Seit zehn Jahren ist Wolfgang Ipolt Bischof von Görlitz. Bilanz und Ausblick im Interview.

Große Nähe zu den Gläubigen

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Seit zehn Jahren ist Wolfgang Ipolt Bischof von Görlitz. Im Interview zieht er Bilanz und spricht über die in den nächsten Jahren vor ihm und seiner Ortskirche liegenden Herausforderungen.

Am 28. August vor zehn Jahren wurde Wolfgang Ipolt in Görlitz zum Bischof geweiht. - Foto: Raphael Schmidt / Bistum Görlitz


Welche Höhepunkte in Ihren zehn Jahren als Bischof sind Ihnen besonders in guter Erinnerung?
Es gab in diesen zehn Jahren für mich viele schöne Erlebnisse und Erfahrungen, die aber nicht immer spektakulär oder pressewirksam waren. Zu den Höhepunkten eines jeden Jahres gehören die Wallfahrten – unsere Bistumswallfahrt nach Neuzelle, die Jugendwallfahrt und die Kinderwallfahrt, die immer in Rosenthal im Nachbarbistum stattfindet. Da spüre ich immer etwas vom Zusammenhalt unseres Bistums und von der Freude am Christsein. Zu den Höhepunkten dieser zehn Jahre gehören natürlich auch zwei besondere Ereignisse: Die Gründung des Priorates der Zisterzienser in Neuzelle im Jahre 2018 und die 25-Jahr-Feier der Gründung unseres Bistums im Jahre 2019, die wir im kleinen Rahmen begangen haben.


Das Bistum Görlitz ist das zahlenmäßig kleinste Deutschlands. Welche Vorteile hat es?
Die Kleinheit des Bistums schenkt mir als Bischof eine große Nähe zu den Gläubigen, aber vor allem auch zu den Priestern und allen Frauen und Männern, die in der Seelsorge tätig sind. Ich kenne sie alle persönlich. Ich kann auch öfter und bei besonderen Anlässen leichter in den Pfarreien zu Gast sein und so am Leben der Gemeinden teilnehmen und dort das Evangelium verkünden. Ich behaupte, dass mir viele Sorgen und Nöte schneller zugetragen werden – für die ich natürlich nicht immer und sofort eine Lösung parat habe.


Pfarreien werden zusammengelegt zu Großpfarreien. Bezieht man dies auf die Bistümer – war die Bistumsgründung rückblickend doch ein Fehler gewesen?
Es ist nie gut, über geschichtliche Entscheidungen der Vergangenheit aus heutiger Sicht zu urteilen. Die deutschen Bischöfe haben 1994 die Bistumsgründung mitgetragen. Die Präsenz der katholischen Kirche in der Nähe der polnischen Grenze halte ich auch weiterhin für bedeutsam. Unser Bistum kann und soll die Brücke hin zu unseren Nachbarn sein, so wollte es Papst Johannes Paul II., der das Bistum errichtet hat.


Sie bemühen sich, Neuzelle als das geistliche Zentrum des Bistums zu stärken. Es ist Ihnen gelungen, Zisterzienser aus Heiligenkreuz nach Neuzelle zu holen, die jetzt ein neues Kloster zehn Kilometer entfernt von Neuzelle bauen. Was stimmt Sie zufrieden, welche Wünsche bleiben?
Eine Klostergründung ist immer etwas Besonderes, das niemand vorher einüben konnte. Für die Mönche wie auch für mich war das Neuland, das wir betreten haben. Wenn auch das eigentliche Kloster nun etwas abseits von Neuzelle entstehen soll, so sind die Zisterzienser doch auch in Zukunft die Seelsorger dieses für unser Bistum und für Brandenburg wichtigen Ortes. Die Gründermönche bemühen sich sehr, den neuen Standort bekannt zu machen und den Menschen die Gründe zu erläutern, warum sie für ihr monastisches Leben einen stilleren Ort wählen möchten. Das Bistum ist nicht Eigentümer der inzwischen res- taurierten Klosteranlage. Mit Hilfe der staatlichen Stiftung Stift Neuzelle ist es jedoch gelungen, dass die Zisterzienser ein Grundstück ihrer Wahl erwerben konnten, das sich auf dem Gelände des 1817 aufgelösten Klosters befindet. Damit ist die Gründung des Priorats auch historisch eine Anknüpfung an das lange Wirken der Zisterzienser in Neuzelle. Die große Offenheit, mit der die Klostergründung von der zumeist nichtchristlichen Bevölkerung aufgenommen wird, stimmt mich zuversichtlich. Später wollen die Mönche ihr neues Kloster und die Stiftskirche durch einen Pilgerweg verbinden. Ich finde, dass dies in unserer hektischen Zeit ein schönes Zeichen sein kann.


