Anstoss 15/19

Gottes verlorener Sohn

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Vor zwei Wochen bin ich am Sonntag im Evangelium dem verlorenen Sohn begegnet. Sein Abschied von Zuhause war alles andere als herzlich. Seine Rückkehr alles andere als rühmlich.


Als Verlierer schleicht er sich nach Hause und erwartet nichts. Seine Ankunft wird zum Fest, weil der Vater den Sohn sieht, der endlich den Weg nach Hause gefunden hat und nicht den Versager.
Heute am Palmsonntag begegnen wir im Evangelium wieder einem Sohn. Jesus Christus stammt aus dem Haus und Geschlecht Davids. Er ist ein Sohn des Volkes Israel. Auf dem Rücken eines Esels zieht er feierlich in Jerusalem ein, so berichtet es der Evangelist Lukas. (Lukas 19,28-40)
Wenige Tage später wird er schleichen. Mit letzter Kraft schleppt er das Kreuz nach Golgotha. In ein paar Tagen wird Jesus der Leute wegen zum verlorenen Sohn. Sie laden ihren Unmut auf ihm ab. Ihre Enttäuschungen und ungerechten Verleumdungen drücken ihn zu Boden.
Im Gegensatz zum verlorenen Sohn aus dem Gleichnis löffelt Jesus eine Suppe aus, die er sich nicht selbst eingebrockt hat. Damit gibt uns Jesus einen Hinweis, wie weit Gott geht und wie weit wir gehen sollen. Die Menschen messen uns Christen an der Art und Weise, wie wir Christus nachfolgen. Vielleicht hat es die Kirche deswegen im Augenblick so schwer. Zu viele, die sagen: „Das geht mich nichts an“. Zu viele, die Augen, Mund, Ohren und Herz vor dem Leid der anderen verschließen.
Doch, es geht uns etwas an. Christus geht soweit, dass er am Ende schreit: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Markus 15,34) Um der Menschen willen wird Jesus zum verlorenen Sohn. Die Frage ist, ob wir glauben, was Jesus im Gleichnis andeutet. Der barmherzige Vater nimmt dem verlorenen Sohn die Last von seinen Schultern. Er zieht ihm das Festgewand an, das Trauer in Freude und Tod in Leben verwandelt.

„Alles kann, wer glaubt“, sagt uns der Evangelist. (Markus 9,23b) Damit ist nicht gemeint, dass der Glaube uns unbesiegbar macht. Wir können nicht alles ertragen und müssen es auch nicht. Aber wir können einander dem barmherzigen Gott in die Arme spielen, der über den verlorenen Sohn nichts anderes zu sagen weiß als: „Dein Bruder war tot und lebt wieder.“ (Lukas 15,32)
 
Pfarrer Marko Dutzschke, Cottbus