Sakrament der Versöhnung in neuer Form

Gott auf sich zukommen lassen

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In Berlin-Prenzlauer Berg konnten Christen das Sakrament der Versöhnung nun schon zum dritten Mal in einer neuen Form feiern. Die Liturgie rückte die Barmherzigkeit Gottes ins Licht, der den Menschen entgegenkommt.

Zwei Figuren kehren einander den Rücken zu –
eine der Installationen am 24. März.
Foto: Foto: Stefan Witt

Rund 30 Erwachsene sind vor rund einem Jahr der Einladung eines kleinen Teams der Pfarrei Teresa von Avila gefolgt, das Sakrament der Versöhnung auf bisher ungewohnte Art zu feiern. Musik von Christoph Kießig, dem Frontman der seit DDR-Zeiten bekannten Band Patchwork, begrüßt sie und durchzieht die rund einstündige Feier.
Pastoralreferent Stefan Witt heißt die Anwesenden in der Kirche Mater Dolorosa willkommen und stellt den Herz-Jesu-Priester vor, der später das Sakrament spenden wird. Die Frauen und Männer – viele um die 60 – hören den biblischen Text über den barmherzigen Vater. Stefan Witt erläutert die Geschichte, die er selbst als Kind noch unter der Überschrift „Der verlorene Sohn“ präsentiert bekam: „Der Sohn hat sich vorher gut überlegt, was er seinem Vater alles sagen wird“, sagt der 47-Jährige. „Doch noch bevor es dazu kommt, rennt der Vater schon auf ihn zu und umarmt ihn. Ihm ist schon alles vergeben.“
Stefan Witt spannt den Bogen zu denen, die hier an diesem Nachmittag versammelt sind: „Es reicht Gott, dass wir heimkehren zu ihm.“ Sünde sei im Wesentlichen eine Beziehungsstörung, erläutert er. Dass jemand beleidigt, verleumdet, betrogen ... hat, trägt seinen Teil dazu bei. Vorrangig sei aber, dass es Ungelöstes in der Beziehung zu Gott gebe. Der Lösungsansatz bestehe darin, zu bereuen und aus Liebe zu Gott sein Versöhnungsangebot anzunehmen.

„Wir warten seit Jahren auf ein solches Angebot“
Zu inspirierender Musik begibt sich die Gemeinde in kleinen Gruppen nacheinander zu den Installationen, die eigens für die Feier im Kirchenraum verteilt wurden: Zwei Stühle, deren Lehnen einander zugewandt sind, ineinander verkeilte Stühle, auf dem Boden liegenden Stühle, ein Stuhl, der über einem anderen Stuhl steht und ein einzeln stehender Stuhl. An jeder In-
stallation werden sie von einem Mitglied des Vorbereitungsteams empfangen, das ein kleines Gespräch eröffnet, zum Beispiel mit diesen Fragen: „Welche Art von Beziehungsstörung verbinden Sie mit dem, was Sie hier sehen? Wie geht es Ihnen bei diesem Anblick?“ Manche der Angesprochenen reden viel, manche sagen ein einzelnes Wort, andere schweigen. Einigen kommen Tränen, wenn sie einzelne Installationen auf sich wirken lassen. Langsamere Musik geleitet sie jeweils zum nächsten Stuhl-Gebilde.
Jeder sucht sich anschließend den Ort aus, an dem er Widerhall in sich wahrgenommen hat, der ihn herausfordert und zu seiner derzeitigen Situation passt. Dort verharrt er in einer Körperhaltung, die er gerade als stimmig empfindet. Der Gedanke, der dahinter steht: Durch Ort und Haltung drücken Menschen ihr Bekenntnis zu Gott aus. Manche fühlen sich zu keiner der Installationen hingezogen. Eine Frau etwa will in der Nähe des Marienaltars bleiben, dort, wo in vielen Gebetsanliegen Kerzen angezündet werden. Der Priester, den die Gemeinde für diese Aufgabe zuvor ausdrücklich gesegnet hatte, geht nun in der Kirche umher, nimmt nacheinander Blickkontakt mit den Einzelnen auf. Wer möchte, kann nun etwas sagen, doch niemand muss das tun. Wie nach einem Beichtgespräch spricht der Priester für jeden die Lossprechungsformel.
Nach einem gemeinsamen Gebet, dem Segen und den Verabschiedungsworten bleiben einige noch in der Kirche. Wer möchte, folgt noch der Einladung zum geselligen Beisammensein. Auch wenn die Zahl der Teilnehmer kleiner ist als die der sonntäglichen Gottesdienstbesucher der Pfarrei im Nordosten der Stadt, ist das Echo, das Stefan Witt und sein Team erhalten, ungewöhnlich. „Wir warten seit Jahren auf ein solches Angebot“, sagen Teilnehmer, die den Pastoralreferenten ansprechen oder anrufen, um sich zu bedanken. Viele haben das Bedürfnis nach Lossprechung, wollen aber nach schlechten Erfahrungen eine Form, bei der sie sich nicht erklären müssen. Von den Worten, Gesten und Klängen lassen sich viele zutiefst berühren, berichtet der Seelsorger. Eine durch Alter und Krankheit gebeugte Frau beispielsweise sei nach der Feier sichtlich aufrechter gegangen und habe ihn umarmt.
Die Idee, diese Feiern in der Pfarrei anzubieten, kam Stefan Witt, als er dort in der Corona- zeit seinen ersten Erstkommunionkurs leitete. „Kinder einzeln zum Beichten in einen Raum zu schicken, erschien mir problematisch angesichts der Pandemie und der aktuellen Stimmung bei vielen Gläubigen nach der Veröffentlichung des Gutachtens über sexuellen Missbrauch im Erzbistum“, sagt er. Anstelle der klassischen Erstbeichte trat ein mit kindgerechten Symbolen gestalteter Bußgottesdienst mit Generalabsolution. Eltern waren beeindruckt, wie froh und befreit die Kinder am Ende dieser Feier waren und fragten nach, ob es Vergleichbares nicht auch für Erwachsene gäbe.

Der Impuls kommt von den Philippinen
Er hatte von einer Gruppe pastoraler Mitarbeiter aus dem Erzbistum gehört, die vor einigen Jahren das spirituelle Zentrum Bukal ng Tipan auf den Philippinen besucht hatten und begeistert von den Versöhnungsfeiern erzählten, die sie dort erlebt hatten. Einer der Mitgereisten, Pfarrer Martin Kalinowski, bot eine ähnliche Feier anschließend in seiner Pfarrei an. Christopher Maaß, der in der Organisationsberatung des Erzbistums mitarbeitet, bietet die Feiern in der oben skizzierten Form schon seit längerem in der St.-Canisius-Kirche an.
Stefan Witt hat die Vorlage aus den Philippinen, obwohl er die Texte passend und eindrücklich findet, bei der zweiten und dritten Feier abgewandelt. Unter anderem gab es eine andere Installation. Nicht Stühle, sondern biblische Erzählfiguren regten die Mitfeiernden an, ihren Ort und ihre Haltung zu finden, um auf Gottes Angebot der Versöhnung einzugehen.
„Es geht bei diesen Feiern nicht darum, die klassische Beichte zu ersetzen“, betont Stefan Witt. „Ziel sei vielmehr, eine Alternative zu schaffen für Menschen die andere Zugänge suchen.“

Kontakt: stefan.witt@erzbistumberlin.de

Von Dorothee Wanzek