Christliches Gemeinschaftsprojekt startet in Weimar-Schöndorf

„Glockenhof“ geht an den Start

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Die Tassen und Teller sind eingeräumt. In Weimar-Schöndorf startete ein christliches Gemeinschaftsprojekt. Ein wichtiges Anliegen ist die Willkommenskultur. Weitere Mitstreiter werden gesucht.

Sie leben gemeinsam im ehemaligen Karmel in Weimar. Bis zu acht Personen können im Haus leben. Aber auch andere, in der Nähe wohnende  Menschen, können sich der Gemeinschaft anschließen.    Foto: Privat

 

„In Gott einen Freund sehen – diese Sichtweise der Spiritualität des Karmel spricht mich an“, sagt Nikolaus Huhn, der am 3. November zusammen mit seiner Frau Ursula und einer Studentin in das ehemalige Karmelitinnenkloster Weimar-Schöndorf eingezogen ist. Hier wollen sie mit anderen Christen und Suchenden eine kleine Lebensgemeinschaft beginnen. Gemeinsame unsichtbare Mitte des Zusammenlebens ist Jesus Christus. Inzwischen leben sechs Personen im Haus, darunter zwei Studentinnen und zwei Auszubildende „Ich gehe allerdings nicht davon aus, dass die Zeit hier bei uns für die jungen Leute eine Entscheidung fürs ganze Leben bedeuten wird. Irgendwann werden sie wohl weiterziehen“, vermutet Huhn, der sich selbst als eine Art ‚Herbergsvater’ sieht. Als Selbstständiger kann er es sich einrichten, dass er viel Zeit hier verbringt und als Ansprechpartner vor Ort ist.
Wichtig ist allen Beteiligten, sich als ein Projekt zu begreifen, das nicht abgeschlossen ist. „Wir wollen einladend sein im Sinne der Anregungen aus dem Seelsorgeamt Erfurt und der beiden Pastoraltage des Jahres 2019 “, beschreibt Huhn das Vorhaben. So steht das Tor für die Nachbarn des Stadtteils weit offen, die Kapelle kann tagsüber zum Gebet oder zur Meditation genutzt werden. „Schon den Schwestern war es wichtig, mit den Nachbarn im Gespräch zu sein. Daran knüpfen wir an. Für die kommende Advents- und Weihnachtszeit laufen derzeit die Überlegungen. Auf jeden Fall wird es in der Kapelle eine Krippe geben. Und gern – bei allem gebotenen Abstand – im Gemeinschaftsraum auch eine Tasse Kaffee oder Tee für die Besucher.“ Auch das Bonifatiuswerk fördert diesen Neuanfang mit einem Zuschuss.

Nicht das Gefühl haben, etwas tun zu müssen
Inzwischen hat das christliche Gemeinschaftsprojekt einen Namen: Glockenhof. Ganz naheliegend, da im Klosterhof drei alte Stahlglocken stehen, die die Karmelschwestern in den neunziger Jahren vor dem Einschmelzen bewahrt haben. Langsam zeichnet sich eine kleine Tagesstruktur ab, die mit den unterschiedlichen Arbeitszeiten vereinbar ist: Am Morgen wird zu 20 Minuten Stille eingeladen, am Abend gibt es ein einfaches gemeinsames Gebet. Die Teilnahme steht allen Mitbewohnern frei. Niemand soll das Gefühl haben, hier beten zu müssen.
Gut angekommen ist auch Ursula Huhn. „Als ich das Haus das erste Mal sah, da konnte ich mir nicht vorstellen, hier zu leben. Das Wetter war kalt, grau und regnerisch, die Nähe zu Buchenwald… Dann vor einem Jahr machte es irgendwie Klick und ich sagte Ja.“ Ursula Huhn spricht von den Herausforderungen, die das neue Gemeinschaftsleben an sie stellt. „In unserem bisherigen Haus konnten wir machen, was wir wollen. Hier geht das nicht mehr so ohne Weiteres. Alles will untereinander abgesprochen werden. Das ist schon eine Herausforderung.“
Offen sind die Leute vom Glockenhof für weitere Christen und Suchende, die sich mit auf dieses gemeinsame Abenteuer einlassen wollen. Vorbild dafür ist unter anderem die Franziskusgemeinschaft in Pinkafeld bei Wien. Huhns waren dort zu Besuch und beiden hat das Zusammenleben dieser Gemeinschaft gefallen. Die Einfachheit, das Leben, die gemeinsamen Gebetszeiten.
Sie und die anderen Bewohner sind drauf gefasst, von den Randständigen der Gesellschaft evangelisiert, will sagen, in der Liebe Gottes unterwiesen zu werden. Dieser etwas ungewohnte Gedanke, der das Gemeinschaftsleben im Stadtteil prägen soll, leitet sich aus dem Buch „Evangelii Gaudium“ (Die Freude des Evangeliums) her. „Dieses erste Lehrschreiben von Papst Franziskus hat einen entscheidenden Anstoß für den Neuanfang gegeben: Wir Christen werden eingeladen, an die Ränder der Gesellschaft zu gehen.“ Papst Franziskus schreibt dort: „Mir ist eine ‚verbeulte’ Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit. sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist.“ Dabei will die Gemeinschaft mit der Gemeinde vor Ort zusammenwirken. Ein Gruppenraum im Kloster, der Gästen offen steht, wird von der Gemeinde für Versammlungen genutzt.

Nikolaus Huhn, Edith-Stein-Straße 1 in 99427 Weimar-Schöndorf
Telefon 03643 / 420074, n.huhn@energie-gewinnt.de

Von Holger Jakobi