichen Gottesdienst noch einmal offiziell manifestiert. Dort werde ich dann auch meinen Wahlspruch und mein Wappen bekanntgeben. (Schmunzelnd) Ein bisschen Überraschung muss doch bleiben.

Interview: Dorothee Wanzek
 
Zur Person: Vielseitig begabt
Schwester Gabriela Hesse wurde im August 1960 in Premnitz geboren. Die gelernte Krankenschwester trat 1981 in St. Marienstern ein und legte 1983 ihre Profess ab. Über 26 Jahre war sie im Kloster als Cellerarin für die wirtschaftlichen Belange zuständig. Seit 1987 ist sie als erste Kantorin für die würdig gefeierte Liturgie verantwortlich. Seit März 2005 stand sie der damaligen Äbtissin als Priorin zur Seite. In den letzten Jahren sorgte sie für kranke und alte Mitschwestern.