Gründungskirche gesucht

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Fundament der Bischofsburg Hamburg
Nachweis

Foto: Michael Pfisterer/Archäologisches Museum Hamburg

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Schlaglichter auf Turmfundament: Die Neugestaltung des Museums kostete 180 000 Euro und wurde aus Sondermitteln der Kulturbehörde sowie des Archäologischen Museums Hamburg finanziert.  

Es kann jetzt wieder das Fundament der Bischofsburg aus dem 11. Jahrhundert besichtet werden. Archäologen suchen in der Umgebung aber immer noch nach Überresten eines weitaus älteren Gebäudes: der Kirche des heiligen Ansgar.

Professor Rainer-Maria Weiss hofft, dass in der evangelischen Hauptkirche St. Petri „endlich mal eine Fußbodenheizung eingebaut wird“. Freilich nicht, weil er dort etwa kalte Füße bekäme. Kühlen Untergrund ist er gewohnt. Denn er „buddelt“ gerne, wie man in Norddeutschland sagt. Weiss ist nämlich Hamburgs Landesarchäologe und Direktor des Archäologischen Museums Hamburg. Und der Einbau einer Fußbodenheizung in St. Petri würde es ihm und seinen Mitarbeitern ermöglichen, festzustellen, ob unter dem Chor des Gotteshauses schon Jahrhunderte vor der Reformation eine Kirche stand: die Ur- und Gründungskirche des heiligen Ansgar, dem Patron des Erzbistums Hamburg.

Sie war wohl ein karger, einfacher Holzbau – jedenfalls wird sie so auf einigen Schautafeln dargestellt, die im nun nach dreijährigem Umbau wiedereröffneten „Museum – die Bischofsburg“ die Besucher in das mittelalterliche Hamburg versetzen. Der Eintritt in das Gebäude am Speersort 10 ist übrigens montags bis samstags von 11 bis 16 Uhr frei und führt an einer Eisdiele vorbei, die für Einnahmen durch Pacht sorgt. Daneben können die Gäste hinabsteigen in die Mitte eines kreisartigen Turmfundaments, dessen Felsbrocken, Steine und mittelalterlicher Zement in dramatischer Lichtinszenierung aus dem schummrigen Kellerdunkel aufleuchten.

Das Fundament war eine zufällige, gleichwohl sensationelle Entdeckung, auf die Bauarbeiter beim Aushub für einen Neubau Anfang der 1960er Jahre gestoßen waren. Damals wurde es als Basis eines im 11. Jahrhundert errichteten mehrgeschossigen Wohnturms für den Erzbischof gedeutet. Daher auch die Bezeichnung „Bischofsburg“, unter der das Bauwerk mittlerweile bekannt ist. Sie wird beibehalten, obgleich sie irreführend ist.

Denn in den gut sechzig Jahren, die seit der Entdeckung vergangen sind, gelangten Archäologen zu neuen Erkenntnissen. Dazu hat unter anderem auch der Neubau der Kita von St. Petri gleich nebenan beigetragen, denn vor Baubeginn konnte im Untergrund nach Artefakten gesucht werden. Heute gehen Weiss und seine Mitarbeiter davon aus, dass das Fundament möglicherweise zum ältesten Hamburger Stadttor gehörte, und zwar zu dessen Nordturm. Die Annahme liegt auch insofern nahe, als genau dort die älteste befes­tigte Straße Hamburs, die Steinstraße, durch die „Heidenwall“ genannte früheste Stadtbefestigung führte. 

„Kirchengeschichte ist sehr spannend“

„Das Stadttor war größer als das Holstentor in Lübeck“, sagt Weiss. Das sei insgesamt 38 Meter breit, das Hamburger hingegen bestand wohl aus zwei Türmen von jeweils 19 Metern Durchmesser. Hinzu komme noch der Torbogen in der Mitte. Überdies: Das Tor ist bis heute im Wappen Hamburgs dargestellt, wenngleich stilisiert.

Diese These hat natürlich erneut die Frage nach Ansgar und seiner Kirche aufgeworfen. „Die Kirchengeschichte ist sehr spannend, weil da die Hammaburg eine entscheidende Rolle spielt“, führt Professor Weiss im Gespräch mit der Neuen Kirchenzeitung aus. Man sei immer davon ausgegangen, dass Bischof Ansgar 831 als Bischof oder gar schon als Erzbischof nach Hamburg gekommen sei, um hier sein Missionszentrum zu gründen. „Das haben wir alles überprüft, haben die ganze Hammaburg ausgegraben: keine Kirche weit und breit, die aus Ansgars Zeit stammt“, so Weiss. 

Ansgar sei auch nicht Erzbischof gewesen und zudem erst 834 nach Hamburg gekommen. „Wir sind fest überzeugt, dass Ansgars Gründungskirchlein, das Missionskirchlein für ganz Nordeu­ropa, nicht in der Hammaburg, sondern daneben gebaut wurde.“ Man habe also eine Kirche in näherer Umgebung suchen müssen, weil ein Kirchenstandort nie aufgegeben werde. „Und da bietet sich ausschließlich St. Petri an“, erklärt Weiss. Entsprechend ist der karge Holzbau auch auf einer Schautafel neben der Hammaburg dargestellt. 

Im 11. Jahrhundert wurde dann etwas weiter westlich eine neue Burg errichtet. Weiss: „1020 ist die Hammaburg aufgegeben und das Areal dem Erzbistum geschenkt worden. Und der Erzbischof hat inmitten der Hammaburg seinen Dom errichtet, auf dem bis heute fortlebenden Domplatz.“ 

Wie ernsthaft Weiss hofft, noch unter St. Petri nach den Überresten von Ansgars Gründungskirche „buddeln“ zu können, wird am Schluss des Gesprächs deutlich. „Eine Kirche wie St. Petri bietet ja auch ein fantastisches Schutzdach über den archäologischen Relikten“, betont er. „Die sind absolut gut erhalten. Also eine Kirchengrabung macht absolut Spaß. Auf die freuen wir uns sehr.“ Unter der Kirche kann er sich ebenfalls einen Ort für Besucher vorstellen, wie er unter der Eisdiele eingerichtet worden ist. 

Matthias Schatz