In vielen deutschen Bistümern mangelt es inzwischen an Personal und an Geld. Vor welchen Herausforderungen steht diesbezüglich Ihr Bistum?
Die größte Herausforderung für uns ist, dass wir als gleichberechtigtes Bistum in Deutschland auch alle Aufgaben erfüllen sollen, die ein großes Bistum leistet. Dass dies aber nicht geht, dürfte jeder einsehen. Aus meiner Sicht muss das auch nicht sein. Jedes Bistum hat sein eigenes Gesicht. Wir müssen das tun, was den Glauben der Menschen hier im Osten Deutschlands stärkt und was einer überzeugenden Präsenz unserer Ortskirche dient. Aber selbst bei diesen Aufgaben sind wir auch in Zukunft auf die Solidarität aller Bistümer in Deutschland angewiesen, vor allem in finanzieller Hinsicht. Das scheint im Augenblick schwieriger zu werden, als es kurz nach der Wiedervereinigung Deutschlands war, weil sich die gesamte kirchliche Situation in Deutschland ändert und auch in den großen Bistümern die Zahl der Katholiken geringer wird. Ich persönlich möchte auch in Zukunft nach dem Grundsatz handeln: Es ist besser an einigen Punkten ganz und überzeugend präsent zu sein, als überall nur halb und mit geringer Qualität. Von einer flächendeckenden Seelsorge müssen wir uns verabschieden – aber das ist in unserem Diasporabistum schon lange Realität.


Sie sprachen es schon an: Dem Bistum Görlitz kommt eine besondere Rolle mit Blick auf das Nachbarland Polen zu. Wie steht es um die Beziehungen nach Polen?
Meine Kontakte nach Polen sind sehr gut. Ich habe mich in den vergangenen Jahren bemüht, wenigstens etwas die polnische Sprache zu lernen. Ich bin außerdem Mitglied der deutsch-polnischen  Kontaktgruppe der Deutschen Bischofskonferenz. Es gibt in jedem Jahr Begegnungen zu den verschiedensten Anlässen, durch die ich insbesondere mit den polnischen Bischöfen in einem guten Kontakt bin.


Ihr Bischofskollege, Kardinal Marx aus München, hat kürzlich ein hartes Urteil über die Kirche gesprochen, die an einem toten Punkt sei. In Deutschland findet zurzeit der Synodale Weg statt, bei dem auch Sie mitarbeiten. Was erhoffen Sie sich?
Die Kirche als Gemeinschaft kann aus meiner Sicht nie an einen toten Punkt kommen, da der Herr selbst ihr Bestand verheißen hat. Zu ihrem Leben gehören aber sicher Vollzüge, die absterben oder der Vergangenheit angehören, aber auch viel Lebendiges und viel Wachstum. Ich bin deshalb Papst Franziskus dankbar für seine Idee, im Oktober einen synodalen Prozess für die Weltkirche zu eröffnen und damit die Weltbischofssynode im Jahre 2023 vorzubereiten. Das wird unseren Blick weiten und – so hoffe ich – ein wenig unsere Probleme in Deutschland relativieren.


Die letzten Monate waren stark von der Corona-Pandemie gekennzeichnet, Sie waren selbst daran erkrankt. Welche Erfahrung nehmen Sie aus dieser Zeit für Ihre Arbeit mit?
Das Leben ist und bleibt zerbrechlich und wir haben nie alles in der Hand. Die ganze Menschheit hat durch die Pandemie neu Solidarität und Achtsamkeit gelernt. Das gilt auch für den Umgang miteinander in unserem kirchlichen Leben. Ich persönlich habe viel gelernt im Umgang mit digitalen Formaten der Kommunikation – aber auch die persönlichen Begegnungen sehr vermisst.


Wenn alles planmäßig läuft, werden Sie noch acht Jahre als Bischof Verantwortung für das Bistum Görlitz tragen. Was möchten Sie in dieser Zeit noch erreichen?
Entsprechend meinem Wahlspruch „Den Duft der Erkenntnis Christi verbreiten“ möchte ich insbesondere der Katechese an den verschiedenen Knotenpunkten des Lebens mehr Gewicht verleihen. Das vor einem Jahr erschienene Katechetische Direktorium gibt dazu viele Anregungen und Papst Franziskus hat erst kürzlich den Dienst des Katecheten in der Kirche wieder belebt. Es wird sicher auch meine Aufgabe sein, bei geringer werdenden finanziellen Ressourcen, mit meinen Mitarbeitern Schwerpunkte – oder anders gesagt „Leuchttürme“ – in unserem Bistum aufzuspüren und diese zu stärken.
Fragen: Raphael Schmidt und Matthias Holluba